Digitale Zeugen

Wer auffährt, ist schuld", diesen Spruch hat schon so manch einer gehört, auch wenn eigentlich der Vorausfahrende plötzlich ohne Grund abbremst und den Unfall verursacht hatte. Doch vor allem wenn kein Zeuge vor Ort ist, steht oft Aussage gegen Aussage. Das hat sich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Einsatz von Dashcams jetzt geändert. Denn wer eine Dashcam nutzt, die nicht permanent aufnimmt, hat gute Chancen, dass das Videomaterial vor Gericht als Beweis anerkannt wird (siehe Artikel Recht und Geld "Minikameras: Was ist erlaubt und was nicht?" ab Seite 36). Was muss eine Dashcam mitbringen, damit das Material auch aussagekräftig ist? Die VerkehrsRundschau hat eine Woche lang fünf Dashcams im Lkw getestet. Bei der Auswahl achtete die Redaktion darauf, ein möglichst breites Preisspektrum von etwa 45 bis 240 Euro abzubilden. Gleichzeitig waren die Modelle von Kundenrezensionen, aber auch von der Fachpresse bereits gut bewertet worden (Auswertung siehe Tabelle ab Seite 42). Einige Kameras wie die TrueCam A7s waren mehrmals Testsieger ihrer Klasse. Loop-Aufnahme und G-Sensor Um vor Gericht zulässige Bilder zu liefern, sollte eine Dashcam eine Loopfunktion und einen Bewegungssensor (G-Sensor) haben. Loop-Aufnahme bedeutet, dass die Kamera kontinuierlich (je nach Einstellung alle ein bis fünf Minuten) neue Videoclips anfertigt und dabei die alten überspielt - nur so ist das Gerät rechtskonform. Beim Betrieb im Lkw ist es empfehlenswert, eine Dashcam zu nutzen, die in brenzligen Situationen selbstständig das Material sichert, etwa mittels G-Sensor. Denn ordnungsgemäß gehört eine Dashcam mittig auf die Windschutzscheibe, im Lkw ist das nicht unbedingt in der Griffweite des Fahrers. Das macht manuelles Auslösen während der Fahrt gefährlich. Im Fall aller fünf getesteten Kameras übernimmt das Speichern der G-Sensor, der außergewöhnliche Bewegungen (plötzliches Abbiegen oder starkes Bremsen) registriert und bei Erkennen automatisch die Videosequenz absichert. Eine Alternative dazu ist eine Sprachsteuerung, wie sie die Garmin CAM 65W anbietet. Apropos Speichern: Es empfiehlt sich beim Kauf, gleich eine mindestens 16 Gigabyte große Speicherkarte mitzubestellen. Nur ein Modell - das teuerste - bringt im Lieferumfang eine Mini-SD-Karte mit. Befestigung Bei unseren Testmodellen gab es zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Befestigung: Einige Geräte nutzen eine Saugnapf-Halterung, andere werden mithilfe eines Klebepunktes angebracht. Ersteres ist Fahrern zu empfehlen, die ihr Gerät öfters in verschiedenen oder nicht eigenen Fahrzeugen verwenden, denn der Klebepunkt ist oft schwer zu entfernen. Bei Saugnapf-Halterungen spielt die Qualität eine große Rolle. Die billig verarbeitete Halterung der Akaso Cam C200 brach gleich bei der ersten Anbringung, damit ist die Kamera in der Praxis nicht mehr zu gebrauchen. Design und Bedienung Dashcams gibt es in verschiedensten Größen und Designs. Bei der Größe sollte beim Kauf darauf geachtet werden, dass das Gerät nicht das Blickfeld des Fahrers stört, aber gleichzeitig auch nicht so klein ist, dass die Bedienung schwierig wird. Manche Geräte haben keinen Bildschirm, diese werden mithilfe einer App gesteuert. Zwar kann das Display den Fahrer nicht ablenken, allerding ist der Nutzer von der App abhängig. Wenn diese aus irgendeinem Grund nicht mehr auf dem Handy funktioniert (kann vor allem bei Produkten aus China passieren), lässt sich die Kamera nicht mehr nutzen. Es empfiehlt sich also ein Modell mit einem Bildschirm, der sich während der Fahrt automatisch oder manuell abschalten lässt. Egal wie die Dashcam gesteuert wird, bei der Bedienung trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Test zeigte sich schnell, welche Kamera sich intuitiv steuern ließ und wo die Gebrauchsanweisung gewälzt werden musste. Vor allem die günstigen Modelle nutzten teils kryptische Übersetzungen à la Google Translate in ihren Anleitungen. Dann muss man sich selbst in die Bedienung des Gerätes hineinfuchsen, was dazu führen kann, dass Fehler unterlaufen. Aufnahme-Qualität Bei allen Spielereien soll eine Dashcam letzten Endes als Beweismittel dienen. Heißt: Die Aufnahme muss möglichst aussagekräftig sein. Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Erstens das Objektiv: Dabei geht es nicht nur um die Qualität, sondern auch den Aufnahmewinkel. Je breiter (idealerweise 180 Grad), desto mehr ist von der Fahrbahn zu sehen. Das kann bei Abbiegeunfällen helfen. Zweitens ist auch die Auflösung wichtig: Geräte, die in HD aufnehmen (1080p), stellen Details schärfer dar. Im Test filmten zwar alle Kameras in HD oder besser, dennoch zeigten sich teils große Unterschiede, vor allem bei Nacht-Aufnahmen und der Lesbarkeit der Kfz-Schilder. Solange die Lichtverhältnisse gut waren, gaben alle Kameras zufriedenstellende Bilder ab. Zusatz-Funktionen Nicht alle Dashcam-Funktionen sollten genutzt werden. Manche sind sogar rechtswidrig. Fraglich ist zum Beispiel die Timelapse-Funktion, die mehrere Geräte anbieten. Dabei wird eine stundenlange Fahrt im Zeitraffer gezeigt. Rechtlich gesehen verstößt die permanente Aufzeichnung gegen das Datenschutzgesetz. In einer rechtlichen Grauzone steckt der Radarwarner, der in der Garmin und der TrueCam verbaut ist. Der reine Besitz ist nicht strafbar, wer in einer Verkehrskontrolle mit einem aktivierten Blitzerwarner erwischt wird, muss jedoch ein Bußgeld von 75 Euro zahlen. Es geht aber auch anders. So sind der Spurhalteassistent und der Abstandsmesser der TrueCam AS7 nützlich. Auch integriertes GPS, wie es die Testmodelle ab 100 Euro anbieten, kann vor Gericht hilfreich sein. Die gespeicherten Daten (Koordinaten und Geschwindigkeit) werden als Aufnahmestempel auf dem Video der Cam abgebildet. Fazit Zurück zur Anfangsfrage: Was darf oder sollte so ein Gerät kosten? Hier gilt wie so oft, wer billig kauft, zahlt doppelt. Wer nur eine kleine Spielerei sucht, um lustige Aufnahmen von seiner Fahrt zu machen, kann guten Gewissens zu einem günstigen Modell greifen. Hier ist die Menüführung aber oft verwirrend und die Bildqualität besonders nachts schlecht. Im Test passierte es öfter, dass die Kameras im falschen Aufnahmemodus filmten, was für den Nutzer nicht eindeutig ersichtlich war. Das führte dazu, dass die Kamera anstatt einer einfachen Loop-Aufnahme einen Timelapse durchführte. Auch brach die Halterung der Akaso-Cam bei der ersten Anbringung. Eine eindeutige Kaufempfehlung kann erst für die NavGear MDV-2920 ausgesprochen werden. Für etwa 100 Euro hat sie wenig Schnickschnack, dafür aber alles, was eine Dashcam braucht: ein gutes Menü, eine robuste Halterung, gute Bildqualität und eine GPS-Funktion. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Sicherheit www.verkehrsrundschau.de/dossiers