Die neue Shopping-Lust

Das Übernahmekarussell in der Logistik dreht sich immer schneller - allein in den vergangenen zwei Wochen wechselten gleich mehrere namhafte Mittelständler der Transport- und Logistikbranche den Eigentümer. So wurde der Dortmunder Stahltransport-Spezialist Peter Krüger von Alders Transport übernommen, während IDS-Logistik-Partner Eberl sich gleich zwei Unternehmen einverleibte: erst Dusch in Ainring und nun Nutzfahrzeugvermieter KLV Rent in Trostberg. Auch das Speditionsunternehmen Paul Schockemöhle hat bereits gegenüber der VerkehrsRundschau verlauten lassen, im Süden Deutschlands in Kürze zukaufen zu wollen. Für das größte Aufsehen in diesem Jahr sorgte in der Speditionsbranche allerdings die südafrikanische Imperial Gruppe, die im Juni bekannt gab, ihre Firmensammlung um Palletways zu erweitern, einen Spezialisten für palettierte Expressfracht. Für Sorgenfalten sorgte nicht zuletzt auch die Raben Group, die im Frühsommer gleich drei deutsche Logistiker geschluckt hat. Und dazwischen gaben Mittelständler etliche Übernahmen bekannt, etwa Emons oder Hergarten. Wer da den Eindruck bekommt, dass in der Branche ein regelrechtes Dealfieber ausgebrochen ist, liegt richtig: Nach Recherchen des Beratungshauses Angermann gab es von Sommer 2015 bis Sommer 2016 so viele Übernahmen wie noch nie auf dem Logistikmarkt (siehe Interview Seite 18). Doch woher kommt der aktuelle Trend zu immer mehr Mergers & Acquisitions (M&A): "Es zeichnet sich ab, dass die Globalisierung ein Plateau erreicht hat. Organisch zu wachsen, also durch mehr Geschäft, ist für die Logistik aktuell nur noch in wenigen Teilmärkten, etwa im E-Commerce, möglich", erklärt Steffen Wagner, Experte für den Logistiksektor bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, Frankfurt/ Main. Die Folge sei: Gerade Branchengrößen versuchen durch Firmenkäufe zuzulegen. Doch welche Betriebe sind für Aufkäufer interessant - und welche bleiben vermutlich Ladenhüter? Eigene Geschäftsstruktur absichern Obwohl jeder Deal im Detail anders ist, lassen sich einige Muster erkennen. Sehr verbreitet ist das Kaufmotiv "Wir übernehmen ein Unternehmen, um neue Dienstleistungen anbieten zu können". Ein typisches Beispiel dafür ist die Entscheidung von Imperial, den Dienstleister Palletways zu kaufen. "Es geht für Imperial bei der Übernahme darum, die eigene Wertschöpfungskette zu erweitern und so wettbewerbsfähiger zu werden", analysiert Knut Heymann, M&A Management Consultant. Als Spezialist für Firmentransaktionen kennt er die Motive der Käufer gut: "Die Logistikkunden verlangen zunehmend den integrierten Dienstleister, der alles beherrscht: Kontraktlogistik, Luft- , See- und Landfracht." Wer das nicht bieten könne, habe bei Ausschreibungen das Nachsehen. Deshalb würden die nötigen Geschäftsbereiche zugekauft. Häufig dient eine Übernahme auch dazu, die bestehende Geschäftsstruktur abzusichern. Beispiel: Der Inhaber einer Spedition, die wichtiger Pfeiler einer Stückgutkooperation ist, will seinen Betrieb veräußern. Dann kommt es häufig vor, dass sich die Gesellschafter der übrigen Partner zusammentun und die Firma übernehmen, weil sie verhindern wollen, dass eine Lücke im Netzwerk entsteht. In die Kategorie Netzwerksicherung fallen beispielsweise die Kaufaktivitäten der Kölner Spedition Emons: Sie hatte im Frühsommer mit Lahmer Logistik (Ostfriesland) und der Biehle Spedition (Augsburg) zwei langjährige Partner übernommen. Dass ein Transportdienstleister nur wegen seiner "Hardware" erworben wird, kommt dagegen eher selten vor, und wenn doch, dann geht es meist um Spezialfahrzeuge, etwa für den Gefahrgut-Transport. Immer stärker: institutionelle Anleger Deutlich zugenommen hat die Zahl der ausländischen Unternehmen, die sich auf dem deutschen Markt nach Kaufobjekten umsehen. Auslöser ist hier schlichtweg die Globalisierung: Immer mehr Verlader sind europa- oder weltweit aktiv und erwarten von ihren Logistikern eine Präsenz im gesamten Markt. Da ein organischer Aufbau des Geschäfts in neuen Regionen oft zu lange dauert, kaufen sich die Dienstleister einfach Standbeine in den entsprechenden Ländern. Auf Shoppingtour war - neben Raben - zuletzt auch die schwedische Elanders Group, die sich Mitte Juni den Kontraktlogistiker LGI einverleibt hat. So könne man den Kunden in Europa die gleichen Dienstleistungen anbieten wie in Asien und auf dem amerikanischen Kontinent, erklärte Magnus Nilsson, CEO von Elanders. Neben den Ausländern treten zunehmend auch institutionelle Anleger (Private Equity) auf den Plan. "Viele Finanzinvestoren sind der Ansicht, dass der Logistikmarkt geradezu nach einer Konsolidierung schreit", sagt KPMG-Experte Wagner. Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass der ungarische Transportriese György Wáberer seinen Betrieb in diesem Jahr an eine Private-Equity-Gesellschaft veräußert hat. Die Imperial Holdings Limited Profi-Anleger verfolgen bei ihren Akquisitionen eine Strategie, die Profis als Buy & Build (Kaufen und Aufbauen) bezeichnen: Zunächst wird eine Firma aus der Branche als "Keimzelle" gekauft, der man dann nach und nach andere Betriebe mit passenden Geschäftsbereichen hinzufügt. Die Idee dahinter ist natürlich, auf diese Weise die begehrten Synergien zu erzielen. Wer zum Beispiel zwei Speditionsunternehmen erwirbt, die in der gleichen Nische aktiv sind, kann unter Umständen Verwaltung und Wartung des Fuhrparks zusammenlegen, spart so Geld und kann schlussendlich am Markt billiger anbieten. Hat das so zusammengekaufte Unternehmen Erfolg, veräußert es der Finanzinvestor weiter, häufig an ausländische Konzerne oder wiederum andere Finanzinvestoren. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen finden sich für solche Projekte reichlich Geldgeber. Wer Käufer findet, wer nicht Und wer sind die Ladenhüter, für den sich keine Aufkäufer interessieren? "Der typische Gemischtwarenladen mit rund 50 Lkw und etwa 30 Millionen Umsatz", meint Branchenkenner Heymann. Unternehmen dieser Art fänden in der Regel keine Kaufinteressenten. Das Problem: An einem solchen Betrieb ist für Outsider höchstens der Kundenstamm interessant, doch wie lange bleibt der erhalten? Viele Verträge laufen nur ein Jahr, und wenn sich die Übernahme-Prozedur ein halbes Jahr hingezogen hat, bleiben dem Firmenkäufer nur noch sechs Monate, in denen er auf die Umsätze mit dem Stammkunden zählen kann - wenn überhaupt. Denn in vielen Verträgen steht eine sogenannte Chance-of-Control-Klausel, die es dem Kunden erlaubt, den Kontrakt außerordentlich zu kündigen, wenn sich in der Gesellschafterstruktur des Dienstleisters etwas ändert. Einen Betrieb nur aufgrund seiner Kunden zu übernehmen, wird so zum Vabanquespiel. In der Hand eines Großen? Aber wenn die Großen immer mehr Kleine übernehmen - verschwindet da nicht die mittelständische Transportwirtschaft? Heymann winkt ab. "Das Argument höre ich seit 30 Jahren - ." Trotz aller Übernahmen sei die Branche nach wie vor weit davon entfernt, in der Hand einiger Großkonzerne zu landen - bis auf die Ausnahme des Paketmarktes vielleicht. Tatsächlich wird der deutsche Logistikmarkt weiterhin von mittleren und kleinen Anbietern dominiert, wie eine aktuelle Umfrage des Bundesamtes für Güterverkehr BAG belegt. Demnach betreiben aktuell 45.051 Unternehmen in Deutschland gewerblichen Güterkraftverkehr, davon haben 95 Prozent weniger als 50 Mitarbeiter. Von einer bedrohlichen Konzentration kann also nicht die Rede sein. "Auch wenn das M&A-Geschehen noch 30 Jahre weitergeht, ist der mittelständische Logistikmarkt nicht bedroht", stellt Heymann klar. Übernahmekarussell dreht sich weiter Experten rechnen damit, dass sich das Übernahmekarussell weiter drehen wird. KPMG-Experte Wagner rechnet als Nächstes mit einer M&A-Welle, die von der Digitalisierung ausgelöst wird. Hintergrund dafür: Immer mehr Start-ups bieten das Buchen von standardisierten Transportleistungen über spezielle IT-Plattformen an. Das bedroht das Geschäft der klassischen Speditionen, die so Gefahr laufen, den Kontakt zum Kunden zu verlieren und zum reinen Ausführer von Transporten zu werden. "Deshalb dürfte es verstärkt zu Übernahmen von Start-ups kommen", erwartet Wagner. Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Rekord bei Übernahmen und Fusionen Im ersten Halbjahr 2016 wurden insgesamt 35 Transaktionen auf dem Transport- und Logistikmarkt abgeschlossen oder angekündigt, an denen deutsche Unternehmen als Käufer und/oder Verkäufer beteiligt waren. Das entspricht einem Zuwachs gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 von knapp 17 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Erhebung von Angermann M&A International in Frankfurt/Main, einem Beratungsunternehmen, das auf Firmenübernahmen spezialisiert ist. Nicht nur die Zahl der Deals, sondern auch die Bewertungen haben demnach ein neues Rekordhoch erreicht. Als größte Transaktion wurde die vereinbarte Fusion von Hapag-Lloyd mit dem Schifffahrtsunternehmen UASC, Dubai, verzeichnet. Laut Angermann haben die M&A-Aktivitäten in allen Größenklassen zugenommen, vor allem über Ländergrenzen hinweg. cg VR-Tipps Was beim Kauf und Verkauf von Unternehmen wichtig ist Die wichtigsten Fragen, die sich Unternehmenschefs vor dem Kauf oder Verkauf von Firmen stellen sollte, empfiehlt Artur Spraul, Inhaber und Geschäftsführer der ASG Consult in Stuttgart.Unternehmenskauf- Welches Ziel wird beim Unternehmenskauf verfolgt (Ausbau und Stärkung der Wettbewerbsposition, Zukauf von Know-how, Diversifikation, Erzielung von Synergien, Erschließung von Märkten)?- In welcher Branche wird das Zielunternehmen gesucht? Welche Produkte und Dienstleistungen soll es anbieten? Ist eine regionale Eingrenzung gewünscht? Welche Synergien kann ich erzielen?- Welche Größenordnung soll das Zielunternehmen haben (Umsatz, Mitarbeiter, Rentabilität)? Wie hoch ist das maximale Investitionsvolumen?- Wie findet man das potenzielle Zielunternehmen? Ist ein strukturierter Suchprozess eines professionellen M&A-Beraters sinnvoll?- Analysieren Sie die wirtschaftliche Situation potentieller Zielunternehmen sehr genau (Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage, Kundenstruktur, Wettbewerber, Personalstruktur)! Welcher Kaufpreis ist angemessen?- Welche Risiken bestehen bei der Übernahme, zum Beispiel Abhängigkeit vom Alteigentümer, Kundenabhängigkeit, Altlasten, Mitarbeiter?- Wenn kein passendes Unternehmen gefunden wird, sind die eigenen gesetzten Anforderungen zu hoch?- Wie erfolgt die Finanzierung? Kann das Käuferunternehmen den Preis selbst stemmen oder ist es auf externe Kapitalgeber angewiesen? Welche öffentlichen Fördermittel können in Anspruch genommen werden?Unternehmensverkauf- Aus welchem Grund soll das Unternehmen verkauft werden? Aus Alters- oder sonstigen Gründen?- Sollen nur Anteile oder das gesamte Unternehmen verkauft werden? Sollen die Vermögenswerte (Asset Deal) oder die Gesellschaftsanteile (Share Deal) verkauft werden?- Welche Voraussetzungen sind für einen erfolgreichen Kauf/Verkauf zu erfüllen?- Wie hoch ist der Unternehmenswert? Wie lässt sich ein möglichst hoher Kaufpreiserzielen? Ist dieser realistisch?- Wie findet man den passenden Käufer? Sind die potenziellen Käufer persönlich,fachlich und strategisch geeignet?- Ist es sinnvoll, einen strukturierten Verkaufsprozess durchzuführen? In diesem wird versucht, zu einem bestimmten Zeitraum mehrere Kaufinteressenten zu finden. Das führt zu deutlich besseren Ergebnissen!- Zu welchem Zeitpunkt soll das Unternehmen verkauft werden?- In guten Zeiten wird ein deutlich höherer Preis erzielt!- Welche steuer- und zivilrechtlichen Aspekte gilt es zu berücksichtigen? Welche Steuern fallen beim Verkauf an?- Mindestens ein Jahr Vorlaufzeit einplanen. Der Verkauf eines Unternehmens ist oft ein langjähriger Prozess und erfordert ausreichend Geduld!- Kann das Unternehmen den Verkaufsprozess selbst leisten oder sollte dafür professionelle Hilfe genutzt werden!

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