"Eine echte Innovation"

Wer heute ein Stückgutnetz betreibt, hat aus Sicht von Jörg Frommeyer die Wahl zwischen Pest und Cholera. "Entweder Sie fahren eigene Hauptläufe mit erheblichem Auslastungsrisiko. Oder Sie nutzen Beiladungen, was enormen Verwaltungsaufwand und Komplexität mit sich bringt." Beide Risiken will Frommeyer, der vor Jahren bei Kühne + Nagel das Landverkehrsnetz verantwortet hat und unter anderem Top-Manager bei Fiege und zuletzt Deutschland-Interimschef von Panalpina war, durch eine neue Geschäftsidee vermeiden. "Seit ich in der Logistikbranche tätig bin, jage ich, wie alle Spediteure, der kritischen Masse hinterher", erzählt er. "Denn nur wenn man im Stückgutgeschäft ausreichend kritische Masse hat, arbeitet ein Unternehmer profitabel." Ein Lösungsansatz heißt nicht umsonst seit jeher "Beiladung". "Mit jeder Beiladevereinbarung aber, die ein Spediteur schließt", so der Branchenkenner, "steigt auch der administrative Aufwand, und der treibt letztlich die Kosten nach oben." Der Beiladeprozess wird industrialisiert Genau an diesem Hebel will Frommeyer nun mit seiner neuen IT-Plattform "E-Groupage" ansetzen, die er mit interessanten Mitstreitern entwickelt hat (siehe Kasten Seite 23). Sein Ziel: "Mit E-Groupage wollen wir den Beiladeprozess industrialisieren", kündigt er im Gespräch mit der VerkehrsRundschau an. IT-technisch unterstützt wird er dabei von André Probst, Inhaber der IT-Beratung AlphaQuest, die sich auf die Themen ERP und Business Intelligence für Unternehmen wie Daimler, Pfizer und Boehringer Ingelheim spezialisiert hat. Mit Probst gründete Frommeyer 2013 die Colo21 AG in Ulm, die sie nun als Vorstand gemeinsam führen. Im Aufsichtsrat sitzen die beiden Logistikprofessoren Ulrich Müller-Steinfahrt vom Institut für angewandte Logistik (IAL) in Würzburg und Paul Wittenbrink von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Lörrach. Den IT-Part im Aufsichtsrat vertritt Professor Reinhold von Schwerin, Experte für Business Intelligence an der HS Ulm - Fakultät für Informatik. "Das Konzept von E-Groupage ist einfach", verspricht Frommeyer. Jeder Versandspediteur (Sendingpartner/SP) soll damit in die Lage versetzt werden, sich am Bildschirm - nach dem Prinzip "Click & Build" - ohne Fixkosten sein eigenes, individuelles Netzwerk zusammenzubauen. Er kann sich dafür in allen 28 EU-Mitgliedstaaten dank der neuen Plattform die passenden Transitpartner (TP) auswählen, die für ihn die Hauptläufe abwickeln sowie die Distributionspartner (DP), die letztlich die Sendungen den Empfängern zustellen. Dieser Stückgut-Netzaufbau funktioniert laut Frommeyer "so einfach wie Malen nach Zahlen". Besonders stolz ist das Colo21-Team auf das selbst entwickelte Bewertungssystem, den sogenannten "Opex-Score", der für "Operational Excellence Score" steht. "Wir haben damit ein Rating-System geschaffen", erklärt Frommeyer, "das rein objektive Daten nutzt, um die Leistung der einzelnen Distributions- und Transitpartner zu bewerten." Lädt dieser nach Auslieferung der Sendung sofort den Ablieferbeleg (POD) im Colo21-System hoch, bewertet das System diese Leistung mit fünf Sternen. Je länger er sich damit Zeit lässt, desto weniger Sterne erhält er am Ende, nennt Frommeyer ein Beispiel. Fünf Kategorien umfasst das Bewertungssystem, der Opex-Score, insgesamt: die "Sendungs-Laufzeit" (Lead Time), den "Entladebericht" (sprich die Sendungsübergabe vom Transit- an den Distributionspartner), die Zustellinformation ("Information on Delivery/IOD), den Proof of Delivery/POD (Abliefernachweis) und schließlich die Kategorie "Irregularities" (Besonderheiten). Jede Bewertung, betont Frommeyer, erfolge vollkommen automatisiert und sei damit völlig neutral. Grundlage für die Ermittlung sei zweierlei: zum einen das Leistungsversprechen, das jeder Distributions- und Transitpartner in dem System selbst hinterlegt, sobald er sich bei E-Groupage registriert hat, etwa seine Aussage, er könne jede Sendung binnen 24 Stunden zustellen. Zum anderen wird jede seiner Aktionen in dem System dokumentiert. Bei jedem Scan der Sendung weiß es, welcher Schritt wann und wo erfolgt ist. "Wir arbeiten neutral. E-Groupage ist nur Makler und stellt die gesamte IT-Infrastruktur zur Verfügung", betont Frommeyer. Wer in dem Stückgutnetz mit wem arbeite, entscheide letztlich jedes Unternehmen selbst: Jeder Transit- und Distributionspartner kann die Zusammenarbeit zusagen oder ablehnen. Größter Vorteil aber ist: "Für die Nutzung der Plattform fallen für keinen Beteiligten Fixkosten an. "Bezahlt werden wir abhängig vom Sendungsaufkommen", führt Frommeyer aus. "Der Sendingpartner zahlt an uns pro Sendung einen vereinbarten Betrag und ein Distributions- oder Transportpartner drei Prozent seines Frachterlöses." Der Clou des Ganzen ist laut dem Vorstand: Colo21 geht voll ins Delcredere-Risiko. Frommeyer wörtlich: "Sobald ein Transportunternehmer eine Sendung zugestellt und den entsprechenden Abliefernachweis hochgeladen hat, erhält er automatisiert eine Gutschrift mit definiertem Zahlungsziel." Kurz: "Unsere Lösung ist eine echte Innovation im Stückgutmarkt", ist sich Frommeyer sicher. Die Produkte im Überblick Die Lösungen von Colo21 für den Stückgutmarkt Das Unternehmen Colo21 AG wurde 2013 von dem Logistikexperten Jörg Frommeyer und dem IT-Spezialisten André Probst gegründet. Beide sind Vorstand der Colo21 AG. Mit Programmierern haben sie die Lösung "E-Groupage" entwickelt, die sie im Zusammenspiel ihrer zweiten Lösung "Colotrace" Transport- und Speditionsunternehmen an die Hand geben wollen.Mit der "E-Groupage-Plattform" kann laut dem Anbieter jeder Stückgutspediteur sein eigenes Stückgutnetz in den 28 EU-Mitgliedstaaten aufbauen. Ausgenommen sind Gefahrgutsendungen und Sendungen, die verzollt werden müssen. Zusätzlich verspricht die Lösung Kunden eine "vollständige Sendungsverfolgung und ein integriertes Qualitätsmesssystem basierend auf dem Opex-Score." "Colotrace" ermöglicht nach Angaben des Anbieters Dienstleistern zudem das Ablierferbeleg-Management und ein GPS-Tracking. Dazu kombiniert Colotrace eine Smartphone-App mit einer web-basierten Tourmanagement-Plattform. Das Tool funktioniert national und international für Teil-, Komplettladungen und Stückgüter. Damit können laut Frommeyer auch kleinere Transportdienstleister ihre Kunden jederzeit online über den Status ihrer Sendung informieren: Jeder Scan löst einen Ort-Zeitstempel im System aus und unterwegs wird der Standort der Sendung alle fünf Minuten über die Smartphoneposition des Fahrers abgefragt. eh

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