Windschnittig im Profi-Test der VR: Macht der neue Volvo FH Aero 500 I-Save eine gute Figur

Das wäre schon eine Ansage: Bis zu fünf Prozent weniger Verbrauch verspricht Volvo Trucks für seine neuen Aero-Modelle - bezogen auf die weiterhin erhältliche Normal-Ausführung des Fernverkehrsmodells FH. Reine Laborzahlen oder lassen sich solche Werte in der Praxis tatsächlich einfahren? Das soll die Testfahrt mit diesem FH Aero 500 I-Save über die genormte VR-Runde klären. Dessen "Waffe" ist seine nach vorn verlängerte Front, mit der die Schweden als zweiter Hersteller in Europa (nach DAF) den neuen Längenvorschriften der EU Rechnung tragen. Danach darf die Front von Lastwagen weiter vorstehen, um dem Fahrtwind seinen Weg um den fahrenden Truck herum so glatt wie möglich zu gestalten. Und wo der Wind wenig Angriffsfläche vorfindet, fällt der zu überwindende Fahrtwiderstand entsprechend geringer aus. Die Folge: Der Antriebsstrang des Lastwagens muss sich weniger anstrengen, sprich weniger Energie aufwenden, wodurch der Kraftstoffverbrauch sinkt. Dieser Effekt zahlt sich natürlich umso mehr aus, je mehr Kilometer der FH bei hohem Tempo zurücklegt. Folgerichtig empfiehlt der Hersteller seinen Aero vorrangig für den Fernverkehrseinsatz. Transportunternehmen, die weniger Kilometer machen, greifen weiterhin besser zum Normalmodell, für das schließlich ein geringerer Kaufpreis fällig wird. Die Volvo-Kundschaft scheint durchaus aufgeschlossen, zumindest sichteten wir während unserer Testfahrten schon überraschend viele FH mit der neuen Frontverlängerung auf unseren Autobahnen. Laut Volvo Trucks greift aktuell knapp die Hälfte der deutschen Kunden, die im Fernverkehr unterwegs sind, bereits zum Aero-Modell. Test mit Referenz-Lkw Unser Volvo FH 460 I-Save mit Curtainsider von Schmitz Cargobull sorgt für vergleichbare Testergebnisse. Dafür wurde die VR-Testrunde unter guten Bedingungen abgefahren. Liegen die Verbrauchswerte des Referenz-Lkw am Test-Tag über oder unter diesem Wert, ist klar, dass das Testfahrzeug schlechtere oder bessere Bedingungen hatte, was sich entsprechend zurückrechnen lässt. Weniger Wind, weniger Geräusche Was man innerhalb der Kabine von der Frontverlängerung bemerkt? Zunächst mal nichts, schließlich bleibt sie auf den Bereich unterhalb der Windschutzscheibe beschränkt. Schon auf den ersten Autobahnkilometern sind es dann aber die Hörorgane, die doch einen Unterschied registrieren. Tatsächlich scheint es im Aero-FH nochmal leiser zuzugehen, was das unbestechliche Schallmessgerät bestätigt: Lediglich 60 dB(A) weist es bei Tempo 85 aus, eine bessere Aerodynamik hat eben auch verringerte Windgeräusche zur Folge. Ebenfalls das digitale Kamerasystem dürfte daran Anteil tragen. Das montiert der schwedische Hersteller beim Aero serienmäßig, bietet auf Wunsch aber weiterhin konventionelle Außenspiegel an. Beim Normal-Modell des FH ohne Frontverlängerung verhält es sich übrigens genau umgekehrt. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (D13T500A, Turbo-TC), Common-Rail-Einspritzung, Turbo mit Wastegate, Turbo-Compound-Turbine; Euro 6e mit SCR-Kat., gekühlte AGR, Partikelfilter, Hubraum: 12.800 cm3, 500 PS (368 kW) bei 1240-1600/min, max. Drehm.: 2800 Nm bei 900-1240/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe "I-Shift", unsynchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe (AT2812), Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge, 4 Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,31; pneumatisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung,ø 430 mm Fahrwerk HA: 12,0-t-Achse, (Volvo Group RSS1244B) Vierbalg-Luftfederung, Stabilisator VA: 7,5-t-Achse, Einblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluft-Bremsanlage, Scheibenbremsen, Motorbremse: "VEB+": 435 kW (592 PS) bei 2300/min Maße und Gewichte Radstand: 3700 mm;L x B x H: 6129 x 2495 x 3798 mm; Leergewicht: 7246 kg (ohne Fahrer), inkl. 400 l Diesel, 60 l AdBlue Kameras brauchen Gewöhnung Wir bleiben nach der Testfahrt mit den, bei Volvo Trucks CMS (Camera Monitoring System) genannten Rückblickern bei unserer bisherigen Meinung zu Kamerasystemen: Vorwärts auf jeden Fall eine hilfreiche und die Sicherheit fördernde Erfindung, beim Rückwärtsfahren braucht man hingegen eine lange Gewöhnungszeit, bis man den Sattelzug so gekonnt an Rampen rangiert wie mit Spiegeln. Zumal es das Volvo-System dem Fahrpersonal in solchen Situationen unserer Meinung nach unnötig schwer macht. Denn der auf den Displays angezeigte Bildausschnitt muss über Tasten in der Türbrüstung für die linke und rechte Seite getrennt ausgewählt werden. So ist während des Rangiermanövers bei Bedarf viel umständliches Tastendrücken nötig. Vorbildlich dagegen die gestochen scharfe Darstellung der Kamerabilder auf den Bildschirmen. Und auch die per Tastendruck zuschaltbare Infrarotfunktion lernt man in den Abend- und Nachtstunden schnell zu schätzen, denn sie bringt buchstäblich Licht ins Dunkel. Schnell ins Herz schließt man ebenfalls die elektrohydraulische Lenkunterstützung "Dynamic Steering", die der FH nach unserer Meinung in jedem Fall an Bord haben sollte. Verbräuche und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (40 t) A 9 Allershausen – A 93 Regensburg 23,22 84,67 Autobahn hügelig (40 t)A 3 Regensburg – Nürnberg 25,50 84,14 Autobahn Rolletappe (40 t)A 9 Nürnberg – Langenbruck 22,98 83,49 Landstraße (40 t)Langenbruck – Dasing 19,89 62,36 Autobahn leicht (40 t)A 8 Dasing – A 99 Unterschleißheim 26,17 83,43 Durchschnitt: 23,49 79,88 Verbrauch Adblue: 1,55 l/100 km (5,87 % vom Dieselverbrauch); AdBlue anteilig mit 44 % ins Verbrauchsergebnis eingerechnet Dynamic Steering als Empfehlung Nicht nur, weil mit ihr das Rangieren überdurchschnittlich leicht von der Hand geht, sondern auch, weil die Steuerung nach Kurven automatisch in die Ausgangsposition zurückkehrt oder den Schweden im Falle eines Reifenplatzers automatisiert sicher in der Spur hält. Wechseln wir weiter nach unten in den Maschinenraum, wo mit dem D13-Reihensechszylinder ein alter Bekannter werkelt. Auch dass der 500 PS starke Common-Rail-Motor hier zusätzliche Unterstützung von der - dem Turbolader nachgeschalteten - Turbo-Compound-Turbine erhält, ist bekannt. Die Technik ist Teil des optionalen I-Save-Paketes, dessen Anwahl für den Aero nur logisch erscheint. Schließlich empfiehlt es sich laut Volvo Trucks ebenfalls für den Fernverkehr, weil es über die Kilometer den Verbrauch senken soll. Dafür sorgen 300 Newtonmeter mehr Drehmoment, welche die Turbo-Compound-Turbine dem D13-Aggregat einhaucht. Klassenbeste 2800 Newtonmeter sind es in Summe, die das Fahrprofil im Volvo anders gestalten als bei seinen Wettbewerbern. Meist bleibt der zwölfte Gang auch bei steilen Anstiegen gesetzt und der 500er zieht die knapp 40 Tonnen schwere Testfuhre mit 900 Umdrehungen stoisch in Richtung Kuppe. Und jede nicht durchgeführte Rückschaltung spart am Berg schließlich Kraftstoff. Bewertung Volvo FH Aero 500 I-Save Motor/Antrieb (max. 140) Getriebe/Kupplung (max. 140) Bremsen (max. 120) Lenkung (max. 40) Pedale (max. 20) Fahrverhalten (max. 60) Sicht (max. 50) Klima/Lüftung (max. 50) Sitze (max. 40) Armaturen/Instrumente (max. 50) Scheibenwischer (max. 30) Fahrerhaus (max. 240) Gesamtwertung (max. 980) 1301261023516524543334524202853 Testurteil + Für diese Leistungsklasse überdurchschnittlich hohes Drehmoment aufgrund von Turbo-Compound, souverän agierendes Getriebe, leise Geräuschkulisse, hohes Verarbeitungsniveau - Bedieneinheit für das I-Shift-Getriebe rechts neben dem Fahrersitz, an mancher Stelle umständlich zu bedienendes Spiegelersatzsystem Versprechen eingelöst? Zumindest in der Theorie. Womit wir zur eingangs gestellten Hauptfrage kommen: Kann der Aero-Volvo die vom Hersteller versprochenen Verbrauchseinsparungen bestätigen? Nach unserer exakt 342,8 Kilometer langen Messstrecke können wir das mit Ja beantworten. Niedrige 23,49 l/100 km konsumiert der FH Aero 500 I-Save durchschnittlich im Test. Diesen Wert glichen wir wie immer mit unserem redaktionseigenen Referenzfahrzeug ab (siehe Kasten Seite 39). Damit setzt sich der Volvo Aero einerseits vorerst an die Spitze unseres Verbrauchsrankings. Vor allem aber unterbietet er seinen im Vorfeld mit gleicher Motorisierung und Auflieger, aber eben noch ohne Aero-Nase, getesteten Bruder FH 500 I-Save um 4,47 Prozent. Für den Fernverkehr ist der neue Aero-FH damit die richtige Wahl. Je mehr Kilometer er zurückgelegt, desto schneller amortisieren sich seine höheren Anschaffungskosten. Ab da reckt er seine Nase dann in den grünen Bereich. Fazit Nase lang, Verbrauch runter Dieser Test beweist eindrucksvoll: Im Fernverkehr bringt eine verbesserte Aerodynamik den Kraftstoffverbrauch wirksam runter. Der Volvo FH Aero 500 I-Save stellt auf der VR-Runde sogar einen neuen Bestwert auf. Man darf also gespannt sein, welcher Hersteller seinen Lkw als Nächstes eine Frontverlängerung verordnet. Dass man bei Scania aktuell an so etwas arbeitet, ist längst mehr als ein Gerücht. jan.burgdorf@tecvia.com

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