Die Nulllinie rückt näher

Die derzeitige Stimmung im Transport- und Logistikgewerbe ist durchaus positiv, wie die Ergebnisse diverser Umfragen - vom Logistikindikator der Bundesvereinigung Logistik (BVL) bis hin zur monatlichen Umfrage des Ifo-Instituts - zeigen. Doch das wirtschaftliche Umfeld verbreitet alles andere als Zuversicht. Die Achterbahnfahrt an den Börsen letzte Woche, das rückläufige Wachstum in China, die andauernde Krise in Russland, die niedrigen Zinsen: So mancher Experte verleitet dies zu der Aussage, dass die Weltwirtschaft und damit Deutschland nicht mehr weit entfernt sind von einer Wirtschaftskrise. Die aktuelle Kurzfristprognose, die das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat und erstmals von Transport Consulting International Röhling erstellt wurde, sagt für den Güterverkehr in Deutschland jedoch weiterhin ein Plus voraus. Allerdings sinkt das Wachstum von Jahr zu Jahr. Nach einer Zunahme der Transportleistung von 1,3 Prozent in den Jahren 2014 und 2015 fällt die Prognose auf 1,0 Prozent für 2016 und schließlich 0,9 Prozent für 2017. Bauwirtschaft: vom Treiber zum Bremser Ein wesentlicher Grund für die schwächere Entwicklung sind die wirtschaftlichen Leitdaten. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland ist rückläufig, von 1,8 Prozent (2015 und 2016) auf 1,3 Prozent (2017). Ein Grund ist die Abschwächung des Konsums, der die letzten Jahre eine Stütze der konjunkturellen Entwicklung war. Die geringere Konsumneigung bleibt nicht ohne Folgen für den Güterverkehr: Sie ist ein Grund, warum der Binnenverkehr in Deutschland rückläufig ist, während internationale Transporte zulegen. Deutschland als Transitland: Eine Feststellung, die aktueller denn je ist. 2015 sagen die Experten noch ein minimales Plus bei der Verkehrsleistung in Höhe von 0,5 Prozent für den Binnenverkehr voraus. 2016 sinkt der Wert um 0,7 Prozent, ein Jahr später sogar um 0,9 Prozent, während der Transitverkehr im gleichen Jahr um 3,3 Prozent steigt. Ein weiterer wesentlicher Grund für den Einbruch der Binnenverkehre ist die rückläufige Entwicklung in der Bauindustrie. Laut Prognose ist damit zu rechnen, dass aufgrund wieder leicht steigender Zinsen und langen Planungszeiträumen für neue Bauvorhaben die Bauproduktion 2016 und 2017 etwas nachgibt. Für den Transportsektor spielt die Baubranche eine wichtige Rolle. Immerhin 25 Prozent aller transportierten Güter sind dem Güterbereich Steine und Erden zuzuordnen. Deren Transportwege sind eher kurz, weshalb vor allem der Binnenverkehr darunter leiden wird. Maßgeblich betroffen von dem Rückgang in der Bauwirtschaft ist der Straßengüterverkehr: Mehr als 90 Prozent dieser Gütergruppe transportiert der Lkw. Ein wesentlicher Grund, warum im Straßengüterverkehr 2016 und 2017 die Steigerungsraten sinken (siehe Grafik Seite 24). Deutsches Gewerbe im Rückwärtsgang Die schlechte Prognose für die Bauindustrie führt aber auch dazu, dass deutsche Lkw im Heimatland zunehmend Anteile verlieren. Denn im Nahverkehr sind sie überproportional vertreten, weshalb sie stärker unter der geringeren Bautätigkeit leiden als die Anbieter aus dem Ausland. Aber nicht nur im Nahverkehr (bis 50 Kilometer) müssen deutsche Fuhrunternehmen kleinere Brötchen backen (-0,6 und -1,0 Prozent bei der Verkehrsleistung 2016/2017), auch im Regionalverkehr bis 150 Kilometer (-0,3 und -0,7 Prozent) und im Fernverkehr ab 150 Kilometer (-0,1 und -0,6 Prozent; jeweils 2016/2017) sinkt die Transportleistung. Anders sieht es bei den ausländischen Fuhrunternehmen aus, die 2016 die Verkehrsleistung um 3,3 Prozent und 2017 um 3,1 Prozent verbessern können. Die Folge: Der Marktanteil ausländischer Fahrzeuge im deutschen Straßengüterververkehr steigt von 38,8 Prozent im Jahr 2014 auf 41,3 Prozent 2017. Eine Entwicklung, von dem der Schienengüterverkehr nur träumen kann. Für 2015 rechnen die Experten sogar mit einem leichten Minus (-0,1 Prozent) bei der Verkehrsleistung. Immerhin geht es danach leicht bergauf und es wird im Jahr 2017 das gleiche Wachstum wie im Lkw-Verkehr erreicht. Als ein Grund für die schwache Entwicklung wird in der Studie der Lokführerstreik genannt. Aber auch der Güterstruktureffekt - ein Rückgang der Transportnachfrage bei den Massengütern und der Trend zu kleinteiligeren Sendungen - dämpft das Wachstum bei der Bahn, die wie die Binnenschifffahrt ihre Stärken bei den Massengütern hat. Die Binnenschiffer schneiden besser ab, weil sie zum einen vom Lokführerstreik profitieren. Zum anderen streben die Seehäfen eine Verlagerung von Transporten auf die Flüsse an, wobei sich vor allem Rotterdam mit der Erweiterung der Maasvlakte als Treiber erweist. Weiterhin ein Wachstumsmarkt ist der Kombinierte Verkehr (KV). Den Bahnstreiks zum Trotz wurde 2014 (+3,6 Prozent bei der Verkehrsleistung) ein Wachstum erzielt und dies soll 2015 nicht anders sein (+2,3 Prozent). Wobei die Arbeitskämpfe nicht folgenlos geblieben sind, was sich an den wieder steigenden Zuwachsraten 2016 und 2017 ablesen lässt (+2,8 und 3,0 Prozent). Aber der KV profitiert davon, dass immer mehr Güter per Schiene transportiert werden und vom starken Wachstum im Außenhandel, der sich positiv auf den Seeverkehr auswirkt (jährliches Wachstum von mehr als zwei Prozent) und damit auch auf den Seehafenhinterlandverkehr. Mehr zum Thema im Dossier Logistikmarkt www.verkehrsrundschau.de/dossiers