Die Privatisierung hemmt

Es ist keine leichte Zeit für den Cargo-Bereich von Trenitalia, hundertprozentige Tochtergesellschaft der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato (FS). Denn der Jahresgewinn im Gesamtkonzern sank 2014 gegenüber dem Jahr 2013 um 34 Prozent von 460 Millionen (Mio.) Euro auf 303 Mio. Euro. Zudem bemüht sich die Regierung Renzi hartnäckig um eine Privatisierung der Bahn, um auf EU-Ebene zu zeigen, dass sich Italien um einen besseren Finanzhaushalt bemüht. Doch diese Debatten blockieren die Unternehmenspolitik und verunsichern die Mitarbeiter. Dabei sah es in den vergangenen Jahren eigentlich recht gut aus. Ein Teil der hohen Verschuldung von Trenitalia, die noch 2007 mit 5,67 Milliarden Euro beziffert wurde, konnte durch gute Netto-Jahresgewinne und eine enorme Reduzierung des Personals von (von 50.183 Mitarbeitern im Jahr 2006 auf 32.139 Mitarbeiter im Jahr 2014) abgebaut werden. Züge sollen länger werden Auch die Cargo-Division spielt auf dem europäischen Güterverkehrsmarkt eine gute Rolle. Eine Rolle, die laut Bahnchef Michele Mario Elia weiter ausgebaut werden soll: "Wir arbeiten daran, in Italien einen neuen Transportservice ins Leben zu rufen, damit wir mit unseren Zügen innerhalb der nächsten anderthalb Jahre in der Lage sind, Lkw von Gioia Tauro bis zum Brenner zu transportieren", betonte er vor wenigen Wochen am Rande der Expo 2015 in Mailand. Zudem arbeite man an einer größeren Gesamtlänge der Güterzüge. Statt der bislang üblichen 350 bis 400 Meter Zuglänge bei Trenitalia Cargo sollen Gesamtlängen von bis zu 700 Metern eine weitaus höhere Transportkapazität bieten. Gesetzt wird dabei auf Ganzzüge. Der Einzelwagenladungsverkehr wurde weitestgehend eingestellt. Trenitalia Cargo besitzt mehr als 25.000 Güterwaggons und brachte es 2014 auf 23,2 Milliarden Tonnenkilometer (+1,5 Prozent gegenüber 2013). 448 Elektroloks und 70 Dieselloks werden täglich für 450 Gütertransporte eingesetzt. Möglich machen dies unter anderem die guten italienischen Anbindungen an die wichtigsten Bahnkorridore Europas und die Rolle als Partner für zahlreiche Transporte von Exportgütern wie Autos und Stahl. Dank der Tochter TX Logistik können Ziele bis nach Skandinavien angesteuert werden. TEN-Netze als Impulsgeber Neue Entwicklungschancen für Trenitalia Cargo bietet zudem das europäische Projekt TEN-T. "Italien ist an vier der zehn von der EU definierten Korridore angebunden", so Cargo-Chef Mario Castaldo. "Trenitalia Cargo wird nicht unvorbereitet dastehen, da unser Cargo-Bereich für viele italienische Industriesektoren eine Referenz ist, insbesondere was den Warentransport ins Ausland angeht." Die FS haben daher zusammen mit dem Schienennetzbetreiber Rete Ferroviaria Italiana (RFI) einen Investitionsplan erstellt, der in den kommenden drei Jahren die bestmögliche Anpassung der Hauptlinien ermöglichen soll. Dabei stehen vor allem intermodale Transporte im Fokus. Angestrebt wird auf italienischer Seite eine Verbindung der Haupthubs in Europa mit den wichtigsten italienischen Häfen, auch denen in Süditalien. Hier tauchen jedoch Probleme auf: Einerseits, weil nicht jede Hafeninfrastruktur die geforderten Entwicklungen erlaubt. Andererseits, weil derzeit der Umschlag an den Häfen besonders kostspielig und qualitativ nicht angemessen ist. Daher sind zusätzliche Investitionen notwendig, um eine Anbindung an das Schienennetz überhaupt möglich zu machen. Wesentlich besser läuft es da für Italien am Gotthard-Tunnel: "Wir befinden uns im Einklang mit unseren schweizerischen Kollegen, um sämtliche Arbeiten zu tätigen, die zur Verbesserung der Kapazität, Frequenz und Qualität der Transportleistungen von Trenitalia Cargo führen - und zwar sowohl am Gotthard-Tunnel als darauffolgend auch am Lötschberg", so Castaldo. Die Ferrovie Italiane sei damit beschäftigt, für eine gute Anbindung zu sorgen - sowohl auf der Achse Chiasso-Mailand als auch auf dem Schienenstück, das von Luino über Novara bis hin nach Mailand führt. In Mailand rüste man außerdem den Rangierbahnhof auf eine größtmögliche Kapazität um. Das betonte Castaldo im März 2015. Seitdem sind Interviews Mangelware. Anfragen von Journalisten zu strategischen Entscheidungen werden von der Unternehmensführung derzeit nicht beantwortet, da im Hintergrund tief greifende geschäftliche Umstrukturierungen laufen - und wohl auch, um mögliche Investoren in ihrer Entscheidung nicht zu sehr zu beeinflussen. Privatisierung geplant für 2016 Zwar hält Trenitalia Cargo nach Unternehmensangaben weiterhin am Großteil der bereits erklärten Ziele fest, doch alles weitere wird wohl erst dann an die Öffentlichkeit dringen, wenn entschieden ist, welche Unternehmensbereiche privatisiert werden sollen und wer in Zukunft an der Spitze der Ferrovie dello Stato stehen wird. Geplant ist die Privatisierung für das Jahr 2016. Finanz- und Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan lässt sich ebenso wie Ministerpräsident Matteo Renzi von diesen Plänen nicht abbringen. Im Gespräch sind sechs bis zehn Milliarden Euro, die der Staat über eine Teilprivatisierung zur Entlastung des Staatshaushaltes erhalten könnte. Doch für mögliche Geldgeber bleiben die Ferrovie dello Stato ein Risikogeschäft, da ihr Wert unwiderruflich mit den Investitionen und politischen Entscheidungen zusammenhängt, die von staatlicher Seite aus beschlossen werden. Der geplante Gang an die Börse wird also ein schwerer, wenn auch einer, der über die Zukunft des Unternehmens entscheiden wird. Die Serie Die großen Güterbahnen In unserer Serie stellen wir die großen (Staats-)Güterbahnen in Europa vor- Teil 1: DB Schenker Rail (VR 27)- Teil 2: Rail Cargo Group (VR 28)- Teil 3: PKP Cargo (VR 29)- Teil 4: SBB Cargo (VR 31)- Teil 5: Trenitalia Cargo (VR 32/33)- Teil 6: Fret SNCF (VR 34/35) Trenitalia-Partner TX Logistik große Stütze Trenitalia und ihr Cargo-Bereich arbeitet auf europäischer Ebene mit zahlreichen Transportunternehmen zusammen. Dazu gehören AFA, Alpe Adria, Cemat, FS Logistica, Intercontainer, Italcontainer, Terminali Italia, Pol-Rail, Serfer, S.G.T., Trenitalia Logistics France und TX Logistik, mit denen Trenitalia Kooperationen pflegt oder an denen Trenitalia Anteile hält. Wichtigster Player auf deutschem Boden ist die TX Logistik, an der Trenitalia seit 2011 zu 100 Prozent beteiligt ist. Über TX Logistik hat Trenitalia Cargo Zugang in viele nord- und mitteleuropäische Länder erhalten und damit eine Verbindung in die wichtigsten europäischen Industriegebiete aufbauen können. TX Logistik fährt mehr als 360 Züge wöchentlich und kann auf 60 Lokomotiven und 1000 Güterwaggons zurückgreifen. 2014 wurde ein Umsatz von 250 Millionen Euro erwirtschaftet. nj

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