Ein zweites Leben mit neuer Identität

Kann sich der Umbau eines gebrauchten Trucks für den Hersteller lohnen? Das fragte sich die Chefetage von Renault Trucks. Zielvorgabe: für den schwierigen Gebrauchtmarkt ein Komplettkonzept auf die Beine zu stellen, um eine industrielle Wiederaufbereitung der Fernverkehrs-Nutzfahrzeuge finanziell sinnvoll zu machen. 2017 wurden zwar fast 50.000 Nutzfahrzeuge im Unternehmen gefertigt, aber weniger als 7000 gebrauchte Fahrzeuge verkauft. Aus Leasing-Rückläufern neue Modelle zu machen, schien für die Verantwortlichen am sinn- und reizvollsten für den Endkunden. Ebenso wie die logistische und planerische Einbindung der Umbauten direkt im Fertigungsbereich in Bourg-en-Bresse. Fahrgestelle und Baustellenfahrzeuge sind auf dem Gebrauchtmarkt besonders gefragt, für Letztere war das Lastenheft für den "X-Road" daher schnell gefüllt: Mehr Bodenfreiheit, besserer Seitenaufprall- und Scheinwerferschutz sind offroad unerlässlich. Fehlen dürfen auch nicht der Geländemodus des Optidriver-Getriebes, eine Handgasvorrichtung sowie ein überarbeiteter Antriebsstrang. Passend dazu wird die Motorsoftware aktualisiert, dazu kommen die Montage verstärkter Trittbretter und eine robustere Sattelkupplung. Ungleich komplizierter: die Variante "aus Sattel mach Fahrgestell". Um den Längsträger zu wechseln, müssen Kabine, Triebstrang und Aufhängung ab, der Kunde hat dadurch drei Radstände zur Wahl. 230 Mal wurde der X-Road respektive der Fahrgestellumbau schon im Jahr 2017 fertiggestellt. Eine vierstellige Anzahl ist dieses Jahr das Ziel - machbar durch weitere, ähnlich transformierte Modellvarianten. Als Flaggschiff des Used Truck-Portfolios wird neben der Baustellenvariante seit August 2018 der "T2 Reloaded" angeboten. Die Sattel-Sonderedition ist blau, rot oder weiß lackiert. Xenon-Scheinwerfer sowie farblich abgestimmte Felgen unterstützen die markante Optik. Das Interieur des Sleeper-Cab-Fahrerhauses setzt mit Carbon-Optik Akzente. Klimaautomatik, Kühlschrank und funktionelle Aufbewahrungsmöglichkeiten sollen die Kabine im Alltag aufwerten. Der Name "T-P-Road" gilt seit diesem Monat für die weiße Fahrgestellvariante, die wie die anderen Umbauversionen unter der Prämisse "Selection" nach einem 220-Punkte Plan genau gecheckt werden und damit als experten-zertifiziert gelten. Um die Attraktivität aller "Neulinge" zu unterstützen, wurden flankierende Maßnahmen entwickelt. Kunden können parallel eine erweiterte Antriebsstranggarantie dazubuchen. Motor, Getriebe und Achsen sind je nach Vertragslaufzeit bis zu 240.000 km/Jahr abgedeckt, ebenso eventuelles Abschleppen von Zugmaschine samt Trailer. Downgrading für Schwellenländer Ob die Strategie des Herstellers aufgeht, wird sich im nächsten Jahr zeigen - die "Used Truck Factory" schien beim Werksbesuch der VerkehrsRundschau aber gut integriert und ausgelastet. Begonnen wurden dort im Herbst zusätzlich "Motorendowngrades" von Euro 6 auf Euro 3, was man bereits von anderen Lkw-Herstellern kennt. Als Zielmärkte gibt Renault Länder wie Westafrika, Kuba und die Vereinigten Emirate an. Was ursprünglich Teil einer Studie von Ingenieuren der Planungs- und Qualitätssicherung war, wurde auch logistisch eingepasst - dank Flexibilität der Teileaufbereitung im durchorganisierten Standort Limoges sind Fahrzeuge innerhalb von wenigen Wochen bereit zur Auslieferung. Ein weiterer, neuer Strategiepunkt heißt "exchange", er soll Kunden überholte Ersatzteile mit bis zu 50 Prozent Preisnachlass schmackhaft machen. Mehr zum Thema im Dossier Gebrauchtfahrzeuge www.verkehrsrundschau.de/dossiers Teile aus Limoges Vom Flugmotor zum Optidriver-GetriebeIn Limoges wurden schon vor dem Zweiten Weltkrieg Flugmotoren gefertigt unter Regie des ehemaligen Nutzfahrzeugherstellers Saviem, der 1978 in die Renault-Gruppe aufging, später auch Dieselmotoren.Als der französische Staat die Fertigungsanlagen 1964 an Renault-Chef Pierre Dreyfus abtrat, konzentrierte der Konzern die Motoren- und Getriebefertigung aller militärischen wie privatwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge in Limoges. Dreyfus setzte auf ausländische Partner, so kooperierte Saviem ab1961 mit Henschel. Heute werden in Limoges 11- und 13-Liter DTI-Motoren sowie Getriebe generalüberholt - nach zwei Wochen ist die Optidriver-Box fürs Anflanschen in Bourg-en-Bresse bereit. gv

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