Einsatzszenarien genau analysieren

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Das gilt auch für Investitionen in den Elektrostapler-Fuhrpark. Die Hersteller bieten nicht nur ein umfangreiches Repertoire an zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen an, sondern auch vielfältige After-Sales-Service, die genau verglichen und abgewogen werden wollen. Gerade in dem Traglastsegment um zwei Tonnen werden oft in benachbarten Traglastklassen unterschiedliche Geräte angeboten, die sich auf den ersten Blick kaum voneinander unterscheiden. Doch dieser Blick täuscht. Die VerkehrsRundschau fragte bei den Herstellern nach - und schnell wurde deutlich: Es geht um Details wie Nutzungszeiten, Achslasten, Radstände, Lastschwerpunkte, Wendekreis und natürlich Preise. Wobei: Der Preis ist eigentlich kein wirkliches Entscheidungskriterium. Natürlich sind die Modelle in den größeren Baureihen teurer, schließlich steckt auch mehr drin. Beispiel Toyota Material Handling. Der Hersteller bietet mit der Baureihe Traigo 48 Tragfähigkeiten von 1,5 bis 2,0 Tonnen: einen Dreirad-Stapler mit 1,8 Tonnen Traglast sowie einen Zweitonner. Parallel dazu stehen in den Traglastklassen 1,8 und 2 Tonnen drei Vierrad-Stapler zur Verfügung. Die Preisunterschiede der Modelle liegen nach Herstellerangabe bei moderaten vier bis fünf Prozent. Für Laien sind die Stapler - abgesehen von der Anzahl der Räder - optisch kaum voneinander zu unterscheiden. Dennoch weisen allein diese fünf Stapler - abgesehen von ihrem 48-Volt-Akku und einigen Standards wie der elektrischen Servolenkung oder der automatischen Parkbremse - nur wenige Gemeinsamkeiten auf. Große Unterschiede beim Wenderadius Tatsächlich bringt der Blick in die Gerätetypenblätter markante Unterschiede zum Vorschein. Etwa beim Wenderadius: Die beiden 1,8-Tonner zeigen eine Differenz von 1,40 Metern zwischen dem Drei- und dem Vierradstapler. Der dreirädrige Zweitonner hingegen zieht mit 1671 Millimeter Radius beim Wendemanöver exakt gleiche Kreise wie der 1,8-Tonner. Auch bei den Vierradstaplern benötigen der 1,8- und der Zweitonner mit 1811 Millimeter Wenderadius die gleiche Fläche. "Es gibt auch relevante Unterschiede bei Radstand und L2-Maß, der Länge bis zum Gabelrücken", erklärt Manuel Adomat, Produktmanager Gabelstapler Toyota Material Handling, die Zahlen. "Das Kompaktmodell 8FBMK20T eignet sich für Einsätze in kleineren Arbeitsgangbreiten. Aufgrund des geringeren Radstands unterscheiden sich außerdem die Batteriegrößen der beiden Modelle." Trotz gleicher Nennleistung von 48 Volt bietet das Standardmodell des Vierradstaplers folglich mehr Batteriekapazität, mithin längeres Durchhaltevermögen im Einsatz, und bringt mehr Gegengewicht auf die Waage. Mehr Komfort mit längerem Radstand Beim Hersteller Linde Material Handling (LMH) stehen in der Klasse bis zwei Tonnen drei sowie für Traglasten über zwei Tonnen in dem Segment zwei und somit ebenfalls insgesamt fünf Elektrostapler zur Wahl. "Die Vielfalt an unterschiedlichen Modellen zielt darauf ab, den Kunden Fahrzeuge anzubieten, die bereits in ihrer Standardausführung möglichst genau auf die spezifischen Einsatzbedingungen passen, um höchstmögliche Produktivität zu erzielen", erläutert Heike Oder von Linde. Erste Hinweise auf die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale jenseits der Traglastklassifizierung bieten die Zusätze in den Gerätebezeichnungen der Vierrad-Gegengewichtsstapler von Linde: P = Vierrad, L = lang, H = hoch. Die Konsequenz: Fast 40 Zentimeter beträgt der Längenunterschied zwischen dem E20PH und dem E20/600, 17 Zentimeter sind es beim Radstand und zehn Zentimeter bei der Sitzhöhe. Der längere Radstand steigert bei längeren Strecken den Fahrkomfort für den Fahrer. Eine erhöhte Sitzposition bietet ihm beim Transport hoher und voluminöser Lasten einen besseren Überblick. Beim Radius fordert der E20PH 1773 Millimeter, der E20 zehn Zentimeter mehr und der E20/600 1907 Millimeter. Spannend wird es beim Vergleich der Leistungs- und Antriebsdaten: Bei der Zugkraft mit Last und der Steigfähigkeit mit Last bringen die beiden Stapler der größeren Baureihe ein Drittel mehr Power. "Bei leichten Einsätzen und räumlicher Enge sowie ebenen Fahrwegen und kurzen Fahrstrecken wird die Empfehlung eher zu einem Modell der kleineren Baureihe gehen", sagt Oder. "Robustheit, Performance und Resttragfähigkeit des Gerätes sowie lange Fahrstrecken sprechen eher für ein Modell der größeren Baureihe." Die "Resttragfähigkeit" ist einer dieser Begriffe, die sich in den Datenblättern nicht finden, die sich aber herleiten lassen. "Bei gleicher Transportlast nahe zwei Tonnen würde man den Zweitonner auslegungsgemäß beanspruchen, das 2,5t-Fahrzeug hat dann noch Reserven", veranschaulicht Jürgen Wrusch, Unternehmenssprecher beim Hersteller Still. "Dies hat einen positiven Einfluss auf die Langlebigkeit. Die Tragfähigkeitsreserven können zudem für Anbaugeräte genutzt werden." Still hat für die Traglastklasse um zwei Tonnen drei Vierrad-Stapler im Portfolio, die in unterschiedlichen Varianten mit unterschiedlichen Achslasten, Hubgerüsthöhen, Radständen oder Wenderadius verfügbar sind. Im direkten Vergleich "entspricht die Leistungsfähigkeit des Elektrostaplers RX20-20P/h mit 48-Volt Antrieb in der Praxis der des RX 60-20. Sie sind abgesehen vom 80-Volt-Akku nahezu baugleich", erklärt Wrusch. Mit einer größeren Batterie ist der RX 60-25 in der Lang-Version ausgestattet. "Dies bedeutet eine zirka zehn Prozent längere Nutzungszeit pro Batterieladung", so der Unternehmenssprecher. In der verstärkten Version biete der RX 60-25 mit einem Standard-Lastschwerpunkt von 600 statt 500 Millimetern durch höhere Tragfähigkeit ein erweitertes Einsatzspektrum. Im Vergleich mit den Geräten der kleineren Tragklasse hebe der RX 60-25 eine Zwei-Tonnen-Last einen Meter höher. "25 Prozent mehr Tragfähigkeit bei 15 Prozent Preisdifferenz", so Wrusch. Neben der Traglast bieten Konstruktionsmerkmale des größeren Staplers weitere Vorteile. So bietet Still den RX 60-25 in einer Version mit einem um 35 Zentimeter erhöhten Fahrersitz. "Das sorgt für bessere Rundumsicht", erklärt Wrusch. Demgegenüber punktet die kleinere Traglastklasse mit seinem Wenderadius von 1883 Millimetern gegenüber den 2032 Millimetern beim RX 60-25 und seiner geringeren Achslast. Damit ist er auch für Einsätze im Container oder auf dem Lkw geeignet. Zwei Schichten mit einer Batterie Auch Jungheinrich bietet verschiedene Modelle in den genannten Gewichtsklassen an. Wer beispielsweise nur begrenzte Flächen zur Verfügung hat, erhält mit dem EFG 218k ein kompaktes Fahrzeug. Das Unternehmen hat weitere Modelle im Angebot, die wegen einer größeren Batterie nicht ganz so kompakt daherkommen, dafür aber länger fahren können. "Mit der 2Shifts1Charge-Garantie garantieren wir unseren Kunden, zwei Schichten mit nur einer Batterieladung arbeiten zu können", sagt Stefan Biermeier, Product Manager EFG bei Jungheinrich. Bei einem Zwei-Schicht-Einsatz entfallen somit Wechselbatterien, Ladestationen sowie der mit dem Batteriewechsel verbundene Personalaufwand. Biermeier stellt zudem immer wieder fest, dass Käufer die zu transportierende Last und den Lastschwerpunkt häufig unterschätzen und es daher zu Problemen kommt. Fazit: Bei einer Investition in neue Stapler kommt es auf die Details der Flurförderzeuge und eine genaue Analyse der Einsatzprozesse an. Betreiber sollten sich nicht verleiten lassen, aufgrund des Preisunterschiedes die kleinere Baureihe zu wählen. "Wenn das Gerät unterdimensioniert ist, kann es die Handling-Aufgaben nicht korrekt erledigen; ist es überdimensioniert, wird zu viel Geld ausgegeben", beschreibt Linde-Sprecherin Oder den schmalen Entscheidungsgrat. Einsatzzweck Wichtig Kriterien für die Auswahl des richtigen Staplers - Antrieb/Leistung: Ein Akku mit Nennleistung von 80 Volt (V) und 700 Ah (Amperestunden; überwiegend höhere Tragklasse) ist schwerer als ein 48 V-Aggregat mit 550 Ah. Der Batteriewechsel ist aufwendiger. Dafür sind die Werte für Leistung und Betriebsdauer besser.- Dreirad-/Vierradstapler: Dreirad-Stapler gelten als wendiger. Viele der neuen Vierradmodelle in der kleineren Tragklasse stehen beim Wenderadius jedoch kaum nach.- Radstand: Je weiter die Achsen auseinander liegen, desto höher der Fahrkomfort bei längeren Transportwegen.- Fahrersitzhöhe: Je höher, desto besser die Übersicht bei voluminösen Lasten.- Resttragfähigkeit: Anbaugeräte verringern die Traglastkapazität. Wer sie benötigt, sollte die Traglastklasse nicht zu eng kalkulieren.- Tragfähigkeit: Konstante Staplernutzung am Maximum der Tragfähigkeit reduziert die Lebensdauer. Die höhere Staplerklasse bietet Reserven.- Hubhöhe: Schwere Lasten hoch hinaus - da punkten die höheren Traglastklassen und Geräte mit erhöhtem Lastschwerpunkt.- Wenderadius/Gerätebreite: Die kleinere Traglastklasse ist meist auch kompakter und in engeren Arbeitsbereichen einsetzbar.- Achslast: Für das Befahren von Containern und Lkw-Ladeflächen ausschlaggebend. Überwiegend Vorteil für die kleine Traglastklasse. rb

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