Brüssel. Die politischen Maßnahmen zur Verlagerung des europäischen Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene sind in den letzten 15 Jahren weitgehend wirkungslos geblieben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Europäischen Parlamentes. Danach muss die Bahn gegen strukturelle Entwicklungen ankämpfen, die den Straßentransport begünstigen. Diese Entwicklung ist in Westeuropa weiter fortgeschritten als in den Ländern, die der EU seit 2004 beigetreten sind.
Grundsätzlich ist die Wahl des Transportmittels vom Produkt und vom Land abhängig. Auf der Schiene werden vor allem Massengüter befördert: Kohle, Gas, Rohöl und Ölprodukte, Metalle und Metallerze sowie chemische Produkte. Bei allen anderen Produkten liegt der Anteil der Bahn unter dem der anderen Verkehrsträger.
Bahn verliert in Osteuropa rasant an Marktanteilen
Im Norden und Osten der EU werden tendenziell mehr Güter auf der Schiene befördert als im Süden und Westen. Allerdings verliert die Bahn im Osten rasant Marktanteile. In den 13 neuen EU-Mitgliedsstaaten stieg die auf der Straße transportierte Gütermenge von 2000 bis 2012 um 137,7 Prozent, auf der Schiene ging sie um 3,4 Prozent zurück.
In den alten EU-Staaten verlief die Entwicklung andersherum: der Straßentransport sank um 7,1 Prozent, auf der Schiene wurden 2,6 Prozent mehr Güter befördert. In Deutschland legte die Schiene (+33%) deutlich stärker zu als die Straße(+9%). 2012 betrug der Anteil der Schiene (in Tonnenkilometer) bei Inlandtransporten 23 Prozent.
Insgesamt hat der Lkw seine führende Position im Güterverkehr in dem genannten Zeitraum EU-weit ausgebaut von 43 auf 45 Prozent zu Lasten der Bahn, deren Anteil von 12 auf 10 Prozent zurückging. Die anderen Verkehrsträger konnten ihren Anteil am gesamten Gütertransport in etwa halten: Seeschifffahrt 37 Prozent sowie Binnenschifffahrt und Pipelines jeweils 3,5 Prozent.
Lkw hat seine führende Position ausgebaut
Für diese Entwicklung haben die Wissenschaftler des Parlamentes gesamtwirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Ursachen ausgemacht. Ein wichtiger Trend, der gegen die Bahn arbeitet, ist die sinkende Bedeutung der Industrie. Damit sinkt auch der Anteil der typischerweise von der Bahn transportierten Güter. Statt dessen entstehen neue regionale Zentren mit spezialisierten Produktions- und Dienstleistungsketten, die eine komplexe Logistik erfordern. Auch der Internethandel erfordert neue Transportketten, vor allem innerhalb der urbanen Ballungsräume. Im Ergebnis müssten „geringere Volumina in kürzeren Abständen transportiert werden, was den Straßentransport gegenüber der Bahn wettbewerbsfähiger macht“.
Der Straßengüterverkehr wächst deswegen tendenziell etwas schneller als die gesamte Wirtschaftsleistung, der Gütertransport auf der Schiene wächst immer langsamer.
Das macht sich auch in den Entscheidungen der Manager bemerkbar, die sich für den einen oder den anderen Verkehrsträger entscheiden. Für sie spielen neben dem Preis auch Qualitätsmerkmale eine wichtige Rolle: Zuverlässigkeit, Sicherheit, Verfügbarkeit, Umweltfreundlichkeit. Hier muss die Bahn offenbar mit einem schlechten Image kämpfen, das auch den kombinierten Verkehr betrifft. Das macht sich vor allem dort bemerkbar, wo die Entscheidung über den Verkehrsträger vom Verlader selber getroffen wird. Transporte, die von Spediteuren organisiert werden, finden häufiger mit der Bahn statt. Die Manager verfügen hier über mehr Daten und Instrumente, um eine genaue Analyse jeder einzelnen Transportkette vorzunehmen. Dort, wo diese Möglichkeit nicht besteht, hat der Lkw auch deswegen bessere Chancen, weil der Draht zwischen Kunde und Auftraggeber oft kürzer ist. Gerade kleine Firmen greifen lieber zum Straßentransport, weil sie komplexe Transportketten schlechter überblicken und bei der Bahn einer wenig flexiblen Bürokratie gegenüber stehen. (tw)