Paris. In der Bretagne haben kürzlich mehrere Hundert Demonstranten eine der inzwischen 172 Kontrollbrücken (Foto: Ouest-France) zu Fall gebracht und zerstört, die offiziell ab 1. Oktober das Funktionieren der geplanten LKW-Ökosteuer garantieren und überwachen sollen. Sie sei „ein Symbol für das Pariser Establishment und seine penetranten Kontrolleingriffe in unsere Betriebe und Unternehmen“, sagte ein Sprecher der Regionalzeitung Le Télégramme. Der Systembetreiber Ecomouv‘ schätzt den Schaden auf 300.000 bis 500.000 Euro, kündigte Schutzmassnahmen für die Installationen an und erklärte, diese würden wie alle an den Strassen befindlichen behördlichen Einrichtungen immer gefährdet bleiben. „Wir werden sie aber nicht alle in Bunker stecken.“
War der Portikus in der Bretagne noch in erster Linie ein Opfer des traditionellen Missbehagens der Agrarregion gegenüber der allmächtigen Zentralgewalt an der Seine, wächst landesweit von Woche zu Woche die Zahl derer, die einen Start der Ökosteuer Anfang Oktober für zweifelhaft bis unmöglich halten. Die Pariser Zeitung Les Echos nennt die Situation schlicht „chaotisch“. Tatsächlich ist Paris mit dem seit 2009 geplanten Projekt nur im Schritttempo vorangekommen. Einen ersten Entwurf zur Regelung der Erstattung der zunächst von den Transporteuren erhobenen Steuer durch deren Kunden musste die Regierung nach massivem Einspruch des Transportgewerbes wieder kassieren. Ein zweiter befriedigt dieses immer noch nicht. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen befürchten, die Verlader könnten die Zahlung einfach verweigern oder eher zwielichtige Angebote akzeptieren. Allgemein wird heute mit einer neuerlichen Verschiebung des Einführungstermins gerechnet, und dies nicht nur etwa vom Verband der Strassengütertransporteure FNTR, sondern selbst vom französischen Unternehmerverband Medef. Der neue Vorsitzende Pierre Gattaz plädierte kürzlich in einem Brief an den Ministerpräsidenten des Landes für einen realistischeren Zeitrahmen.
Auf 800.000 beläuft sich nach offiziellen Angaben die Zahl der französischen und ausländischen Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen, die bis 1. Oktober, also in wenigen Wochen, bei Ecomouv‘ oder dessen Partnerunternehmen angemeldet werden müssen. Erst danach werden die elektronischen Kontrollgeräte ausgehändigt, die in die LKW eingebaut werden müssen. Es scheint jedoch, dass Ecomouv‘ lediglich 10.000 Anmeldevorgänge pro Tag bearbeiten kann. Danach könnten rund 400.000 Anmeldungen bis zum Stichtag auf der Strecke bleiben. Zwar kündigte der Systembetreiber inzwischen an, während der Einführungsphase die Zahl der Bearbeiter von derzeit 150 auf mehr als das Doppelte zu erhöhen, aber wenn das Gros der Immatrikulationen erst in den letzten Septembertagen erfolgen sollte, könne Ecomouv‘ damit nicht fertig werden.
Transportminister Frédéric Cuvillier sieht für die Abwickelung zwar „keine Manövriermarge“, will aber von einer neuerlichen Verschiebung der Steuereinführung nichts wissen. Ende August soll ein erster Bericht darüber vorgelegt werden, ob und wie das System inzwischen funktioniert. Eine für die Teilnehmer kostenlose Testphase läuft aber erst seit wenigen Tagen. (jb)