Die wahre Bedeutung der Frachtenbörsen

Vergleiche hinken bekanntlich häufig. Aber mit Vergleichen lässt sich die Welt manchmal so wunderbar einfach erklären. Deshalb auch hier ein Versuch: Mit den Frachtenbörsen ist es zumindest bei den Transportunternehmen so wie mit der "Bild"-Zeitung: (fast) alle schimpfen über sie, aber gelesen wird sie trotzdem. Manche gehen sogar so weit, dass sie in der Öffentlichkeit die "Bild" meiden wie der Teufel das Weihwasser, sie aber heimlich doch lesen. So soll es auch manchem Fuhrunternehmen mit den Frachtenbörsen ergehen. So viel zu der Gerüchteküche. Doch die VerkehrsRundschau wollte es genauer wissen. Im Rahmen der Erhebung zum VerkehrsRundschau-Index, der von der Unternehmensberatung Bearing-Point unterstützt wird, sind die Logistikdienstleister und Verlader befragt worden, in welchem Ausmaß sie Frachtenbörsen nutzen und wie sie diese Plattformen beurteilen. Frachtenbörsen keine Allzweckwaffe Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Sendungen im Transportmarkt nicht über solche Börsen gehandelt wird. Für die Betreiber der Plattformen ein Hinweis, dass es offenbar immer noch Luft nach oben gibt. Das kann andererseits aber auch heißen, dass es gute Gründe gibt, warum für eine Vielzahl von Sendungen Frachtenbörsen nicht der geeignete Absatzkanal sind. Immerhin geben 30,3 Prozent der Logistikdienstleister an, dass sie keine Frachtenbörsen nutzen (Ausschreibungsplattformen sind explizit ausgenommen worden). Weitere 30,3 Prozent scheinen dort nur in Ausnahmefällen nach Sendungen Ausschau zu halten: Zumindest erwirtschaften sie damit nur ein bis unter fünf Prozent ihres Auftragsvolumens. 37 Prozent geben an, dass von ihrem Umsatz fünf Prozent und mehr auf Frachtenvermittler im Internet entfallen (siehe auch Grafik Seite 24).Bei den Verladern scheinen Frachtenbörsen eine geringere Bedeutung zu spielen. Fast 50 Prozent arbeiten nicht damit. Weitere 16,2 Prozent nutzen sie nur in Ausnahmefällen (zwischen ein und fünf Prozent des Gesamtumsatzes). 28,4 Prozent geben an, dass von ihrem gesamten Transportauftragsvolumen (gemessen am Umsatz) mehr als fünf Prozent über Frachtenbörsen vergeben wird. Sowohl bei den Verladern wie bei den Dienstleistern ist der Anteil derjenigen, die Frachtenbörsen zu mehr als 40 Prozent nutzen, mit 4,1 Prozent (Verlader) und 1,0 Prozent (Dienstleister) sehr gering. Doch wo sehen die Beteiligten Vorteile und was kritisieren sie an den Börsen? Auch dazu hat die VerkehrsRundschau die Teilnehmer am VR-Index befragt. Dabei sollten sie die drei am ehesten zutreffenden Antworten ankreuzen. Sowohl bei den Dienstleistern als auch bei den Verladern sagen die meisten: Frachtenbörsen sind eine zusätzliche Option, um an Ladungen respektive Frachtraum heranzukommen. Bei den Dienstleistern urteilt so fast jeder Zweite (47,5 Prozent) über die Plattformen. In der verladenden Wirtschaft sind es sogar 55,4 Prozent. Warum die Plattformen einen zwiespältigen Ruf bei den Transportdienstleistern haben, wird deutlich bei der am zweithäufigsten angekreuzten Eigenschaft: 40,4 Prozent der Dienstleister vertreten nämlich die Ansicht, dass Frachtenbörsen die Marktpreise im Frachtmarkt drücken. Auf Platz drei der am häufigsten genannten Eigenschaften aus Sicht der Transportdienstleister landen zwei Merkmale: So führen Frachtenbörsen laut 25,3 Prozent der Dienstleister dazu, dass vermehrt ausländische Anbieter bei Transportaufträgen zum Zuge kommen. Genauso viele Dienstleister vertreten die Ansicht, dass Frachtenbörsen einen guten Einblick über die aktuelle Laderaum- und Preissituation im Transportmarkt liefern. Offenbar nutzen nicht nur die Verlader, sondern auch eine Reihe von Dienstleistern elektronische Plattformen, um herauszufinden, wie auf dem Transportmarkt die aktuelle Angebots-, Nachfrage- und Preissituation ist. Rückfracht: Nicht so häufig ein Thema Überraschend niedrig fällt der Anteil derjenigen Dienstleister aus, die der Ansicht sind, dass sich mit Frachtenbörsen am ehesten Rückfrachten gewinnen lassen (24,3 Prozent). Ist doch immer wieder zu hören, dass viele Transportunternehmen gerade deshalb einen Blick in die Börsen werfen. Ein immer wieder genannter Kritikpunkt an Frachtenbörsen ist die Sicherstellung der Bezahlung der Fracht. Immerhin jeder fünfte Dienstleister (21,2 Prozent) beklagt, dass die Bonität der Auftraggeber in Frachtenbörsen unbekannt ist und dass dies das Zahlungsausfall-Risiko verschärft. 16,2 der Dienstleister sehen es als Nachteil an, dass sich keine langfristigen Geschäftsbeziehungen aufbauen lassen. Die Vorteile von Frachtenbörsen, dass der Aufwand sehr gering ist, um an Aufträge zu kommen, nennen 10,1 Prozent der Dienstleister. Auch die Möglichkeit, über die Plattformen Geschäfte mit Unternehmen abschließen zu können, an die man im Alltag nicht herankommt, wird nur von 9,1 Prozent der Dienstleister genannt. Und wie beurteilen die Verlader die Frachtenbörsen? Neben der Feststellung, dass Frachtenbörsen eine zusätzliche Option sind, um an Frachtraum zu kommen (55,4 Prozent), wird am zweithäufigsten hervorgehoben, dass Frachtenbörsen einen guten Überblick über die aktuelle Laderaumund Preissituation im Transportmarkt bieten (32,4 Prozent). Auf Platz drei der Beurteilung wird die hohe Transparenz über die verfügbaren Anbieter genannt (18,9 Prozent). Knapp dahinter zählen 17,6 Prozent den Vorteil auf, dass man über Frachtenbörsen Geschäfte mit Unternehmen abschließen kann, an die man im Alltag nicht herankommt. Danach gibt es eine breite Streuung verschiedener Eigenschaften: Frachtenbörsen sind ein gutes Instrument, wenn man zu günstigen Preisen eine Sendung verschicken will, wird von 12,2 Prozent der Verlader genannt. Ebensoviele sind der Auffassung, dass man dort fast immer einen geeigneten Dienstleister findet. Auffällig ist, dass es sich bei den Eigenschaften, die am häufigsten von den Verladern genannt werden, ausschließlich um positive Eigenschaften handelt. Ein Indiz dafür, dass die Verlader die Frachtenbörsen deutlich positiver einschätzen als die Transportdienstleister. Die erste negative Eigenschaft landet weit hinten: 12,2 Prozent der Verlader sagen, dass die Transportdienstleister auf Frachtenbörsen qualitativ nicht den Anforderungen entsprechen. Nur 5,4 Prozent der Verlader sagen, dass man auf Frachtenbörsen nur selten einen geeigneten Dienstleister findet. Ganze 2,7 Prozent der Verlader sind der Meinung, dass dort die Frachtraten zu hoch sind. Im Umkehrschluss heißt das: Die Verlader sind mit den Preisen auf den Frachtenbörsen ganz zufrieden. Kein Wunder also, dass die andere Marktseite diese Meinung nicht teilt und viele Frachtführer sagen, dass die Börsen die Marktpreise eher drücken. Der VR-Index: die Frage des Quartals Jedes Quartal lässt die VerkehrsRundschau (VR) von dem unabhängigen Marktforschungsinstitut Kleffmann die Transportpreise im Straßengüterverkehr erheben. Die Ergebnisse fließen in den VR-Index ein. Außerdem wird eine Frage zu einem aktuellen Thema gestellt. Der VR-Index für das zweite Quartal 2014 erscheint in der VR 27. Unterstützt wird der Index von der Unternehmensberatung Bearing-Point. cd Zweistelliger Zuwachs bei Timocom und Teleroute Gefragte Frachtenbörsen Frachtenbörsen sind in der Regel international unterwegs. Und da es mit dem Konjunkturverlauf in Europa nicht überall so gut aussieht wie in Deutschland, ist es nicht garantiert, dass die Plattformen mehr zu tun haben. Zumal die Konkurrenz unter den Frachtenbörsen groß ist. Doch zumindest bei Timocom, präsent in 45 Staaten, stehen die Zeichen auf Wachstum:"In den ersten vier Monaten in 2014 liegen die Fracht- und Laderaumangebotszahlen 19,9 Prozent über dem Vergleichszeitraum", sagt Marcel Frings, Chief Representative von Timocom. Schon 2013 wuchs die Zahl der Angebote zweistellig um 16,6 Prozent auf 54,7 Millionen Angebote. "Auch im Neukundenbereich liegen wir in den ersten vier Monaten 2014 höher als im Vorjahr", so Frings. 2013 wuchs die Neukundenliste um 7068 Unternehmen an, also 589 neue Kunden pro Monat. Zuwachs verzeichnet Timocom in nahezu allen Ländern, laut Frings aber vor allem in Deutschland, Frankreich, in den Niederlanden sowie in Rumänien, Litauen und Polen.Ebenfalls ein starkes Wachstum registriert die Plattform Teleroute, ein Unternehmen der Wolters Kluwer Transport Services (WKTS). Seit Anfang des Jahres steht laut Govert Versluis, Regional Manager bei WKTS, ein Plus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu Buche. Als Hauptgrund für das zunehmende Interesse nennt er die verbesserte wirtschaftliche Situation in Europa. Die größten Zunahmen verzeichnete die in 80 Staaten vertretene Plattform in Rumänien und Polen. Aber auch in Deutschland ist Teleroute laut Versluis zweistellig gewachsen. cd