Berlin. Die große Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland sieht die Digitalisierung einer Studie zufolge überwiegend als Chance an. „Die Wirtschaft boomt, wir haben noch nie so viele Erwerbstätige wie heute gehabt”, sagte Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom am Dienstag auf der Konferenz hub.berlin. In der Politik sehe man derzeit jedoch eher Stillstand. „Chancen muss man nicht nur erkennen, man muss sie auch ergreifen,” sagte Berg und mahnte Tempo an. In der Politik sei dazu in den vergangenen Monaten nahezu nichts passiert. „Das Schlagwort Digitalisierung hat man in der letzten Zeit zwar häufig gehört, aber konkrete Lösungen liegen nicht auf dem Tisch.” Die Digitalisierung warte nicht auf Deutschland.
Viele Arbeitnehmer in Deutschland fürchten dagegen eine Vernichtung von Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung. Das geht aus dem am Dienstag vorgelegten BKK Gesundheitsreport hervor. Der Anteil derer, die einen Wegfall von Arbeitsplätzen befürchten, ist mit 38 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Beschäftigten, die Digitalisierung eher als Jobmotor sehen. Der größte Anteil der Befragten (45 Prozent) geht allerdings davon aus, dass sich der Wegfall und der Zuwachs von Arbeitsplätzen bei der Digitalisierung die Waage halten werden.
Post-Chef Appel: Neue Geschäftsmodelle durch Digitalisierung
Post-Chef Frank Appel trat auf auf der „hub”-Konferenz des Bitkom den Befürchtungen entgegen, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichte und Dinge viel zu kompliziert mache. Dabei gebe es gute Gründe, genau das Gegenteil anzunehmen. In vielen Fällen mache die Digitalisierung Dinge einfacher - und es würden neue Geschäftsmodelle kreiert.
So setzte die Post auf Elektromobilität und baue mangels geeigneter Angebote aus der deutschen Automobilbranche inzwischen seine eigenen StreetScooter. „Heute haben wir 5000 Fahrzeuge auf der Straße und liefern auch an andere Kunden”, sagte Appel.
Politik fehlt das Verständnis
Die Studie des Digitalverbandes Bitkom ergab, dass sich 85 Prozent der befragten Unternehmen wünschen, dass die Digitalisierung zum Top-Thema der künftigen Regierung wird. 53 Prozent meint jedoch, dass der Politik das Verständnis für das Thema fehle. 92 Prozent der Befragten sprach sich dafür aus, dass die Digital-Strategie in der künftigen Regierung an einer zentralen Stelle koordiniert wird.
Trotz der großen Erwartungen in die digitale Transformation in der Wirtschaft sehen dennoch 25 Prozent der Unternehmen durch die Entwicklung die eigene Existenz gefährdet. 60 Prozent sehen sich als digitale Nachzügler, 57 Prozent erleben, dass Wettbewerber aus der Internet- und IT-Branche auf ihren Markt drängen.
Aus dem BKK-Report geht hervor, dass mehr als zwei Fünftel der Beschäftigten nach eigenen Angaben durch die Digitalisierung Aufgaben schneller sowie mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Mehr als jeder Fünfte gibt an, sich durch die Digitalisierung überlastet beziehungsweise ausgebrannt zu fühlen. 29 Prozent erledigen auch in ihrer Freizeit Arbeit.
Digitalisierung als fester Bestandteil der Arbeit
Bezüglich der psychischen Gesundheit sehen 28 Prozent der Befragten eine stärkere Belastung durch die Digitalisierung. Nur einer von zehn Befragten fühlt sich dagegen eher weniger belastet. Die Mehrheit sieht sich durch die Auswirkungen der Digitalisierung ihrer Arbeit nicht mehr oder weniger gesundheitlich beeinträchtigt.
Für mehr als jeden zweiten Beschäftigten ist die Digitalisierung fester Bestandteil der Arbeit, für weitere 38,5 Prozent spielen entsprechende Werkzeuge zumindest zeitweise eine wichtige Rolle. (dpa/sno)
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