Dobrindt - eine Bilanz

Als Minister für Mobilität und Modernität ist Alexander Dobrindt (CSU) angetreten. In der Öffentlichkeit wird seine Amtszeit eher mit Maut für Pkw und Manipulation bei Dieselautos in Verbindung gebracht. Doch was hat er seit Dezember 2013, als er seine Arbeit im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgenommen hat, wirklich bewegt? Mehr Geld für Infrastruktur Ein Platz in den verkehrspolitischen Geschichtsbüchern ist dem Oberbayern dank des Investitionshochlaufs für die Bundesverkehrswege sicher. Von rund 10 Milliarden Euro pro Jahr sind die Investitionsmittel auf ein Rekordniveau von jährlich gut 14 Milliarden Euro gestiegen (Haushaltsentwurf für 2018). In die Hände spielte ihm sicherlich der Aufschrei nach der Sperrung der Leverkusener Rheinbrücke Anfang 2012. Es wurde sichtbar, in welchem Maß marode Infrastruktur den wirtschaftlichen Wohlstand gefährdet. Lkw-Maut-Einnahmen geschickt ersetzt In die Hände spielten ihm auch die gute Kassenlage des Bundes und das offenbar gute persönliche Verhältnis zu Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Das benötigte Dobrindt gleich zu Anfang der Legislaturperiode: Vorgänger Peter Ramsauer hatte ihm ein Wegekostengutachten für die Lkw-Maut hinterlassen, das zu Mindereinnahmen in Höhe von 2 Milliarden Euro in seiner Amtszeit geführt hätte. Dobrindt gelang es, immerhin 1,3 Milliarden Euro aus dem allgemeinen Bundeshaushalt einzuwerben. Die restlichen 700 Millionen Euro holte er durch Anlastung externer Kosten für Luftverschmutzung, die Ausweitung der Maut auf 1100 Kilometer Bundesstraßen und die Einbeziehungen von Lkw ab 7,5 Tonnen herein. Unter dem Strich stand eine finanzielle Entlastung der Unternehmen mit schwerem Fuhrpark. Überschattet haben den Investitionshochlauf in den letzten drei Jahren die zunehmenden Schwierigkeiten, die vorhandenen Bundesmittel auch zu verbauen. Weil die Planung nicht abgeschlossen werden konnte oder die Baukapazitäten nicht reichten, ließen einige Länder viel Geld für die Sanierung und den Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen liegen. Bundesautobahn-Gesellschaft kommt Diese regionalen Ungleichheiten waren ein Grund für Überlegungen des Bundesverkehrsministeriums, dass künftig der Bund für Planung, Finanzierung und Bau der Autobahnen zuständig sein soll. Nach Monaten des Streits einigten sich Bund und Länder gegen Ende von Dobrindts Amtszeit auf eine bundeseigene Infrastrukturgesellschaft. Die Finanzierung soll ausschließlich über den Bundeshaushalt erfolgen. Private Kredite sind tabu, Aufträge an Private aber weiter möglich. Öffentlich-private Partnerschaften sollen nur noch begrenzt möglich sein. Fraglich ist, ob der Übergang von der Länder- in die Bundesauftragsverwaltung ohne Probleme gelingt. Pessimisten fürchten Planungsstillstand, bis die neuen Strukturen etabliert sind. Pkw-Maut gegen jeden Widerstand Dobrindts Name ist eng mit der Pkw-Maut verknüpft - je nach politischem Standpunkt auch als "Infrastrukturabgabe" oder "CSU-Ausländermaut" bezeichnet. Mit den Worten "Ein Dobrindt scheitert nicht" hatte ihm CSU-Chef Horst Seehofer Ende 2013 die Aufgabe übertragen, den Herzenswunsch aller CSU-Stammtische umzusetzen: Rache für das ungeliebte "Pickerl" der Österreicher. Der Koalitionsvertrag verlangte von ihm aber die Quadratur des Kreises: Kein deutscher Fahrer soll mehr belastet werden, zugleich soll die Maut unter dem Strich Geld für die Bundesfernstraßen einspielen - also nur die Ausländer belasten. Im zweiten Anlauf gelang es Dobrindt, bei der EU-Kommission grünes Licht für das heftig kritisierte Kfz-Steuer-Kompensationsschema zu erwirken. Ausgestanden ist dieser Konflikt aber trotzdem noch nicht: Österreich ist wild entschlossen, Deutschland wegen EU-Vertragsverletzung vor den europäischen Gerichtshof zu bringen. Ob Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Ankündigung im TV-Duell 2013, "mit mir wird es keine Pkw-Maut geben", vielleicht doch nicht zurückziehen muss? Fest steht, dass die Pkw-Maut-Idee grundsätzlich viele stille Anhänger hat. Sie macht den Verkehrsetat des Bundes nämlich ein Stück unabhängiger von den Launen des Finanzministers und der Haushaltspolitiker. Alle Versuche, für die Mineralöl- oder die Kfz-Steuer eine dauerhafte Zweckbindung zu erreichen, sind bekanntlich gescheitert. Auch Güterverkehrsunternehmer sind dafür, wenn die zusätzlichen Einnahmen der Verkehrsinfrastruktur zugutekommen. BVWP 2030 stößt auf geteiltes Echo Wie so viele Vorhaben in Dobrindts Amtszeit hat sich der neue Bundesverkehrswegeplan (BVWP) kräftig verspätet: Als absehbar wurde, das der BVWP 2015 nicht mehr rechtzeitig fertig werden würde, taufte man ihn kurzerhand in BVWP 2030 um. Das Rahmenkonzept legt einen Schwerpunkt auf den Erhalt des bestehenden Netzes und legt den Fokus vor allem auf die Beseitigung überregional bedeutender Engpässe. An der Aufteilung der Investitionsmittel von rund 270 Milliarden Euro auf die Verkehrsträger - insgesamt 96 Milliarden Euro mehr als 2003 - scheiden sich die Geister: Während sich Dobrindt rühmt, den Anteil der Schiene und Wasserstraße an den Gesamtinvestitionen - also einschließlich Erhalt - auf 50,7 Prozent erhöht zu haben, kritisieren Opposition und Umweltschützer, dass beim Aus- und Neubau der Anteil der Straße mit 55,4 Prozent überwiege. Kritiker sprachen von der "unbezahlbaren Wünsch-dir-was-Liste". Hilfe für die Schiene in letzter Minute Begleitet wurde die auslaufende Legislaturperiode von kontinuierlichem Klagen der Eisenbahnbranche, dass sie gegenüber der Straße benachteiligt werde. Das klimapolitische Ziel der Regierung, mehr Güter auf die Schiene zu bringen, hat der Bundesverkehrsminister tatsächlich verfehlt. Im Gegenteil: Der Anteil des Lkw-Verkehrs nahm in seiner Amtszeit weiter zu. Offensichtlich erst unter dem Eindruck tiefroter Zahlen bei der bundeseigenen DB Cargo wurde er aktiv und ließ einen Masterplan Schienengüterverkehr erarbeiten. Kern ist die Halbierung der Trassenpreise, damit die Schiene preislich im Vergleich mit der Straße wieder konkurrenzfähig wird. Für eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode kamen die Vorschläge aber zu spät. Auch Verbände der übrigen Verkehrsträger hätten sich von Dobrindt mehr Aufmerksamkeit und Engagement gewünscht. Lang-Lkw rollt nun im Regelbetrieb Trotz Kritik - unter anderem aus der Schienen-Lobby - schaffte Dobrindt es, den Lang-Lkw nach Ende des Feldversuchs in den Regelbetrieb zu überführen. Spediteure und Verlader haben diese Entscheidung begrüßt. Sie monieren allerdings, dass im jetzigen Regelbetrieb zu wenig Flexibilität herrscht. Bevor eine neue Strecke von Lang-Lkw genutzt werden kann, muss die jeweilige Straßenbaubehörde ihr Einverständnis geben. Erst dann kann sie der Bund per Verordnung ins Positivnetz aufnehmen. Die Aktualisierung findet aber höchstens zweimal pro Jahr statt. Ähnlich beharrlich wie bei der Lang-Lkw-Einführung haben Vertreter des Straßengüterverkehrs darum gekämpft, dass die Polizeibegleitung bei Großraum- und Schwertransporten nicht mehr zwingend notwendig ist. Eine 2016 verabschiedete Novelle des Straßenverkehrsrechts ermöglicht es nun, Mitarbeiter von Spezialtransport-Begleitfirmen entweder als Verwaltungshelfer unter Anleitung der Polizei einzusetzen oder sie sogar mit hoheitlichen Befugnissen gewissermaßen als Hilfspolizei zu beleihen. Für die Transporteure minimiert sich dadurch vor allem das Risiko, dass ein Transport stockt, weil die Polizeibegleitung zu einem anderen Einsatz abkommandiert wird. Sensibilisierung für Digitalisierung In Erinnerung bleibt auch Dobrindts wiederholte und wichtige Aufforderung an die deutschen Güterverkehrsunternehmen, die Zukunft nicht zu verschlafen. Wer nicht bereit sei, zu digitalisieren, werde verlieren, mahnte er zuletzt auf der diesjährigen Transport-Logistic-Messe. Ein Ziel der Digitalisierung seien effizientere Güterverkehrsketten. Denn Industrie 4.0, Online-Handel und Vernetzung führten Dobrindt zufolge nicht zu weniger Transaktionen, sondern zu mehr - und somit auch zu mehr Gütertransport und Logistik. Voraussetzung seien geeignete Rahmenbedingungen wie eine leistungsfähige Infrastruktur. Hier schließt sich der Kreis. Denn Geld sei dafür da, so Dobrindt - dem Investitionshochlauf sei Dank. Unsouverän im Dieselskandal Die letzten Monate von Dobrindts Amtszeit wurden überschattet vom Skandal um manipulierte Abgasreinigung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Dieselantrieben. Die Bewertungen über Dobrindt in dieser Affäre reichen von "Schutzpatron der Trickser und Täuscher" (Opposition und Umweltschützer) bis hin zum "vorbildlichen und rückhaltlosen Aufklärer" (CSU). Dieses Kontroverse spiegelt sich auch im Abschlussbericht des Bundestags-Untersuchungsausschusses wider. Entgegen der Oppositions-Ankündigung gelang es nicht, Dobrindt justiziables Versagen nachzuweisen. Der Verdacht, die aktuelle und die vorherige Regierung hätten nicht genau wissen wollen, was aus den Auspuffen kommt, konnte aber auch nicht entkräftet werden. Mit einer etwas offeneren Kommunikation hätte Dobrindt wohl viel dazu beitragen können, Verständnis für sein vorsichtiges Vorgehen zu schaffen. Verschärfend kommt hinzu, dass die Klagen von Umweltverbänden und Bürgern auf Einhaltung der Luftbelastungsgrenzwerte in vielen Städten in die heiße Phase gehen. Für Stuttgart, Düsseldorf und München scheinen Diesel-Fahrverbote kaum vermeidbar - trotz anderslautender Beschlüsse beim Dieselgipfel. Der kühle Analytiker fremdelte mit dem Verkehrsressort Wenige Minister im gegenwärtigen Kabinett rufen in der Öffentlichkeit so viele negative Emotionen hervor wie Alexander Dobrindt."Kumpan der Autoindustrie" und "Erfüllungsgehilfe von Seehofer" sind da noch die freundlicheren Attribute. Doch das Bild täuscht. Hinter der markanten Hornbrille steckt ein kluger Analytiker, der allerdings nur selten über seine Gedanken und Motive spricht. Nicht ohne Grund war er zuvor CSU-Generalsekretär. Seinen Gegnern ist er oft einen Schachzug voraus. Schon im März prophezeite er in kleiner Runde, dass der "Schulz-Zug" der SPD in Ermangelung ansprechender Themen lange vor der Bundestagswahl ins Stocken geraten würde.Der kühle Analytiker Dobrindt hat aber auch eine große Schwäche: Anders als sein Amtsvorgänger Peter Ramsauer ist er kein "Menschenfänger", der allein durch seine Ausstrahlung politische Gegner mindestens vorübergehend einwickeln kann. Herzliches Händeschütteln und Auf-die-Schulter-Klopfen sind dem Mann mit dem Faible für Karo-Sakkos fremd.Mit dem Anspruch, selbst Analytiker zu sein, geht einher, dass Dobrindt nicht der Fachebene des Bundesverkehrsministeriums vertraut. Er möchte jedes Problem selbst bis in die Detailebene durchschauen. Das führt dazu, dass Entscheidungen nicht nur bis zur letzten Minute hinausgeschoben werden, sondern auch weit darüber hinaus. Bayern-Kenner führen dieses Grundmisstrauen auf die harte Schule der CSU-Sozialisation zurück, in der jeder Nachwuchspolitiker schon früh lernt, unter den Gewändern der Parteifreunde stets einen Dolch zu vermuten.Kein Geheimnis ist, dass Dobrindt - anders als sein Vorgänger Peter Ramsauer - mit dem Verkehrsressort innerlich nie warm geworden ist und keine zweite Amtszeit anstrebt. Als wahrscheinlichste Option für ihn gilt derzeit, dass er die ausscheidende CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt beerbt. (roe)

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