Einschätzung der Wahlprogramme

Einschätzung der Wahlprogramme Kritische Beobachter Die Verbände in der Logistik- und Automobilwirtschaft sind enge Begleiter der politischen Parteien. Wir haben die Präsidenten der großen Verbände zu einer Einschätzung der Wahlprogramme der vier großen Parteien und zu ihren Forderungen an eine künftige Regierung befragt. Quick: Keine neuen Belastungen für den Strassengüterverkehr Eine rationale und effiziente Verkehrspolitik für den Wirtschafts- und Logistikstandort Deutschland ist eine der essenziellen Voraussetzungen für unseren allgemeinen Wohlstand. Daher sollte Verkehrspolitik so weit wie möglich auch ideologiefrei und zukunftsgerichtet sein. Insoweit müssen sich Wahlprogramme der Parteien aus Sicht des BWVL auch an diesen Grundsätzen orientieren beziehungsweise messen lassen. Diesem Ziel nicht förderlich sind daher alle Programmbestandteile, die Mobilität von Menschen und Gütern allgemein und speziell die Effizienz des Güterverkehrs negativ beeinflussen wollen. Dazu zählt vor allem ein Wiederaufreißen der alten Gräben zwischen den einzelnen Verkehrsträgern sowie eine politische Einflussnahme auf den Modal-Split zugunsten vermeintlich nachhaltiger Verkehrsträger. In einer wachsenden Wirtschaft und angesichts des prognostizierten Verkehrswachstums haben alle Verkehrsträger ihre Berechtigung und Ziel muss die effiziente Vernetzung derselben sein. Ebenso lehnt der BWVL Programme ab, in denen allein der Straßengüterverkehr mit neuen und höheren Abgaben belastet werden soll, während andere Verkehrsteilnehmer ungeschoren bleiben. Der LKW trägt über KFZ-Steuer, Mineralölsteuer und Maut bereits heute mehr als von ihm direkt verursacht und in hohem Maße zu den staatlichen Einnahmen bei. Im Mittelpunkt der verkehrspolitischen Zielsetzung sollte der Ausbau und Erhalt einer leis-tungs- und wettbewerbsfähigen deutschen Verkehrsinfrastruktur sein. Dabei sollten alle Verkehrsträger die von ihnen verursachten Wegekosten im Rahmen einer fairen, offenen und transparenten Rechnungslegung tragen. Die jeweiligen Steuern, Abgaben und Gebühren müssen analog in die jeweiligen Verkehrsträger zurückfließen und die Ausgaben sich streng an volkswirtschaftlichen Nutzen- und Kostenkriterien orientieren. Für eine nachhaltige Verkehrspolitik sollten sich die parteipolitischen Programme auch gesetzlichen Änderungen bei den Rahmenbedingungen in den Bereichen nicht verschließen, die zum Beispiel über veränderte Maße und Gewichte eine effizientere und noch umweltschonendere Logistik bewirken können, zum Beispiel beim Lang-LKW oder im Bereich der Aerodynamik. Im Übrigen ist der Aktionsplan Güterverkehr und Logistik der jetzigen Bundesregierung auch ein guter Leitfaden für die künftige politische Arbeit und eine wettbewerbsfähige deutsche Logistikbranche. Wandt: Wer zahlt den Infrastrukturausbau? Die verkehrspolitischen Absichten, soweit sie sich in Wahlprogrammen dokumentieren, bleiben in ihren praktischen Konsequenzen weitgehend unverbindlich. Alle Parteien streben die Verlagerung auf „umweltfreundlichere Verkehrsträger“ an und wünschen den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Entscheidend bei der politischen Umsetzung in Koalitionsverhandlungen wird sein, mit welchen Mitteln dies zu erreichen ist. Ob diese sinnig oder unsinnig sind, wird dann zu bewerten sein. Alle Wahlprogramme enthalten auch ein Bekenntnis zum Ausbau und Erhalt der Infrastruktur, was aus Sicht des Straßengüterverkehrsgewerbes sicherlich Sinn macht. Die Frage ist: Wer soll das bezahlen? Einige Parteien sehen dafür nur den LKW und nicht den PKW vor. Ob dies Sinn macht, wird sicherlich nach der Wahl entschieden. Den PKW (noch) nicht ins Visier zu nehmen, das scheint aus opportunistischen Gründen bei den meisten Parteien Sinn zu machen. In den parteipolitischen Absichtserklärungen findet sich das Bekenntnis zum Erhalt und teilweise auch zum Ausbau der Infrastruktur. Keinen Sinn dabei machen Wunschszenarien, die mit Verlagerungsfantasien den Ausbau der Straßeninfrastruktur infrage stellen. Zu einer besseren Arbeitsteilung der Verkehrsträger, aber ideologiefrei und ohne Überbetonung von nicht zutreffenden Umweltschutzargumenten, dazu fehlen Angaben. Alle Wahlprogramme sprechen sich für eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland aus. Über die Sinnhaftigkeit verschiedener Vorschläge, zum Beispiel die Steuern zu erhöhen oder über mehr Staatseinfluss auf die Wirtschaft Wachstum auszulösen, lässt sich trefflich streiten. Wasser läuft bekanntlich nicht den Berg hinauf, auch wenn es anders in Wahlprogrammen stehen sollte. Wissmann: Mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur Wir brauchen in Deutschland mehr Investitionen in unsere Verkehrsinfrastruktur – das ist unbestritten. Deswegen unterstützen wir entsprechende Ankündigungen der Parteien, die Infrastrukturinvestitionen deutlich zu erhöhen. Verkehr und Logistik sind Standortfaktoren, die Kostenschraube darf nicht überdreht werden. Pläne zur Ausweitung der LKW-Maut sehen wir kritisch – sei es durch Ausdehnung auf leichtere LKW, Einbeziehung von Bundes- oder Landesstraßen oder sogenannte externe Kosten. Auch eine PKW-Maut wäre wenig kreativ. Ein solche Gebühr lässt sich obendrein nicht auf ausländische Pkw beschränken, sondern trifft alle. Stärkung des Standortes, Bezahlbarkeit von Mobilität und Transport, Verzicht auf staatliche Verkehrslenkung, intramodaler Wettbewerb, weitere Fortschritte bei der Nachhaltigkeit des Verkehrs: Das sind die Kriterien, an denen sich die Politik orientieren sollte. Die Programme der Parteien werden diesen Anforderungen in unterschiedlicher Weise gerecht. Es sind aber durchaus sinnvolle verkehrspolitische Konzepte in den Programmen mehrerer Parteien zu finden, die einen Beitrag zur Stärkung des Standorts Deutschland und zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit leisten können. Krage: Keine Dogmatische Verlagerungsdiskussion Alle vier Parteien berücksichtigen die meisten der für den DSLV maßgeblichen Schwerpunkte der Verkehrspolitik. Aus dem jeweiligen ideologischen Blickwinkel haben diese auch ihre Berechtigung. Es sind jedoch Gewichtung und Akzente, die den Unterschied machen. Wir brauchen eine Bundesregierung, die sich tabulos mit den zentralen Fragen der gerechten Infrastrukturfinanzierung auseinandersetzt und den politischen Willen hat, diese volkswirtschaftlich wichtigen Lebensadern nicht nur zu erhalten, sondern auch bedarfsgerecht auszubauen. Unter welchen Voraussetzungen dies geschehen muss, hat der DSLV in seinen Positionen zur Bundestagswahl dargelegt. Außerdem müssen wir weg von einer dogmatisch geführten Verlagerungsdiskussion. Viele Straßentransporte sind nicht verlagerbar. Hier erwarten wir mehr Realitätsbezug. Dasselbe gilt für die Umweltschutzpolitik, die nicht von der Wirtschaftspolitik entkoppelt werden darf. Das Beispiel Lang-LKW zeigt, dass oft polemisch und gegen die Faktenlage argumentiert wird. Wir verlangen Objektivität und eine Politik, die erkennt, dass ökologische und ökonomische Interessen meist Hand in Hand gehen.

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