Die Hidden-Champions

Die Entwicklung der Geis Gruppe ist eine der bewundernswertesten Mittelstands-Geschichten im Feld der Logistik in Deutschland", formuliert es Peter Klaus, emeritierter Professor der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitgründer des Fraunhofer SCS. Er kennt das Unternehmen seit vielen Jahren und kann sich noch gut an die Anfangsjahre der Geis Gruppe in Bad Neustadt/Saale erinnern. Damals, in den 60er- und 70er-Jahren, war das Unternehmen in der benachteiligten Region Oberfranken an der Zonengrenze als lokale Stückgut-Verteilerspedition im Auftrag für andere Speditionen tätig. Schritt für Schritt jedoch, durch organisches Wachstum, aber auch durch gezielte Übernahmen wie etwa des vormaligen IDS- und German-Parcel-Gesellschafters Bischoff Logistik in Naila und von Häring in Nürnberg, sowie diverser Zukäufe im benachbarten Osteuropa, entwickelte sich Geis zu einem der bedeutendsten Mittelständler der Speditions- und Logistikbranche Deutschlands. Von der Zonen-Grenze in die Welt Lediglich 2016 sahen die Zahlen des Unternehmens nicht ganz so gut aus. Zum einen, weil Geis ein Jahr zuvor sein Joint Venture Geis SDV in der See- und Luftfracht mit dem französischen Logistikanbieter Bolloré aufgekündigt hatte. Zum anderen sorgten vor zwei Jahren die seinerzeit von Quehenberger und Logwin in Polen aufgekauften Paket- und Distributions-Aktivitäten für Probleme (siehe Kasten Seite 17). Doch nun, im Jahr 2018, im 73. Jahr des Bestehens der Geis Gruppe, starten die Brüder und langjährigen Gesellschafter Hans-Georg Geis und Wolfgang Geis nochmal durch und stehen, wie soeben bekannt wurde, kurz vor der Übernahme der TAS Transport and Service-Aktivitäten mit Hauptsitz in Hamburg und Niederlassungen am Frankfurter Flughafen und in München. Stimmen die Kartellbehörden dem Deal zu, und es sieht danach aus, könnte das Unternehmen den Worten von Wolfgang Geis zufolge schon in den nächsten zwei, drei Jahren jährlich rund 100 Millionen Euro Umsatz im Air- und Sea-Geschäft erwirtschaften. Weitere Zukäufe in diesem Segment kann sich der geschäftsführende Gesellschafter in den kommenden Jahren vorstellen. Das eigentliche Geschäft, vor allem die gute Rentabilität, verdankt die Geis Gruppe aber ihren Standbeinen in der Kontraktlogistik, als langjähriger IDS-Gesellschafter im deutschen Stückgutgeschäft und in den über die Jahre entwickelten Paketdienstund Distributionsaktivitäten in Polen, Tschechien und der Slowakei. Regionale Nähe zu großen Auftraggebern Wie es zu diesem Erfolg kam, hat viele Gründe - wer hier auf die Spurensuche geht und mit langjährigen Wegbegleitern und Branchenkennern spricht, spürt stille Bewunderung für die beiden Gesellschafter Hans-Georg und Wolfgang Geis sowie ihre langjährigen Geschäftsführer Joachim Fink und Johannes Söllner. So leitet seit vielen Jahren Fink die Geschicke von Geis im Landverkehr, während der promovierte Betriebswirtschaftler Söllner, vormals unter anderem bei dem Beratungs- und Softwarehaus Städtler-Logistic und bei Geis seit den 90er-Jahren tätig, das Geschäftsfeld Logistics Services leitet. Gemeinsam entwickelten sie das Unternehmen stetig "Schritt für Schritt und ohne große Krisen und Fehlgriffe" kontinuierlich nach vorne, formuliert es Klaus. Offenbar stets mit so guten Rentabilitäten, dass diese ein Wachstum erlaubten - von wenigen Millionen D-Mark Umsatz in den 70er-Jahren bis hin zu über 854 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2018. "Das haben nur sehr wenige Mittelständler geschafft", zollt Klaus Respekt, "und offensichtlich fast ohne Hinzunahme von Kapital von außen." Die entscheidende Wachstumsdynamik kam, ist sich der Logistikexperte sicher, aber aus der Kontraktlogistik. Dabei spielten die regionale Nähe und ein sorgsam gepflegtes Vertrauensverhältnis der Geis Gruppe zu Industrie-Auftraggebern wie der Schaeffler Gruppe und zum Siemens-Konzern eine wichtige Rolle. Schon in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren hat Geis also die enormen Chancen in der Kontraktlogistik erkannt und entsprechende Standorte, insbesondere in Süddeutschland, in diesem Geschäftsfeld aufgebaut. Als Logistik-Outsourcing von vielen belächelt wurde, war Geis schon dabei. Da waren die Brüder Pioniere und konnten damals Branchenkennern zufolge Renditen erzielen, die deutlich höher waren als in anderen Feldern der Logistikwirtschaft. Und mittlerweile zähle die Firma, dank geschickter, aber ihre Möglichkeiten nie überfordernder Portfolio-Erweiterung, in Deutschland zu den zehn größten Anbietern in diesem Segment - mit entsprechenden Wachstumsperspektiven. "Da hat Geis einen sehr guten Ruf, entsprechendes Know-how", sagt Klaus. Was allerdings viele nicht wissen: Nahezu unbemerkt stieg das Unternehmen in Polen und Tschechien in die Paketlogistik ein und zählt in beiden Ländern mittlerweile zu den führenden Playern in diesem Segment. Wichtiger Schachzug war zunächst im Jahr 2013 die strategische Kooperation der Geis Gruppe mit Quehenberger Logistics in Zentral- und Osteuropa. Denn im Zuge dieser Allianz verkaufte Quehenberger an Geis auch seine polnische Länderorganisation mit sieben Standorten inklusive der Beteiligung an dem Stückgutverbund PSD. Nur wenige Monate später, Anfang 2014, verkündete Geis den Kauf von Logwin Solutions Poland mit drei Standorten sowie kurz darauf die Übernahme der ET Logistik mit Sitz in Warschau und acht eigenen Standorten in Polen. Einer der wichtigsten Geis-Coups in Polen war indes der Kauf des polnischen Paketdienstes K-EX, der dort mit 28 Standorten über ein landesweit flächendeckendes Paketnetz verfügt. Mit einem Schlag stieg Geis damit nach eigenen Angaben zu einem führenden Transport- und Logistikanbieter in Polen auf. Mittlerweile ist das Unternehmen dort an 45 Standorten mit 1200 Mitarbeitern tätig. "Eine außerordentliche Leistung", urteilt Klaus, wenngleich die im Bundesanzeiger veröffentlichten Zahlen der Geis Holding aus den Jahren 2015 und 2016 zeigen, dass die Entwicklung in Polen nicht ohne Blessuren abging. So wiesen die Zahlen da 2016 erstmals "leicht rückläufige Gewinne" aus, was insbesondere dem Paketgeschäft in Polen geschuldet sei. "Da läuft es offenbar nicht so rund wie im kleineren Tschechien", resümiert Klaus, "möglicherweise bedingt durch den verschärften Wettbewerb durch internationale Unternehmen wie Raben, UPS und C.H. Robinson." Innovativ und bodenständig Unterm Strich aber hat das Geis-Management offenbar sehr viel richtig gemacht, meinen Branchenkennern, die hier vor allem die Solidität in der Unternehmensentwicklung hervorheben. "Das war keine überehrgeizige Expansion, sondern eine durchdachte und konsequente Vorwärtsentwicklung in beherrschbaren Schritten", lobt auch Klaus. Vor allem habe die Geis-Führung hier auch stets die notwendigen Innovationen im Blick gehabt. Gleichzeitig habe man nach innen "sehr bodenständig" und "sehr solide" in jedem der Geschäftsfelder gemanagt, offensichtlich gestützt durch ein "akribisches Controlling". Vor allem aber posaunt die Geis Gruppe ihren Erfolg nicht groß nach außen - so gesehen ist das Unternehmen ein Hidden Champion, der eher im Stillen gewachsen ist. Und im Gegensatz zu manchen anderen Speditionskollegen, heißt es im Markt, hätte sich das Unternehmen selbst nach diesen Erfolgen nicht überschätzt und sei kein überstürztes Abenteuer eingegangen. Die nächste Generation rückt nach Bleibt schlussendlich nur die Frage: Wie geht es nach dem Ausscheiden der beiden Geis-Brüder sowie den beiden Geschäftsführern Fink und Söllner weiter? Noch gibt es zum Zeitpunkt des nahenden Generationswechsels keine abschließenden Aussagen. Fest steht aber: Die Weichen werden im Hintergrund bereits gestellt. Eher im Verborgenen rückt die nächste Generation nach: mit Hans-Wolfgang Geis, Sohn von Hans-Georg Geis, und mit Jochen Geis, Sohn von Wolfgang Geis. Beide wurden im August vor zwei Jahren in die Geschäftsführung der Geis-Dach-Gesellschaft berufen - zusätzlich mit Stefan Werndl, der ebenfalls zum Geis-Geschäftsführer benannt wurde und dort das Air & Sea-Geschäft verantwortet. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Geis Logistics www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Die Geis Gruppe Das Speditions- und Logistikunternehmen Geis wurde 1945 von Hans Geis in Bad Neustadt an der Saale gegründet. Sein ganzes Firmenkapital bestand damals aus einem Holzvergaser-Lkw aus Armeebeständen, den er mit geliehenem Geld erstanden hatte. Zunächst übernahm Geis Umzugsfahrten für Privatkunden in alle Regionen Nachkriegsdeutschlands. Heute zählt die Geis Gruppe zu den erfolgreichsten Mittelständlern in der Speditions- und Logistikbranche. 2017 erwirtschaftete das Unternehmen mit 6300 Mitarbeitern nach eigenen Angaben 854 Millionen Euro Umsatz. eh

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