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Diskutieren Sie mit: Braucht die Logistik ein Gütesiegel "FairLogistics"?

24.07.2014 17:00 Uhr
Diskutieren Sie mit: Braucht die Logistik ein Gütesiegel "FairLogistics"?
Lässt sich mit einem Gütesiegel FairLogistics das Image der Logistik verbessern?
© Foto: VR/Fotolia/Tournee

Braucht die Logistik ein neues Nachhaltigkeits-Siegel? Die VerkehrsRundschau stellt mögliche Inhalte für ein FairLogistics-Label vor und fordert alle Leser zur Diskussion auf.

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München. Das Image der Logistikbranche ist in weiten Teilen der Öffentlichkeit schlecht. Die Bevölkerung ist der Meinung, in der gesamten Branche stünden unmenschliche Arbeits- und Geschäftsbedingungen auf der Tageordnung und Logistik verursache Umweltverschmutzung, Unfälle und Stau. Geprägt wird dieses negative Bild vor allem durch Einzelfälle wie die Arbeitsverhältnisse bei einigen Paketdiensten oder Berichte über alte, dreckige und unsichere LKW. Leider zerstören diese „schwarzen Scharfe“ auch den Ruf aller Spediteure und Verlader, die auf gut ausgebildete Mitarbeiter und ein gutes Arbeitsumfeld sowie moderne Fahrzeugtechnik setzen.

Inhalte eines FairLogistics-Labels

Die VerkehrsRundschau hat nun in Grundzügen mögliche Inhalte eines Gütersiegel „FairLogistics“ vorgestellt. (Download des FairLogistics-Vorschlags). Dies könnte helfen, dass Konsumenten und Auftraggeber vorbildliche Logistiker erkennen und bei der Auswahl bevorzugen könnten. Dadurch könnte der Einsatz von „schwarzen Schafen“ in der Branche reduziert werden. Falls sich die Branche für die Schaffung eines solchen Labels entscheidet, muss die Frage geklärt werden, welche Anforderungen und welcher Prüfungsaufwand hinter einen solchen Gütesiegel stehen.

Geringer Einführungs- und Überprüfungsaufwand

Der Diskussionsvorschlage der VerkehrsRundschau setzt darauf, dass möglichst viele Unternehmen die Anforderungen des Label erreichen können. FairLogistics soll die schwarzen Scharfe aussortieren. Außerdem setzt der VerkehrsRundschau-Vorschlag darauf, den Aufwand für Einführung und Überprüfung der Standards möglichst gering zu halten. Deshalb wird auf bestehende Institutionen und Standards wie Betriebsrat, Tarifvertrag oder Schadstoffklassen gesetzt. Auch wenn diese keinen hundertprozentigen Schutz gewährleisten, sorgen sie zusammen mit den Transparenz-Vorgaben sicherlich dafür, dass eine Nichteinhaltung der Vorgaben schnell bekannt wird und damit das Label wieder entzogen werden kann. Im Detail sind aber noch viele Fragen zu klären, zum Beispiel wer Träger des Siegels sein soll und ob eine Überprüfung zum Beispiel durch Organisationen wie dem TÜV vorgeschrieben werden sollten.

Oder lieber doch höchste Standards?

Ein anderer Ansatz für ein FairLogistics-Label wäre die Schaffung von höchsten sozialen, ökologischen und geschäftlichen Standards. Hierfür müsste ein umfangreicher Anforderungskatalog erstellt werden, dessen Umsetzung und Einhaltung auf jeden Fall von externen Beratern und Prüforganisationen begleitet werden müsste. Ein solcher Anforderungskatalog würde sicherlich dafür sorgen, dass nur an wirklich vorbildliche Unternehmen das Label vergeben wird. Aber Kosten und Aufwand würden wahrscheinlich dafür sorgen, dass nur wenige Logistikbetriebe sich ein solches FairLogistics-Label leisten können. Und es wohl auch nur ein Label für wenige Auftraggeber, denen der Einsatz von höchsten Standards sehr wichtig ist. (ak)

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KOMMENTARE


Andre Kranke

24.07.2014 - 18:37 Uhr

Ich bin der Meinung, die Verlader und Logistikdienstleister sollten darüber nachdenken, ob ein solches Label das Vertrauen der Konsumenten in die Logistik stärken kann. Wenn das der Fall ist, würde es dem Image der Logistik sehr gut tun. Wichtig ist aber, dass nicht nur wenige Logistikdienstleister sich dieses Label leisten können, sondern alle Transporteure und Spediteure, die sich fair gegenüber Mitarbeitern, Geschäftspartnern und der Umwelt verhalten.


Wolfgang Thormann

30.07.2014 - 13:51 Uhr

Ein Gütesiegel für die "faire Logistik" kann dem Konsumenten - wenn man unterstellt, dass er sich damit befasst - eine qualifizierte Aussage darüber treffen, wie nachhaltig die gesamte Logistikkette durchgeführt wurde. Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur die Schonung der Umwelt durch energieeffizente Lagerung und/oder Transport, sondern insbesondere auch die soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Es ist leider heutzutage so, dass die Wirtschaftlichkeit oberste Priorität hat. Daran wird das Unternehmen, der Manager oder sogar der Aktienkurs gemessen. Es ist nicht mehr die Qualität die zählt, das Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Mitarbeiter, die Verkehrssicherheit ... Geiz-ist-Geil ... der Billigste erhält den Auftrag. Die soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft rückt dabei ins Nebensächliche. In der Transportbranche ist es leider so, dass "hinter jeder Ecke" ein anderer ist, der es noch billiger macht, und sei es nur um den Auftrag aus firmenpolitischen Gründen zu erhalten. Durch die EU-Liberalisierung und insbesondere die EU-Ost-Erweiterung, ist die Preisspirale bzw. der Preisdruck weiter nach unten geraten. Die osteuropäischen Unternehmen haben aufgrund einer anderen Kostenstruktur, insbesondere bei den Lohnkosten, eine bessere Wettbewerbsposition gegenüber dem nationalen Transportunternehmen. Der deutsche Spediteur oder Transportunternehmer kann diesem Preisdruck kaum standhalten und verliert den Auftrag. Zum Teil sind die Fahrer osteuropäischer Transportunternehmen Wochen oder sogar Monate nicht bei ihren Familien und leben ausschließlich im LKW, unter zum Teil menschenunwürdigen Bedingungen. Dabei machen diese Fahrer nichts anderes, als Geld zu verdienen, um ihre Familien zu ernähren. Dass ausländische Fahrzeuge ihren festen Einsatzort in Deutschland haben, ist eigentlich gar nicht möglich. Dies geht nur, bei Umgehung der Kabotage-Regelung. Eigentlich sind maximal drei Kabotagetransporte innerhalb von sieben Tagen erlaubt, dann muss das Fahrzeug "das Land verlassen". Und alles nur ..... damit der Verlader einen günstigen Preis hat. Welche Auswirkungen hat diese Praxis auf uns? a) Der deutsche Fahrer verliert seinen Job, wird arbeitslos. b) Der deutsche Transportunternehmer geht in die Insolvenz oder gibt freiwillig auf. c) Der Preisdruck auf die deutschen Transportunternehmen schlägt sich auf den Lohn der Fahrer nieder. Die Lebenshaltungskosten steigen und steigen, der Transportunternehmer kann aber aufgrund der niedrigen Frachtraten dem Fahrer nicht mehr Geld geben. d) Der Konsument ist ebenfalls gezwungen nach "Geiz-ist-Geil" Manier, das billigste Produkt zu kaufen, denn niedriger Lohn oder Jobverlust, lassen ihm keine andere Wahl. Somit steigt der Druck auf die Unternehmen, noch billiger zu werden. e) Die Verkehrssicherheit erhält einen negativen Trend, denn Fahrer die ausschließlich im LKW "hausen" sind unausgeruhter. Teilweise betäuben sie sich mit Alkohol, um um die Situation, getrennt von der Familie zu leben, ertragen zu können. f) Der deutsche Transportunternehmer spart, um Wettbewerbsfähig zu bleiben, führt Wartungsarbeiten selber durch oder schiebt wichtige Reparaturen/Wartungen vor sich her. Auch hierdurch verringert sich die Verkehrssicherheit. Mittlerweile organisieren sich bereits Fahrer, z.B. im Kraftfahrer Club Deutschland e.V., um gegen Sozialdumping aktiv zu werden. Um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Dass die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Transportunternehmen wieder gewährleistet ist. Aber auch, dass die Lebensqualität der ausländischen Fahrern steigt, dass die regelmäßig ihre vorgeschriebenen Pausen außerhalb des LKW verbringen können und regelmäßig bei ihren Familien sind. Ein Gütesiegel "faire Logistik" könnte hier ein Zeichen setzen. "Faire Logistik" heißt, dass nachhaltig die soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft beachtet wird. Faire Logistik heißt, faire Frachten, faire Löhne, faire Lebensbedingungen für Fahrer! Andere Gütesiegel haben es vor gemacht - der Verbraucher achtet darauf und gibt gerne etwas mehr Geld aus, wenn nachweislich gewisse Regeln eingehalten werden. Wenn das Produkt teurer ist, können aber alle die an der Wertschöpfungskette beteiligt sind, auch davon leben und ihre Familien ernähren.Das deutsche Transportgewerbe steht vor dem Abgrund - nur ein weitgreifendes Umdenken bei allen beteiligten kann dies noch ändern. Es ist noch nicht zu spät .... aber viel Zeit ist nicht mehr. Viele schimpfen auf den LKW .... aber dass die Regale im Supermarkt leer wären, wenn der LKW nicht rollen würde, bedenken die wenigsten. Mitarbeiter von Industrieunternehmen können streiken, können damit das Werk lahmlegen und haben somit ein Druckmittel in der Hand, um für bessere Arbeitsbedingungen oder mehr Lohn zu kämpfen. Dieses Druckmittel haben die Fahrer nicht ..... denn dann fährt ein anderer LKW den Transport. Die Idee mit dem Gütesiegel "Faire Logsitik" ist sehr gut, weiter so - helfen Sie dabei, dass deutsche Transportgewerbe am leben zu erhalten. Mit freundlichen Grüßen Wolfgang Thormann Beratung für Transportunternehmen und Speditionen Pfaffenhofen a.d.Ilm


Uwe Berndt

11.08.2014 - 18:11 Uhr

Ein Siegel für korrekte Logistik? Im Grunde eine feine Idee! Aber: Wer will all die unterschiedlichen Akteure mit teilweise gegenläufigen Interessen unter einen glaubwürdigen Hut bekommen? Hier tut ein Interessenausgleich Not, der wirklich alle (!) Beteiligten an der Lieferkette einbezieht. Das letzte Glied in dieser Kette ist der Verbraucher, das unbekannte Wesen. Glaubt man dem Handel, ist dieser nicht gewillt, Mehrkosten zu tragen. Er schreit von morgens bis abends nach dem günstigsten Preis.Wer also soll den teuren - weil fairen - Transport bezahlen? Die Verlader wohl kaum. Und der Handel hört wie paralysiert auf seine Kunden - die Verbraucher.Aus meiner Sicht ist die gesamte Branche mehr denn je gefordert, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Leistungen dürfen auf keinen Fall unter Wert erbracht werden. Hinter jeder Einheit Leistung muss eine adäquate Einheit Geld stehen. Die Mindestlohn-Entscheidung belastet vor allem die Logistikdienstleister. Die müssen nun höhere Erlöse erzielen. Da machen die Verlader nicht mit (sieh oben). Ein klassisches Dilemma! Die Lösung: Ein offener runder Tisch, an dem auch Verbraucher Platz nehmen dürfen, moderiert von erfahrenen Mediatoren, die die richtigen Fragen stellen. Es folgt eine Selbstverpflichtung, eine mehrstufige Agenda - und eine bundesweite Kampagne. Die Kosten werden auf alle Schultern gerecht verteilt.Also, liebe VerkehrsRundschau, ganz herzlichen Dank für das tolle Heft mit einem wunderbaren Schwerpunktthema. Auch dieser Kommentar zeigt: Die Idee hat ihre Wirkung nicht verfehlt.Uwe Berndt, Mainblick - Agentur für Öffentlichkeitsarbeit


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