Ein sparsames Flaggschiff

Seit gut zwei Jahren ist der große Sechszylinder D38 von MAN auf dem Markt. Zwar ist er mit 560 PS dem Brot und Butter-Segment deutlich entwachsen, aber erstaunlich viele Nutzer setzen auf den 15,2-Liter. Die Maschinenwerke gehen mit dem Versprechen in den VR-Profitest, dass die Neuabstimmung des GPS-Tempomaten EfficientCruise in Kombination mit EfficientRoll", also einer Neutral-Funktion des Getriebes beim Rollen, deutlich Kraftstoff spart. Dabei soll der 18.560 nicht langsamer werden. Wegen des Wechsels auf das neue "Traxon"-Getriebe war quasi ein Neustart erforderlich. Was offensichtlich ein guter Weg war. EffcientRoll erkennt sehr genau, wann es besser ist, in Neutral zu rollen, also zu "segeln", und wann stattdessen ein Gang eingelegt bleiben soll. Auch die Kombination des schon bei niedrigen Drehzahlen sehr drehmomentstarken Motors mit der Schaltstrategie der automatisierten 12-Gang-Box erfreut. Für den Chauffeur ziemlich unspektakulär reitet die Kombination Motor-Getriebe auf der hohen Drehmomentwelle. Am Ende stehen trotzdem Fahrleistungen zu Buche, die 560 PS als gerechtfertigt erscheinen lassen. Traxon zeichnet sich gegenüber der AS-Tronic tatsächlich durch deutlich verkürzte Schaltzeiten aus. Dank "Speed-Shift" schaltet der Bayer in Steigungen sehr schnell von 12 auf 11 und nötigenfalls auf 10. Lohn der Mühen: Das 2016er-Modell des 18.560 ist bei gleicher Geschwindigkeit gut einen halben Liter sparsamer als der Vorgänger mit dem alten Getriebe. Der Testwagen trat dabei mit der neuen "langen" Achse an. Die ist mit iHA=2,53 rund sieben Prozent länger übersetzt, was die Motordrehzahl reduziert. Leistungseinbußen muss der Fahrer dennoch nicht befürchten. Ganz im Gegenteil überzeugt der 15,2 Liter große Sechszylinder durch viel Power und spontanen Antritt schon ab rund 900 Touren. Die lange Achse hat allenfalls den Nachteil, dass der TGX auf der Landstraßenetappe im Kraftstoff zehrenden elften Gang bleibt - weil wir gesetzeskonform mit 60 km/h fahren. Ansonsten schaltet die Getriebesteuerung - auch auf Basis der hinterlegten Topografiedaten - rechtzeitig an Anstiegen zurück und auch kurz vor der Kuppe hoch, sofern es nicht mit EcoRoll darüber geht. Auch Rangieren geht aufgrund der Optimierung der Kupplungssteuerung besser als früher. Den bislang fehlenden Freischaukelmodus hat MAN ebenfalls integriert. Mit dem Modelljahr 2016 integrierte der Hersteller eine Menge an Assistenzsystemen. Dank neuer Kameratechnik arbeitet die Spurbindung zuverlässiger und akkurater. Der MAN erkennt allem Anschein nach wechselnde Fahrbahnbegrenzungen und meldet sich nur noch zu Wort, wenn der Fahrer "grob fahrlässig" und ohne zu blinken die Spur wechselt. Selbst den Radarsensor für den Abstandstempomaten (und den AEBA) hat MAN nachgeschärft. Nutzt der Fahrer die Regeltechnik, hält der TGX stoisch den voreingestellten Abstand und greift kaum merklich ein. Auf Tour überzeugt der 560er durch agile Fahrmanöver und hohen Federungskomfort. MAN war einer der ersten Anwender der variablen Lenkgeometrie. Noch heute profitiert der TGX davon, glänzt mit direkter Abstimmung des Lenkgetriebes, lässt sich zielgenau und exakt in der Stadt positionieren, gefällt aber auch auf der Autobahn durch innige Verbundenheit mit der Straße. Die Dreiblatt-Parabelfederung an der Vorderachse spricht komfortabler an als die Zweiblatt-Version der leichteren Fahrzeuge mit D26-Motor. Das Audiosystem des aktuellen Modells wurde samt Navi optimiert und funktioniert prima. Abblend- und Fernlicht waren schon immer gut; das neue LED-Tagfahrlicht und die Regen-Licht-Automatik sorgen für einen Tick mehr Komfort und Sicherheit. Wenn man aus seinem TGX einen Edel-Laster machen will, bedarf es des relativ teuren Style-Pakets "Plus". Wobei die Ledersitzbezüge ebenso entbehrlich sind wie die "Metal-Eye"-Einlagen. Einzig das Multifunktionslenkrad bringt Vorteile. Wer ins EfficientLine-Paket investiert, bekommt die Reifendruckkontrolle dazu. In der Praxis spielt der 560er oft die Rolle des Flaggschiffs für den verdienten Fahrer. Dann neigen seine Betreiber gerne dazu, ihr Prestigeobjekt ein wenig zu "pimpen". MAN bietet dafür mehrere Stylingpakete: "Exterieur" mit glänzenden Trittstufen, Dachscheinwerfern, Druckluftfanfare, Sonnenblende und Türverlängerungen. Letztgenannte sehen nicht nur schick aus, sondern tragen auch ein wenig zum besseren Luftwiderstand bei. Aber ob man das Erweiterungspaket mit Front- und Seitenbügel, Edelstahlradkappen und -muttern braucht? Letztlich muss man MAN bescheinigen, dass der Münchener Powertruck in seiner (noch) aktuellen Form für 560 PS in der Endabrechnung sehr wirtschaftlich ist - aber auch nicht wirklich billig. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Kommentar Jetzt noch zugreifen Zur IAA kommt der"Neue", dann mit 580 PS und angeblich noch mal drei bis fünf Prozent sparsamer. Gehen wir mal davon aus, dass der 18.580 damit teurer wird, lohnt sich der Kauf des aktuellen Autos. Viele Optimierungen - Traxon-Getriebe, verbesserter GPS-Tempomat, besseres Eco-Roll - hatte das Testauto bereits. Und was MAN als Neuerungen präsentiert (siehe Seite 50) macht den 560er nicht gleich zum alten Auto.Kontakt: gerhard.gruenig@springer.com Gerhard Grünig VR-Chefredakteur Der TGX im TÜV-Urteil Wie bei jedem Profitest der VerkehrsRundschau begutachtete der TÜV SÜD für uns auch den MAN TGX 18.560 in Sachen Service und Wartung. Da zeigt sich der Münchener zeitgemäß. Grundsätzlich bestimmt der Wartungsrechner belastungsabhängig, wann der TGX in die Werkstatt muss - MAN gibt aber 120.000 km Ölwechselintervall für den Motor bzw. 500.000 km für ZF-Getriebe und Hinterachse an. Der Dieselpartikelfilter (DPF) wird erstmals nach 480.000 km gecheckt, bei entsprechender Verschmutzung gereinigt oder nach Bedarf getauscht. Statt der bei vielen Herstellern üblichen Turbolader mit variabler Geometrie - die meist ziemlich teuer sind, wenn sie getauscht werden müssen, setzt MAN auf Standardturbos ohne aufwendige Verstellung. Dafür sind dann zwei verbaut. Die Abfahrtskontrolle erleichtert der serienmäßige Bordcomputer, der alle wichtigen Füllstände und Verschleißgrenzen überprüft. Falls es Mindermengen gibt, gestaltet sich das Nachfüllen der Lenkhydraulik ein wenig umständlich. Ebenso erfordern der Tausch des Kraftstofffilters sowie der Luftfilterwechsel (der ob seines Volumens ziemlich viel Platz wegnimmt) ein wenig Zusatzarbeit. Das Fahrgestell des MAN ist dagegen wartungsarm. gg

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