München. Versicherungsgesellschaften rechnen durch den Ausbau des Panamakanals mit erhöhten Risiken. Das geht aus der Studie „Panama Canal 100: Shipping Safety and Future Risks“ des Seeversicherers Allianz Global Corporate and Specialty (AGCS) hervor. Demnach wird sich der Wert der versicherten Güter, die die wichtigste Wasserstraße der Welt passieren, erhöhen. Nach Fertigstellung der zwei neuen Schleusen, durch die eine dritte Route für größere Transite entsteht, könne der Wert auf mehr als 1 Milliarde US-Dollar ansteigen.
Jedes Jahr passieren mehr als 12.000 Hochseeschiffe den Kanal. Mit der für 2015 geplanten Inbetriebnahme der neuen Schleusen wird ihre Zahl nochmals deutlich ansteigen. Durch den Ausbau sollen jeden Tag zwölf bis 14 größere Schiffe den Kanal passieren können (rund 4750 zusätzliche Schiffe pro Jahr), darunter viele Containerschiffe der neuen Panamax-Maße mit 12.600 TEU. Diese Schiffe sind noch mal deutlich größer als die größten Schiffe, die den Kanal derzeit durchfahren können (4.400 TEU).
Kapazitätsausbau bringt neue Risiken mit sich
Die AGCS-Experten warnen, dass das höhere Verkehrsaufkommen und die größeren Schiffe nach den Fortschritten der letzten zehn Jahre zu Rückschlägen in der Sicherheitsbilanz des Panamakanals führen könnten, da die erste Ausbauphase mit erhöhten Risiken einhergeht.
Captain Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting bei AGCS, erläutert die möglichen Folgen der Erweiterung für das Risikomanagement: „Größere Schiffe stellen automatisch ein höheres Risiko dar. Allein die hohe Frachtmenge kann bei einem schweren Unfall zu erheblichen Verlusten und Unterbrechungen führen. Beispielsweise kann die Ladung eines voll beladenen Containerschiffes der neuen Panamax-Maße mit 12.600 TEU, das eine Länge von etwa vier Fußballfeldern und eine Höhe bis zu 49 Metern besitzt, einen Versicherungswert von bis zu 250 Millionen US-Dollar haben.“
Bei voller Plankapazität können AGCS-Schätzungen zufolge zusätzlich 1,25 Milliarden US-Dollar versicherte Güter den erweiterten Kanal durchqueren. Für die Erhöhung der Durchlaufmenge sind in erster Linie die größeren Schiffe verantwortlich.
Auf einer viel befahrenen Wasserstraße wie dem Panamakanal können laut AGCS Unfälle mit Schiffen dieser Größenordnung enorme Herausforderung darstellen oder sogar zu Blockaden führen. Im Ernstfall kann es an ausreichend qualifizierten Experten fehlen, die in der Lage sind, die neuen Panamax-Schiffe zu bergen.
Störfälle in Häfen
Die potenziellen Auswirkungen von Transportunfällen gehen weit über Störungen des Schiffsverkehrs im Panamakanal selbst hinaus. Durch das höhere Aufkommen größerer Schiffe in der Umgebung könne ein Störfall auch den Verkehr in wichtigen Häfen in den Vereinigten Staaten und der gesamten Region behindern und zu einem Anstieg an Betriebsunterbrechungsschäden führen.
Unfälle im Fokus
In ihrer Studie stellen die AGCS-Experten aber auch fest, dass sich die Sicherheitsbilanz der Panamakanal-Region in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert hat. Bei insgesamt nur 27 Schiffsunfällen habe es in den letzten zehn Jahren lediglich zwei Totalschäden gegeben.
Diese Quote von rund einem Unfall pro 4000 Durchfahrten ist im Vergleich zu anderen großen Wasserstraßen sehr gering. Auf dem Suezkanal kommt es laut Studie bei 1100 Passagen zu einem Unfall und auf dem Nord-Ostsee-Kanal sogar zu einem Unfall pro 830 Durchfahrten.
Angeführt wird die Liste der Unfälle im Panamakanal Massengutschiffen, es folgen Frachttransporter und Containerschiffe. Zusammen machen diese mehr als 75 Prozent aller Unglücke seit dem Jahr 2002 aus. Die häufigsten Unfallursachen auf dem relativ stark kontrollierten Wasserweg sind laut der Studie seit 1993 das Streifen der Kanalwände und Kollisionen mit anderen Schiffen. Maschinenschäden oder -versagen stehen an dritter Stelle. (ks)
Die Studie des Seeversicherers AGCS kann kosenlos direkt heruntergeladen werden.