Interview: "Eine Frage des Blickwinkels"

Aus Ihrer Sicht: Wie groß ist das Problem des Sozialdumpings in Deutschland beziehungsweise in Europa? Sozialdumping und Billiglöhne sind eine Frage des Blickwinkels. Wir haben nun einmal einen Binnenmarkt in der EU, auf diesem Markt gibt es ein Lohngefälle, das Unternehmen aller Branchen auch nutzen. Das hat erst mal nichts mit Dumping und so weiter zu tun. Kritisch wird es, wenn dies Unternehmen außerhalb des gesetzten Rechtsrahmens tun. Dies gilt im Straßengüterverkehrsbereich insbesondere für illegale Kabotage, die meines Erachtens auch Auslöser für die "Dumpingdiskussion" ist. Sollte die EU deshalb die Kabotage-Regeln ändern? Wir brauchen hier nicht unbedingt zusätzliche EU-Regelungen, sondern zielführende Kontrollen unter Nutzung der vorhandenen und zu erschließenden Kommunikations-, Dokumentations- und Bewegungsdaten wie zum Beispiel den elektronischen CMR-Frachtbrief, Mautdaten oder Daten aus dem EU-Kontrollgerät. Hier ist das Vorgehen der Kommission zu zögerlich. Folge sind nationale Alleingänge und überbordende Bürokratie wie beim Mindestlohn, die der Transportwirtschaft insgesamt mehr schaden als nutzen. Aber die Lohnunterschiede zwischen einheimischen und ausländischen Lkw-Fahrern auf deutschen Straßen bleiben doch ein Problem für den fairen Wettbewerb. Ein Flickenteppich nationaler Alleingänge kann nicht die effiziente Lösung im Binnenmarkt sein. Es reicht doch, wenn wir es schon nicht schaffen, einheitliche Mauttechnik und Mautgeräte im Binnenmarkt zu verwenden. Ein Transportunternehmer, der zum Beispiel Orangen von Spanien nach Polen fährt, kann doch unterwegs nicht auch noch vier oder fünf verschiedene Mindestlöhne beachten und zahlen! Was schlagen Sie also vor? Der Missbrauch der Kabotage muss effektiv bekämpft werden, nicht das Lohngefälle selbst, dies ist Element unserer Marktwirtschaft und des Binnenmarktes. Ein aus deutscher Sicht Dumpinglohn eines osteuropäischen EU-Fahrers kann für diesen aus seiner nationalen Sicht ein privilegierter überdurchschnittlicher Lohn sein, der ihm in seinem Heimatland ein gutes Auskommen beschert. Kann man da wirklich von Dumping sprechen?