Berlin. Bei der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Entwicklung des internationalen Straßentransports AIST erinnerte Präsident Jürgen Gypser anlässlich des 60-jährigen Jubiläums an die Höhepunkte in der Vereinsgeschichte. Die Mitarbeit in einer internationalen Organisation auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs mit Kraftfahrzeugen sei in der damaligen DDR erkannt worden, weshalb man 1956 die AIST mit sieben volkseigenen Verkehrsbetrieben gründete, um die Mitgliedschaft bei der IRU zu beantragen, erzählte Gypser.
Bis zur Kombinatsbildung 1970 seien 80 Betriebe des Güterverkehrs Mitglied der AIST gewesen, danach 17 Kombinate. 365.00 grenzüberschreitende Transporte habe es zum Beispiel im Jahr 1989 gegeben, für die die AIST die Voraussetzungen geschaffen habe.
Inzwischen mehr als 60 Prozent der Mitglieder aus dem Wesen
Nach der Wende war die AIST laut Gypser zunächst nur noch assoziiertes Mitglied der IRU. Dem besonderen Engagement des damaligen Hauptgeschäftsführers und Präsidenten der IRU Zollkommission Klaus Schröder sei es zu verdanken, dass die AIST 1996 wieder Vollmitglied der IRU geworden sei. 330 Transportunternehmen wurden nach der Wende Mitglied der AIST, heute kämen mehr als 60 Prozent der Mitglieder aus den alten Bundesländern.
Die Welt sei immer komplizierter geworden, entsprechend auch die Arbeit der AIST, erinnert der Präsident, er nannte das Schengener Abkommen, die Situation in der Ukraine, das Verhältnis zu Russland (Rückgang des Transportaufkommens um 60 Prozent) und den Putschversuch in der Türkei. Weitere Herausforderungen entstünden durch die erhöhte Terrorgefahr in Europa, die Flucht der Menschen aus dem arabischen Raum und Afrika, die Gräueltaten des Islamischen Staates. Er zeigte sich aber zuverlässig, dass auch künftige Herausforderungen gemeinsam gemeistert werden können.
Starker Rückgang im Russlandverkehr
IRU-Präsident Christian Labrot nahm eine mit vereinten Kräften behobene technische Panne im Veranstaltungsraum zum Anlass, gleichfalls zu betonen, dass man „im Zusammenspiel alles lösen“ könne und lobte: „Die AIST arbeitet schon ihr ganzes Leben mit der IRU zusammen. Labrot erinnerte an einige „Dellen“ und Wendepunkte in der Entwicklung, wie etwa die Ölkrise mit generellen Fahrverboten in den 1970ern, die Perestroika und die Öffnung Russlands, woraufhin es zu enormen Zuwächsen von TIR Carnets gekommen sei. Mehr als 3,5 Millionen habe man 2006 ausgegeben. 2015 waren es gerade mal 1,5 Millionen.
IRU und AIST würden heute neue Themen besetzen, betonte der IRU-Präsident, wie etwa Nachhaltigkeit, fahrerloses Fahren, Platooning und Digitalisierung. Er hob die internationale Bedeutung der IRU mit ihren 130 Mitgliedsverbänden in mehr als 100 Ländern hervor, berichtete, dass jüngst China und Pakistan der TIR-Konvention beigetreten seien, Indien und Saudi-Arabien kurz davor stünden. Als Herausforderungen nannte Christian Labrot die Migrationsströme, den Brexit, die Handelssanktionen gegen Russland, Umweltprobleme, Fahrermangel , „Uber-itis“ und Planenschlitzer.
Ladungsdiebstähle nehmen zu
Planenschlitzer und die „ungebetene Mitnahme illegaler Flüchtlinge“ waren auch Themen, mit denen sich Axel Salzmann, Leiter des KRAVAG-Kompetenzzentrums für das Straßengewerbe und Logistik, beschäftigte. Über mehrere Jahre hinweg habe man eine deutliche Zunahme von Ladungsklau über Frachtenbörsen erlebt, berichtete Salzmann. Inzwischen habe man in diesem Bereich aber einiges unternommen, so dass die Zahlen dort stagnieren würden. Hingegen nehme der einfache Ladungsdiebstahl durch Planenschlitzer derzeit deutlich zu. Besonders begehrt seien Metall, Eisenwaren, Baustoffe, Bekleidung und Lebensmittel. Regionale Schwerpunkte in Deutschland seien NRW, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Im EU-Ausland seien deutsche Fahrer vor allem in Frankreich, Großbritannien und Belgien betroffen.
Salzmann betonte aber, dass bei Unternehmern und Fahrern ebenso wie bei den Behörden das Problembewusstsein inzwischen gewachsen sei und unter anderem verstärkt Streifenwagen an den Hotspots einsetze. Laut Salzmann werden derzeit rund 25 Prozent der Diebstähle nicht zur Anzeige gebracht. Der Rechtsanwalt appellierte an die Unternehmer, alle Fälle zu melden, auch wenn der Schaden nicht hoch und die Aussichten auf Entschädigung gering seien: „Solange ein Problem nicht erfasst wird, unternimmt man auch nichts dagegen.“
Vor rechtlich erheblichen Risiken und Strafen bis zu 2500 Euro pro Migrant warnte der KRAVAG-Anwalt im Zusammenhang mit der Mitnahme von Flüchtlingen. Österreich, Italien, Ungarn, Griechenland, Calais … Die Gefahr sei derzeit in vielen europäischen Ländern groß, dass sich heimlich Fahrgäste in den Lkw schmuggeln. Tankstopps in den letzten 100 Kilometern vor der Grenze sollten vermieden, das Fahrzeug immer abgeschlossen und Freiräume am Lkw kontrolliert werden. Auch hier gilt für Salzmann: Bei Auffälligkeiten immer die Polizei informieren.
Skepsis gegenüber Erfolgsaussichten bei Klage gegen Lkw-Kartell
Salzmann berichtete, dass es derzeit sehr viele Anfragen gebe, ob die Kosten für eine eventuelle Klage gegen Lkw-Hersteller in Zusammenhang mit der jüngst verhängten Kartellstrafe von der Rechtsschutzversicherung gedeckt sei, und stellte klar, dass kartellrechtliche Streitigkeiten nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Eine klare Empfehlung an die Unternehmer wollte der Rechtsanwalt nicht abgeben, sprach aber von erheblichen Kosten und Risiken. Ähnlich äußerte sich IRU-Präsident Labrot: Es sei niemand zu finden, der einen Prozess gegen die Hersteller auf Erfolgsbasis finanzieren würde. Er gehe deshalb davon aus, dass die Erfolgsaussichten nicht sehr hoch seien. (mo)