Duell unter Gasern

Mehr und mehr Transportunternehmen sehen in Lkw mit LNG-Antrieb das, was sie eben sind: Die derzeit einzige Alternative im Fernverkehr zum Dieselmotor, die mittels Mautbefreiung und Kaufprämien von Staatsseite gefördert wird. Das hat bei den aktuell drei Herstellern, die Erdgaser im Angebot haben, volle Auftragsbücher zur Folge. So auch bei Volvo Trucks; dort verlässt die Vielzahl der LNG-Modelle als FH und mit 460 PS die Werksbänder. Die um 40 schwächere Alternative des G13-Sechszylinders wird dagegen selten nachgefragt. Zu Recht? Oder ist der 420er vielleicht sogar die bessere, weil wirtschaftlichere Alternative? Und reichen 420 PS - noch dazu aus Erdgas gewonnen - in heutigen Zeiten für einen ausgewachsenen Sattelzug überhaupt noch aus? Fragen, die dieser direkte Vergleich der beiden Volvo-Gaser klären soll. Zumindest für den schwedischen Hersteller ist der schwächere Gaser so etwas wie eine Geheimwaffe. Vor allem, wenn der Lastzug selten oder nie die volle Gewichtskapazität ausschöpft - was beim Test in Form unseres auf 24 Tonnen ausgeladenen Krone-Testaufliegers gegeben ist. Diesel ersetzt die Zündkerze Immerhin 40 PS und 200 Newtonmeter Drehmoment trennen die Brüder. Konform gehen sie dagegen in der Art, wie die Leistung erzeugt wird: Anders als die Konkurrenten Iveco und Scania, deren Erdgasmotoren nach dem Ottoprinzip mit Zündkerze arbeiten, setzt Volvo Trucks auf das Zündstrahlprinzip ohne Fremdzündung. Deren Job übernimmt Dieselkraftstoff, von dem Millisekunden vor dem Erdgas eine kleine Menge in den Brennraum eingespritzt wird. Durch die anschließende Verdichtung steigt die Temperatur im Zylinder, der Diesel entzündet sich und entflammt das Erdgas mit. Nachteil dieser Bauart: Die Dieselabgase müssen mittels SCR-Kat aufwendig auf Euro 6-Niveau gereinigt werden, weshalb der Fahrer neben LNG und Diesel auch regelmäßig AdBlue zutanken muss. Auf der anderen Seite ermöglicht dieses Vorgehen eine leistungsfähige Motorbremse, die sich bei Ottomotoren nicht darstellen lässt, und auch die Wartungsintervalle fallen mit 100.000 Kilometern bei Volvo deutlich länger aus als bei den Wettbewerbern. Vor allem aber liefern die für Erdgas optimierten G13-Reihensechszylinder nahezu die gleiche Leistung wie ihre Diesel-Pendants. Weshalb die Volvo-Verantwortlichen auch versprechen, dass der LNG-Fahrer keinerlei Unterschied zum Diesel-FH spüren sollte. Die erste Bestätigung erfolgt sogleich nach dem Dreh am Zündschlüssel. Der Gasmotor benötigt in beiden Modellen lediglich ein paar Anlasserumdrehungen länger, um zum Leben zu kommen; es dauert etwas, bis das Gas zu den Brennräumen gelangt. Schon im Leerlauf fällt dann auf, dass die Gaser exakt das gleiche Verbrennungsgeräusch von sich geben wie die Volvo-Dieselmotoren. Gleiches gilt während der Fahrt. Der G13 klingt exakt wie sein Dieselpendant, ist in den Kabinen lediglich um ein Dezibel (A) leiser vernehmbar, was allerdings nur mittels Schallmessgerät feststellbar ist. Tatsächlich unterscheidet sich auch die Leistungscharakteristik nicht. Die Erdgas-Aggregate setzen Gaspedalbefehle willig in Vortrieb um und reagieren auf den Drehzahlkeller fast so souverän wie ihre Diesel-Kollegen. Was besonders für den 420er gilt. Er liefert seine vollen 2100 Newtonmeter Drehmoment ab 1000 Touren und damit immerhin 50/min eher als sein 460 PS starker Bruder. Das hat zur Folge, dass Letzterer an Steigungen "schon" bei 1050/min sein Heil in einer Rückschaltung sucht, wogegen der Kleine diese hinauszögert, bis die Drehzahlmessernadel exakt auf die 1000er-Marke gefallen ist. Zumindest solange der GPS-Tempomat "I-See", den der schwedische Hersteller mittlerweile zu einer tadellosen Arbeitsweise erzogen hat, nichts anderes verordnet. An Steigungen, die sich ohne Rückschaltung erklimmen lassen, setzt die Elektronik zunächst auf eine Tempoverschärfung bis zum Begrenzer als Schwunghilfe und lässt die Drehzahl dann auf bis zu 900 Touren fallen, was beide Gasmotoren ohne Vibrationen oder Brummgeräusche mitmachen. Gewohnt souverän: Das I-Shift-Getriebe Übrigens unterscheidet sich auch die Qualität der Schaltvorgänge nicht von den Diesel-FH, I-Shift erledigt seinen Job auch in den LNG-Modellen in seiner bereits vielfach gelobten souveränen Arbeitsweise. Angeblich denkt man in Göteborg schon darüber nach, für die Gaser das Volvo-eigene Doppelkupplungsgetriebe zu homologieren, was wir allerdings für entbehrlich halten. Lieber investieren wir in die elektrohydraulische Lenkung "Dynamic Steering", dank der die Kurbelei am Lenkrad bei Rangiervorgängen ohne Kraftanstrengung von der Hand geht. Zudem wacht hier neuerdings ein Spurassistent über die Geschicke des Fahrers. Droht der FH die Ideallinie zu verlassen, lenkt das System gegen und lässt das Lenkrad als "Weckruf" vibrieren. Unterschiedlich abgestimmt sind beide Test-FH beim Fahrwerk. Die Vorderachse des 460ers federt mittels der leichteren Einblatt-Parabelfederung, der 420er verfügt über die robustere, aber schwerere Zweiblatt-Variante und verzichtet auf die gewichtsoptimierte Hinterachsaufhängung. Wir empfehlen erstere Konfiguration, auch weil der Federungskomfort in beiden Fällen hoch ausfällt. So, wie wir uns nach der Testrunde für den schwächeren LNG-Volvo entscheiden würden. Die 420-PS-Version bietet eine leicht bessere Motorcharakteristik, dürfte in der Anschaffung günstiger sein und hat in Sachen Gasverbrauch die Nase vorn. 16,25 kg/100 km zu 16,71 kg/100 km steht es am Ende zugunsten des 420ers. Erstaunlich hoher AdBlue-Verbrauch Nicht vernachlässigen darf man allerdings den Diesel- und AdBlue-Verbrauch, der sich in beiden Testfahrzeugen bei knapp sieben Prozent vom Gasverbrauch einpendelt. Überraschend hoch dagegen der AdBlue-Verbrauch für die Euro 6-konforme Abgasreinigung: 0,16 l/100 km spritzte die Elektronik in den Abgasstrom ein, das sind 17 Prozent in Relation zum Dieselverbrauch. Vernachlässigbar ist dagegen der Tempovorteil, den der stärkere Gaser einfahren kann. Mit durchschnittlich 79,7 km/h ist er auf der Testrunde lediglich um knapp 0,1 km/h schneller und macht auf den Bergwertungen der Teststrecke nur wenige Sekunden gut (siehe Tabelle Seite 57). Bei einem Gesamtgewicht von 32 Tonnen, wohlgemerkt. Mutet man den Volvo-Gasern schwergewichtigere Aufgaben zu, dürften sich die Verhältnisse zugunsten des 460 LNG verschieben. Alle Tests- und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze Anders als die Wettbewerber setzt Volvo Trucks bei seinen Erdgasmotoren auf das Zündstrahlprinzip ohne Zündkerze. Das sorgt unter anderem für Vorteile bei der Leistungscharakteristik. Der Vergleichstest klärt, wie sich die 420-PS- Einstellung gegen den stärkeren 460 LNG schlägt. Fazit Überraschend gutDer 420er-LNG entpuppt sich als Überraschung unseres Vergleichstests. Die schwächere Einstellung legt eine nochmals bessere Charakteristik an den Tag als der stärkere 460er und kommt mit niedrigeren Drehzahlen noch etwas besser zurecht. Auch beim Verbrauch hat der stärkere Gasmotor das Nachsehen, ohne merklich schneller zu sein. Er dürfte dafür bei 40-Tonnen-Einsätzen deutlich besser performen und ist für solche Fälle dann sicher die bessere Wahl.Jan Burgdorf Test-Redakteurjan.burgdorf@springernature.com

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