Ein schmieriges Thema

Die Zeitung "Bild" meldete die Story zuerst. "Schmiergeld-Skandal am Flughafen" titelte die Frankfurter Lokalausgabe am 19. Februar 2014. 17 Geschäftsräume und Wohnungen hat die Staatsanwaltschaft in Hessen und Nordrhein-Westfalen durchsucht, gegen zwei Geschäftsführer der Kölner Wisskirchen Logistik GmbH, einen hochrangigen Manager von Lufthansa Cargo und zwei weitere Personen ermittelt sie nun. Der ungeheure Verdacht: Die Wisskirchen-Manager sollen ihren LH-Cargo-Kollegen mit einem fünfstelligen Euro-Betrag und Geschenken bestochen haben, um den Zuschlag für Abfertigungsdienstleistungen am Frankfurter Flughafen zu erhalten. Tatsächlich hatte die Fracht-Airline diese 2009 neu ausgeschrieben - und zur Überraschung manches Marktkenners nicht dem langjährigen Geschäftspartner Air Cargo Wings, sondern der an nachgeordneter Stelle als Subunternehmen tätigen Wisskirchen Logistik vergeben. Als Folge des verlorenen Auftrags der Kranich-Tochter musste Air Cargo Wings im Sommer 2013 Insolvenz anmelden und wurde anschließend von Wisskirchen übernommen. Korruption gibt es erfahrungsgemäß in jedem Land, also auch in Deutschland. Korruption findet in jeder Branche statt, also auch in der Logistik. Entgegen einer weitverbreiteten Einschätzung fällt diese Branche nicht nur mit Geldzahlungen und anderen Vergünstigungen an ausländische Zoll- und Polizeibehörden auf. Allerdings gehen die Urteile auseinander, wie virulent das Thema "Korruption" tatsächlich ist. Bemerkenswert hohe Werte So vermutet die Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers (PWC), dass bis zu 65 Prozent der Transport- und Logistikdienstleister von Wirtschaftskriminalität betroffen sind. Für eine Branchenstudie fragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 2012 nicht nur nach nachgewiesenen Fällen, sondern auch nach bloßen Verdachtsmomenten. 49 Prozent der befragten Unternehmen berichteten von mindestens einem Verdachtsfall in den vorangegangenen zwei Jahren. Wenigstens 13 Prozent haben tatsächlich mit wettbewerbswidrigen Absprachen, Vermögensdelikten. Diebstahl vertraulicher Unterlagen, Bestechung und anderen Vorkommnissen zu kämpfen. "Das Thema ist in der Branche angekommen", sagt PWC-Partnerin Christina Stecker. "Viele kleine und mittlere Unternehmen reagieren auf das Thema 'Korruption' sensibler als noch vor zwei Jahren. Die Frage ist lediglich, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen." Offenbar haben verschärfte Kundenanforderungen an Compliance-Regelungen und kritische Medienberichte über die Korruptionsfälle von Siemens, MAN und anderen bekannten Industrieunternehmen auch die Transport- und Logistikbranche aufgeschreckt. Auch die Logistikbranche selbst sorgt immer wieder für Schlagzeilen, etwa mit Bestechungsversuchen gegenüber ausländischen Zoll- und anderen Behörden. Im Dezember 2013 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Köln zwei Geschäftsstellen des Logistikunternehmens DB Schenker im Rheinland. Die Beamten folgten einem anonymen Hinweis auf Unregelmäßigkeiten einer Schenker-Tochter in Russland. Im Zusammenspiel mit zwei deutschen Mitarbeitern, darunter einem Niederlassungsleiter, soll diese Gelder veruntreut und Bestechungsleistungen vorgenommen haben, so ein Staatsanwalt. Ost- und Südosteuropa fallen auf Vor diesem Hintergrund vermutet der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), dass Transportund Logistikdienstleister für Korruption nicht "evident" anfälliger sind als andere Wirtschaftszweige. In zwei Punkten hält auch der BME, dem 9000 überwiegend verladende Unternehmen angehören, die Logistikdienstleister für stark gefährdet. "Viele internationale Unternehmen sind in Ländern unterwegs, die auf den einschlägigen Transparency-Indizes weit hinten stehen und deren Behörden die Hand gerne offenhalten", sagt Sebastian Schröder, Leiter Recht & Compliance beim BME. "Außerdem schalten sie in ihren Transport- und Logistikketten häufig zusätzliche Dienstleister wie Handlingunternehmen und Zollagenten ein, die sie nicht immer steuern können. Auch das erhöht das Korruptionsrisiko." Bleibt die Frage, in welchen Ländern dieses besonders hoch ist. Ein heikles Thema. Denn als Folge der hohen Dunkelziffern können selbst einschlägige Anti-Korruptionsorganisationen nur subjektive Wahrnehmungen von befragten Unternehmern und anderen Personen zitieren. Auf solchen Angaben fußt zum Beispiel der Korruptionsindex von Transparency International (TI), der im vergangenen Jahr erhoben wurde. Tatsächlich fallen hier vor allem ost- und südosteuropäische Länder mit hohen Werten auf (siehe Grafik oben). So halten 92 Prozent der Umfrageteilnehmer russische Beamte und öffentliche Angestellte von Polizei,- Zoll- und anderen Behörden für bestechlich. Für die Ukraine ermittelte Transparency International (TI) 82 Prozent, für Serbien 78 Prozent und für Griechenland 66 Prozent. Allerdings kommen auch westeuropäische Länder wie Deutschland (49 Prozent) und Frankreich (48 Prozent) nicht sonderlich gut weg. Am Ende helfen also lediglich Erfahrungswerte weiter: Je schlechtere Löhne eine Regierung Beamten und Angestellten zahlt, desto größer wird deren Bereitschaft für Geld- und andere Geschenke sein. Je stärker ein Land von der Wirtschaftskrise betroffen ist, desto anfälliger scheint es für Korruption zu sein - und zwar im öffentlichen wie im privaten Sektor. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsberatung Ernst & Young im vergangenen Jahr unter 3500 europäischen Managern, Compliance Spezialisten und Rechtsexperten gelten Slowenien (96 Prozent), die Ukraine (85 Prozent) und Griechenland (84 Prozent) als die korruptesten Länder in Europa. Am wenigsten verbreitet ist Bestechung der Umfrage zufolge hingegen in den Ländern Schweiz (zehn Prozent) sowie Schweden und Finnland (jeweils zwölf Prozent). Deutschland nimmt in dieser Umfrage übrigens einen Platz im unteren Mittelfeld ein (30 Prozent) ein - allerdings konnten naturgemäß nur die Teilnehmer antworten, deren Unternehmen Geschäftskontakte mit dem jeweiligen Land unterhalten. Die jüngsten Schlagzeilen Auch der Wettbewerbsdruck zwischen den einzelnen Unternehmen scheint bei diesen Themen eine Rolle zu spielen. So sorgt zum Beispiel die Luftfrachtbranche mit ihren knappen Margen und stagnierenden Volumina aktuell für Schlagzeilen. Der vorerst jüngste Fall wird aus Singapur gemeldet. Der Stadtstaat beschuldigt neben DHL Global Forwarding zehn weitere Unternehmen, Preisabsprachen für Japan-Sendungen getroffen zu haben. Jetzt haben die beschuldigten Unternehmen 35 Tage Zeit für eine Antwort. Spätestens Anfang Mai müssen sie zu den geäußerten Vorwürfen Singapurs Stellung beziehen. Die Serie Logistik in Gefahr Die große Serie der Verkehrs-Rundschau zu den neuen Bedrohungen der TransportketteVR 12: Neue Gefahren für die TransportketteVR 17: Compliance - Wie man mit Korruption umgehtVR 20: Terror - Wo die Logistik besonders gefährdet istVR 25: Datensicherheit - Schutz gegen CybercrimeVR 29: Frachtdiebstahl - Das richtige Risiko-ManagementVR 32: Klimawandel - Schützen vor Sturm und Regen VR 38: Einbruch - Schutz im Lager und beim UmschlagVR 42: Soziale Unruhen - Von Streiks bis RevolutionVR 47: Krisenmanagement - Im Ernstfall richtig handeln

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