Endkunden im Visier

Zum ersten Mal tauchte er im April 2013 in Bonner Vorgärten auf: ein Metallkasten, halb so groß wie ein Zigarettenautomat. Eine Art Briefkasten nur für Pakete, gelb und mit DHL-Logo versehen. Das waren die ersten Testversionen einer Aufbewahrungsbox, in die Zusteller die Pakete liefern konnten, wenn der Endempfänger nicht zu Hause war. Ein Jahr später, im Mai 2014, stellte die Post ihren DHL Paketkasten ganz offiziell vor. Ziel: Kein Kleinkrieg im Vorgarten Am 6. Oktober 2015 haben die Post-Konkurrenten DPD, GLS und Hermes Logistik Gruppe nachgelegt: Mit ihrer gemeinsamen Tochter ParcelLock präsentierten sie nun in Düsseldorf ihre eigene Lösung, die in Einzel- und Mehrfamilienhäusern installiert werden kann. ParcelLock, der gemeinsame Standard von Hermes, DPD und GLS, basiert auf einem IT-basierten Schließ- und Öffnungssystem, das in Paketkästen oder -taschen eingebaut und von Dienstleistern gegen Gebühr genutzt werden kann. Wie hoch diese ist, werde noch geprüft. "Einen eigenen Paketkasten wird Parcel-Lock aber nicht entwickeln", betont Dirk Reiche, Geschäftsführer der Gemeinschaftsfirma, an der DPD, GLS und Hermes zu gleichen Teilen beteiligt sind. Dazu werde ParcelLock Gespräche mit Paketboxen-Anbietern führen. Als erster Hersteller wird Burg Wächter im Sommer 2016 einen Paketkasten und eine Pakettasche mit ParcelLock-System auf den Markt bringen. Weitere Hersteller sollen folgen. Im Gegensatz zu Deutsche Post DHL hält ParcelLock das System bewusst anbieterneutral. Damit sei die Lösung im deutschen Paketmarkt einzigartig, betonten die Top-Manager in Düsseldorf. Jeder Paketdienst und jeder Zusteller, aber auch jeder Lieferant wie etwa Händler und Apotheker, habe Zugang zu dem Paketkasten. Ein Durcheinander verschiedener Paketkästen, ein "Kleinkrieg im Vorgarten", werde so verhindert, betont GLS-CEO Rico Back. "So wie heute schon einen Briefkasten, wird künftig jeder einen Paketkasten haben," ist er überzeugt. Zumal über den neuen Paketkasten auch Rücksendungen abgewickelt werden sollen. Schon in fünf bis sieben Jahren, schätzen die Manager, könnten zehn Prozent aller Paketzustellungen über Paketkästen erfolgen. Mit Lösungen wie dem nun präsentierten System liebäugeln die KEP-Dienste schon länger. Schließlich verspricht dieses Konzept, das größte Problem der Branche (das des nicht angetroffenen Empfängers) zu lösen. Denn jede Zustellung kostet nicht nur Zeit, sondern vor allem Geld. Angesichts der niedrigen Paketpreise, die in diesem Segment erzielt werden, zählt da jeder Cent. Dass diese Boxen allerdings eines Tages die vielen Tausend Paketshops in Deutschland ablösen, die DPD, GLS und Hermes in den vergangenen Jahren im Zusammenspiel mit diversen Unternehmen wie etwa Einzelhändlern aufgebaut haben, ist unwahrscheinlich. "Paketboxen sind eine gute komplementäre Lösung", sagt Boris Winkelmann, CEO des Paket- und Expressdienstleisters DPD. Die Frage ist: Wie gut sind die Zustellpartner der Paketdienste auf die neue Lösung vorbereitet? Sprich: Mit welcher Technologie können die Zusteller die Boxen öffnen? Und mit welcher Technologie werden aktuell die Scangeräte der Zusteller unterstützt? Fakt ist, das neue ParcelLock-System arbeitet mit Bluetooth (BT) 4.0, wie Reiche gegenüber der VerkehrsRundschau ausführt (siehe Interview). Noch aber haben einem Branchenkenner zufolge viele Zusteller der Paketdienste keine Geräte, die BT 4.0 können. Und wie stehen die Deutsche Post und UPS zu ParcelLock? Sprich: Werden künftig auch DHL-Zusteller in den Paketkasten der Konkurrenz einliefern oder werden sich Endverbraucher in Zukunft letztlich doch drei Paketkästen von drei unterschiedlichen Anbietern in den Vorgarten aufstellen müssen? Fakt ist: DHL und UPS sind laut ParcelLock jederzeit eingeladen, mitzumachen. Die Antwort der Deutschen Post folgte postwendend: Am selben Tag - nahezu zeitgleich zur Präsentation von DPD, GLS und Hermes - promotete der Bonner Konzern seinen eigenen Paketkasten für Mehrfamilien und kündigte zum Jahresanfang 2016 einen Pilotversuch in Berlin an. "Eine direkte Zusammenarbeit mit dem Wettbewerb ist für uns nicht in Sicht", betont Thomas Ogilvie, Geschäftsführer von DHL Paket Deutschland. UPS dagegen begrüßt einem Unternehmenssprecher zufolge das offene System von Parcel-Lock. Ob das Unternehmen daran teilnehme, werde aber geprüft. Zumal sich UPS mit seinen zwei Services "UPS My Choice" und "UPS Access Point" sowieso stärker auf den grenzüberschreitenden B2C-Versand fokussiere. Offen ist also, wie es beim Kampf um die Kästen weitergeht. Nur so viel ist sicher: Hausbesitzer werden sich kaum mehrere Paketkästen unterschiedlicher KEP-Dienste vor die Tür stellen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier KEP www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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