Ein Notfall kommt immer ohne Termin

Einen Warnschuss gab es nicht. Plötzlich waren die Schmerzen da, es hämmerte und dröhnte im Kopf. Mit Blaulicht kam der Unternehmer ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten eine Gehirnblutung fest. Eine Not-OP rettete sein Leben, doch der einst tatkräftige Chef eines mittelständischen Betriebs war monatelang nicht ansprechbar. Das Gericht bestellte den Deggendorfer Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Josef Scherer zu seinem Betreuer. Er kümmerte sich um das Vermögen und führte den Betrieb zwei Monate lang weiter, bis absehbar war, dass der Firmeninhaber sich gesundheitlich nicht erholen würde. In Abstimmung mit der Ehefrau des Inhabers wickelte er das Unternehmen ab und verkaufte es. Ein unkalkulierbares Risiko Scherer, der an der Technischen Hochschule Deggendorf Compliance Risiko- und Krisenmanagement lehrt, kennt viele solcher Fälle. Haben Firmenchefs nicht geregelt, wer im Notfall für sie entscheiden und die Geschäfte leiten soll, schaltet sich das Gericht ein. Die Richter bestellen einen Betreuer. "Ein unkalkulierbares Risiko", urteilt der Jurist, "denn es ist nicht sichergestellt, dass der Betreuer einen Betrieb führen kann." Gerade bei schnell wachsenden, erfolgreichen Unternehmen kommt ein weiteres Problem hinzu. "Prozessabläufe sind nicht dokumentiert und digitalisiert. Das Wissen schlummert in den Köpfen der Chefs", sagt Scherer. Das macht es für Interimsmanager wie ihn schwer, sich schnell zurechtzufinden und das Unternehmen weiterzuführen. Die beste Notfallvorsorge für Unternehmer besteht darin, sich entbehrlich zu machen. Sie müssen den Betrieb so aufstellen, dass er auch ohne sie funktioniert. Sind Informationen zu Kundenbeziehungen und die wichtigsten Daten sowie Kennzahlen per Knopfdruck abrufbar, die Unternehmensstrategie klar formuliert und die zweite Führungsebene mit den notwendigen Vollmachten oder Prokura ausgestattet (siehe Kasten Seite 34), laufen die Geschäfte für eine gewisse Zeit auch ohne Chef. "Dann dürfte nichts passieren, wenn der Unternehmer im Urlaub ist oder krankheitsbedingt ausfällt", sagt Scherer. Chefs sollten Notfallkoffer packen Er empfiehlt jedem Firmenchef, solch einen Notfallkoffer zu packen. Hierzu gehören auch klare Vertretungs- und Zeichnungsregelungen, Zugangsberechtigungen für die EDV sowie genaue Absprachen im Vorfeld. Die Verantwortlichen im Betrieb müssen wissen, wer im Notfall das Ruder übernimmt - leitende Mitarbeiter, jemand aus der Familie oder ein Experte von außerhalb - und was mit der Firma geschehen soll, wenn der Unternehmer dauerhaft ausfällt. Zentrale Fragen sind frühzeitig zu klären: Soll der Betrieb weitergeführt oder verkauft werden? Wer tritt die Nachfolge an? Ist eine Umwandlung in eine andere Rechtsform erlaubt, um die Familie finanziell abzusichern und die Haftung zu begrenzen? "Unternehmer sollten eine klare Handlungsanweisung in ihre Vorsorgevollmacht aufnehmen", empfiehlt Jan-Frederic Worring, Leiter des Zentralen Vorsorgeregisters der Bundesnotarkammer. "Das ist auch im Interesse des Bevollmächtigten, der sonst ein großes Haftungsrisiko eingeht", ergänzt Worring. Deshalb sollten Unternehmer klar niederschreiben und kommunizieren, wie sie sich die Zukunft der Firma vorstellen, und klären, wem sie welche Vollmachten erteilen. Notare beraten Unternehmer Damit die Absicherung im Notfall auch greift, ist es wichtig, dass Firmenchefs Ausgestaltung und Umfang der Vollmachten mit ihrem Notar besprechen und sich beraten lassen. Wer rechtlich auf Nummer sicher gehen will, lässt sich die Vollmacht gleich notariell beurkunden. "Der Notar prüft die Geschäftsfähigkeit und schafft damit Rechtssicherheit, dass die Vollmacht auch gültig ist", sagt Worring. Privatschriftliche Vollmachten reichen zudem für viele Geschäfte im Unternehmensalltag nicht aus. Ein Wechsel der Rechtsform, Grundstücksgeschäfte oder der Verkauf von Firmenanteilen sind ohne notarielle Vollmacht gar nicht möglich. "Ein Einzelunternehmer haftet mit seinem Privatvermögen - auch für das, was sein Bevollmächtigter tut", erklärt der Notarassessor. "Daher sollte es im Notfall möglich sein, das Unternehmen in die Rechtsform einer GmbH einzubringen." Viele Firmenchefs zögern jedoch, Angehörigen oder Führungskräften weitreichende Befugnisse einzuräumen. Die Angst sitzt zu tief, dass diese eine Generalvollmacht, die zu allen Rechtsgeschäften berechtigt, missbrauchen. "Eine Generalvollmacht sollten Firmenchefs nur erteilen, wenn sie der Person zu hundert Prozent vertrauen", rät Worring. Das Problem: Um einen Betrieb zu führen, braucht es spezielles Know-how. "Einer Vertrauensperson aus der Familie fehlt jedoch oft die Expertise", weiß der Experte. Es kann daher sinnvoll sein, Privates und Betriebliches voneinander zu trennen und mehrere Bevollmächtigte einzusetzen. Beispielsweise kümmert sich die Ehefrau um das private Vermögen und entscheidet in Gesundheitsfragen, während der Prokurist oder mehrere Führungskräfte gemeinsam die Geschäfte führen. "Erteilt der Chef Gesamtprokura oder zwei Bevollmächtigten gemeinsam eine Generalhandlungsvollmacht, müssen immer zwei Leute unterschreiben, was eine gewisse Kontrolle sicherstellt", sagt Rechtsanwalt Scherer. Der beste Schutz bestehe darin, erteilte Vollmachten regelmäßig zu kontrollieren. Fehlt die Vertrauensbasis, kann man eine Vollmacht widerrufen. Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Digitaler Nachlass Wer bekommt das Xing-Profil? Ob das E-Mail-Konto oder der Cloud-Speicher einer Person vererbt werden können, ist umstritten. Der Digitalverband Bitkom weist darauf hin, dass für E-Mail-Konten und andere Kommunikationskanäle prinzipiell das Fernmeldegeheimnis gilt. Es soll auch die Privatsphäre der Kommunikationspartner schützen. Allerdings erben Hinterbliebene nicht nur Sachwerte, sondern treten auch in Verträge des Verstorbenen ein. Das gilt auch für Verträge mit E-Mail- und Cloud-Dienstleistern.Nutzer sollten schriftlich festhalten, wer den digitalen Nachlass verwaltet oder ob die Daten gelöscht werden sollen. Bitkom rät, zu regeln, ob und auf welche Accounts die Erben zugreifen dürfen. Die Zugangsdaten kann man beim Notar hinterlegen. Bei Dateien auf Datenträgern ist die Rechtslage dagegen klarer: Die Hinterbliebenen erben Smartphone, Festplatten und Sticks und dürfen die Daten lesen. Will man Informationen lieber mit ins Grab nehmen, sollte man festlegen, dass die Datenträger vernichtet werden. Auch darum kann sich ein Notar kümmern.Außerdem gilt es, zu regeln, was mit Profilen in sozialen Netzwerken geschieht. Berufliche Netzwerke wie Xing deaktivieren Profile, sobald der Betreiber vom Tod eines Mitglieds erfährt. Bei Facebook können Nutzer zu Lebzeiten einen Nachlasskontakt bestimmen. Er kann das Profil des Verstorbenen ändern, aber nicht dessen Chats lesen. ks Für den Notfall absichern Vollmacht ist nicht gleich Vollmacht - Patientenverfügung: Sie schreibt fest, welche medizinischen und lebenserhaltenden Behandlungen Firmenchefs wünschen oder ablehnen, wenn sie dies nicht mehr selbst entscheiden können. Eine Patientenverfügung sollte mit einer Vorsorgevollmacht verknüpft werden, damit der Bevollmächtigte in Gesundheitsfragen dem Willen des Vollmachtgebers Geltung verschaffen kann.- Vorsorgevollmacht: Sie legt fest, wer in privaten und betrieblichen Dingen entscheidet, sollte der Unternehmer dazu nicht mehr in der Lage sein. Oft ist diese als Generalvollmacht ausgestaltet, die den Bevollmächtigten zu allen Rechtsgeschäften berechtigt, für die eine Vertretung zulässig ist. Sie geht damit über die betriebliche Prokura und jede andere Art von Vollmacht hinaus. Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, bestellt das Gericht einen Betreuer, der über Gesundheitsfragen, Unterbringung, Vermögen und die Zukunft des Unternehmens entscheidet. Wer eine Vollmacht erteilt, sollte dies dem Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (www.vorsorgeregister.de) melden. Die Betreuungsgerichte haben Zugriff auf das Register und können im Ernstfall die bevollmächtigten Personen schnell ausfindig machen.Prokura: Sie berechtigt eine Person zu allen gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsgeschäften, die der Betrieb eines Gewerbes mit sich bringt. Der Umfang der Prokura ist gesetzlich festgelegt und reicht in der Regel weiter als eine Generalhandlungsvollmacht. Sie kann nur durch den Geschäftsführer erteilt werden und ist im Handelsregister eingetragen. Ausgeschlossen sind die Auflösung oder der Verkauf des Unternehmens, das Beleihen oder Verkaufen von Grundstücken, private Geschäfte, die Aufnahme weiterer Gesellschafter sowie das Unterzeichnen der Bilanz. Hierzu ist eine gesonderte Vollmacht notwendig, die ein Notar beurkunden muss. Der Prokurist unterschreibt mit ppa (per Prokura).- Generalhandlungsvollmacht: Sie ist der Prokura ähnlich, beschränkt sich aber auf branchenübliche Geschäfte. Sowohl der Inhaber als auch der Prokurist können eine solche Vollmacht ausstellen. Sie ist nicht im Handelsregister eingetragen. Ausgeschlossen sind unter anderem das Beleihen oder Veräußern von Grundstücken, das Aufnehmen von Darlehen und das Führen von Prozessen. Soll der Bevollmächtigte auch Handelsregistereintragungen vornehmen, Grundstücksgeschäfte tätigen, das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung ausüben, die Firma in eine andere Rechtsform umwandeln oder den Betrieb verkaufen dürfen, ist dies explizit in die Vollmacht aufzunehmen und notariell zu beurkunden. Der Bevollmächtigte unterschreibt mit i. V. (in Vollmacht).- Artvollmacht: Sie berechtigt zu einer bestimmten Art von Geschäften, die regelmäßig in einem Unternehmensbereich anfallen. Klassische Beispiele sind die Einkaufs-, Post- oder Bankvollmacht. Der Bevollmächtigte unterschreibt mit i. A. (im Auftrag).- Spezialhandlungsvollmacht: Sie erlaubt dem Bevollmächtigten, einzelne, zum Teil aber auch nur ein einziges Geschäft in Vertretung vorzunehmen (i. A.). sah

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