Amber Coast Logistics (ACL)

Amber Coast Logistics (ACL) Potenzial Bernsteinküste Die südliche und östliche Ostsee-Region (Amber Coast) verfügt über große Wachstumschancen. Infrastrukturelle und politische Probleme hemmen aber nach wie vor den Warenaustausch. Das zeigt das soeben abgeschlossene EU-Logistikprojekt Amber Coast Logistics (ACL). Wenn Leif Pedersen, Inhaber und Geschäftsführer des auf Osteuropaverkehr spezialisierten dänischen Transportunternehmens ICT Logistics, seinen Taschenrechner zur Hand nimmt, kann es ihm schon einmal kräftig die Laune verhageln. Jeweils rund 11.000 Transporte in und aus osteuropäischen Nicht-EU-Ländern außerhalb der EU führt seine Firma jährlich aus. „Die durchschnittliche Wartezeit an den Grenzen Richtung Osten beträgt 1,5 Tage, Richtung Westen dauert es drei Tage“, sagte Pedersen auf der Abschlusskonferenz des EU-Projektes „Amber Coast Logistics“ (ACL) in Hamburg (siehe Kasten Seite 19). „Das macht für unsere Firma pro Jahr 49.500 Tage – also umgerechnet 137 Jahre“, fuhr er kopfschüttelnd fort. Selbst wenn die Kosten dieser Wartezeit nur mit 250 Euro pro Tag gerechnet werden, kostet den Unternehmer das Bummeltempo an den Grenzen 12,4 Millionen Euro im Jahr. Geld, das letztlich die Auftraggeber der Transporte und deren Kunden in Ost und West bezahlen müssen. Gunnar Platz, Partner am Planco Institut, brachte die Probleme speziell an den Grenzen nach Weißrussland und Russland auf den Punkt. „Es fehlt an den Grenzübergängen die Kapazität“, sagte er. Zum anderen müssten Im- und Exportbestimmungen vereinfacht und mit der EU harmonisiert werden. Außerdem sollte für die Zollbeamten ein Gehaltssystem geschaffen werden, dass es unattraktiv mache, „Zahlungen auf unklarer legaler Basis zu fordern oder zu akzeptieren.“ Die Wartezeiten und die Bürokratie an den Grenzen sind nur eines der Probleme, die das Verkehrs- und damit auch das Wirtschaftswachstum in der östlichen und südlichen Ostsee-Region (Amber Coast) hemmen. Infrastrukturprobleme und politische Konflikte tragen ihren Teil dazu bei, dass die Region ihr Wachstumspotenzial nicht voll entfalten kann, was auch Deutschland als Start- und Zielpunkt zahlreicher Osteuropaverkehre und insbesondere die deutschen Seehäfen trifft, die für interkontinentale Ladungen ein wichtiges Gateway für den gesamten Ostseeraum sind. Das Wachstumspotenzial ist nicht unbeträchtlich. So geht der Abschlussbericht des ACL-Projektes für die drei baltischen Staaten und Polen sowie Russland, Weißrussland und Ukraine langfristig von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum zwischen 2,7 und 4,5 Prozent aus. Eine Statistik des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) aus dem Jahr 2012 rechnete sogar mit einem Anstieg des Containerumschlags in den Häfen der Bernsteinküste von 3,4 Millionen TEU im Jahr 2011 auf mindestens 8,6 Millionen TEU im Jahr 2030. Die Verteuerung der Schiffsverkehre in der Ostsee durch die 2015 in Kraft tretende Schwefelemissions-Richtlinie (SECA) ist darin bereits eingeschlossen. Eine der Schwächen, insbesondere der baltischen Staaten, ist aber ihre mäßige Anbindung an das mitteleuropäische Schienennetz. Dabei verfügen diese Länder über ein leistungsfähiges Bahnsystem. In Lettland (63,8 Prozent) und Estland (51,5 Prozent) ist die Schiene laut Eurostat sogar der wichtigste Güter-Verkehrsträger. In Litauen liegt ihr Marktanteil bei 41,2 Prozent. Allerdings ist das Schienennetz einseitig in Richtung Osteuropa ausgerichtet, wie Mindauskas Butnoris von JSC Lithuanian Railways bei seinem Vortrag in Hamburg aufzeigte. Zwar sind 69 Prozent des Schienengüterverkehrs in Litauen grenzüberschreitend – aber 86 Prozent der internationalen Schienentransporte gehen nach Osteuropa oder kommen von dort. Für die Verbindung nach Westeuropa bleiben nur fünf Prozent. Ehrgeizige Hafenprojekte Hoffnung, dass sich dies einmal ändert, macht die Anbindung des Baltikums an den EU-Freight-Korridor 8, der Antwerpen, Rotterdam und Hamburg unter anderem mit Kaunas verbinden soll. Zweiter Hoffnungsträger ist der Baltic-Adriatic-Corridor, der in Helsinki startet und durch die baltischen Staaten, Tschechien, Österreich bis nach Italien führen soll. Angesichts unklarer Finanzierung des Ausbaus der Korridore sind dies Fernziele – aber die Litauer arbeiten daran. So sind im Ostseehafen Klaipeda, der Hauptstadt Vilnius und in Kaunas drei öffentliche, multimodale Logistikzentren geplant. Vilnius wird Ende dieses Jahres eröffnet, ebenso Kaunas. Kaunas könnte für westeuropäische Spediteure besonders interessant werden. Das Logistikzentrum soll per Eisenbahn sowohl auf dem osteuropäischen Breitspurnetz als auch dem westeuropäischen Schienennetz erreichbar sein und eignet sich somit als Drehkreuz im Ost-Westverkehr. Außerdem sind die Preise für Lagerraum in den baltischen Staaten mit 4 bis 4,80 Euro deutlich günstiger als etwa in Minsk (9 Euro) oder im Großraum Moskau (8,80 Euro). Ob die baltischen Staaten ihre Rolle als Gateway zwischen Ost- und Westeuropa ausbauen können, hängt auch von der politischen Großwetterlage ab. Und die sieht nicht positiv aus. Früher waren Häfen wie Klaipeda, Ventspils oder Riga die wichtigsten Umschlagplätze für Ladungen zwischen den nordeuropäischen Häfen und dem Großraum Moskau. Doch das hat sich in den letzten Jahren geändert: Ehrgeizige Hafenprojekte an der russischen Ostsee zeigen Wirkung. „Die Häfen der baltischen Staaten fangen an, Marktanteile gegenüber den aufstrebenden russischen Häfen zu verlieren“, sagt Edgars Suna, Marketingchef des Freihafens Riga. Nach zwölf Jahren ununterbrochenen Wachstums verlor Riga im Jahr 2013 mit 35,5 Millionen Tonnen (2012: 36,1 Millionen Tonnen) erstmals wieder Umschlagsaufkommen. Mittlerweile führen mit Primorsk, dem neuen Containerhafen Ust Luga und St. Petersburg drei russische Häfen das Hafenranking mit dem östlichen Baltikum an – trotz deutlich schlechterer Lage im Vergleich zu Klaipeda, Riga & Co. Der Hafen Riga versucht, mit Investitionen dagegenzuhalten. 1,1 Milliarden Euro sollen in der laufenden Dekade investiert werden – oder wurden schon investiert. Die Vertiefung der Hafenzufahrt auf 15 bis 17 Meter, Landkäufe für ein neues Multipurpose-Terminal, Modernisierung der Hafenbahn sowie der Bau mehrerer Terminals und Logistikparks gehören zu dem Investitionsprogramm. „Verbesserungen bei den Terminallösungen werden aber nicht reichen, um unseren Marktanteil zu halten oder zu steigern“, warnt Suna. Die große strategische Herausforderung sei es, mehr Kontrolle über das Netzwerk im Hinterland zu bekommen und Services auch außerhalb der Terminals anzubieten. Vorbild sind hier offenbar die Terminalbetreiber in der Nord-range wie die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) oder Eurogate. ❙❚■ Björn Helmke. VR-Korrespondent in Hamburg Amber Coast Logistics Die südliche und östliche Ostsee-Region im Fokus Für das Logistikprojekt Amber Coast Logistics (ACL) haben sich 19 Projektpartner aus Weißrussland, Dänemark, Deutschland, Lettland, Litauen und Polen sowie 25 assoziierte Partner zusammengeschlossen, um das vorhandene Potenzial des Transport- und Logistiksektors in der südlichen und östlichen Ostseeregion stärker zu nutzen und auszubauen. Oberstes Ziel des Logistikprojekts ist es, den Aufbau multimodaler Logistikzentren in der südlichen und östlichen Ostseeregion zu unterstützen und damit die Erreichbarkeit entlegener Gebiete zu verbessern. Amber Coast Logistics wurde von der Europäischen Union finanziert. Führender Projektpartner und Koordinator war Hafen Hamburg Marketing. hel

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