Die Fracht geht nach Süden

Die Häfen rund um das Mittelmeer tanken kräftig Selbstbewusstsein. Seit Jahren steigen die Umschlagzahlen vor allem in den Häfen Italiens und des östlichen Mittelmeers. Deren Hafenbetreiber wollen ihre Umschlaganlagen zunehmend zu einer Alternative zu den Häfen der Nordrange machen. Für Thomas Eckelmann, Vorstandschef des in Bremen ansässigen Hafenlogistikers Eurogate, sind die Südhäfen bereits eine echte Alternative. Er geht davon aus, dass mittelfristig mehr Waren von den Nordseehäfen an das Mittelmeer verlagert werden. Sein Optimismus hängt womöglich auch damit zusammen, dass sein Unternehmen an fünf Containerterminals in Italien beteiligt ist, eines davon in La Spezia. Knut Sander, geschäftsführender Gesellschafter bei der Münchener Spedition Kukla sieht die aktuelle Laderaumknappheit im Norden als Argument, dass immer mehr Verkehre gen Süden gehen. Zudem hätten die Mittelmeerhäfen den Vorteil der kürzeren Reisezeit. Aus dem Mittelmeer ist die Reisedauer durch den Suez-Kanal in Richtung Asien etwa vier Tage kürzer als über die Nordhäfen. Auch für die Reeder eine Möglichkeit, ein Schiff aufs Jahr gesehen öfter zwischen Asien und Europa pendeln zu lassen und so Kosten zu sparen. Kostenmäßig sind die Häfen bereits auf Augenhöhe. So ist zu beobachten, dass sich etwa die Raten auf der Verbindung Shanghai-Genua seit Jahren der Relation Shanghai-Rotterdam annähern. Teilweise war es sogar günstiger, über Genua zu verschiffen. Mit den zunehmend größeren Schiffen, welche die Mittelmeerhäfen anlaufen, dürften die Südhäfen unter Kostengesichtspunkten wettbewerbsfähiger werden, so die Einschätzung bei Eurogate. Selbst Duisburg hat Triest im Blick Die steigende Nachfrage nach Transporten in die Südhäfen lässt die Logistikakteure reagieren. Selbst der Duisburger Hafen, der traditionell eher die Nordseehäfen im Blick hat, beginnt, sich stärker für Italien zu interessieren. Mit dem Hafen Triest wurde eine strategische Zusammenarbeit vereinbart. Der Schienengüter- und Trailerverkehr zwischen den beiden Hafenstädten soll ausgebaut und gemeinsame Logistikzentren errichtet werden. So sind etwa im Hinterland des Hafens intermodale Terminals geplant. Duisport-Vorstandschef Erich Staake verspricht sich davon mehr Gütertransport von und nach Griechenland und der Türkei. Diese Länder würden ihren Warenumschlag nach Mittel- und Nordeuropa bevorzugt über den Seehafen Triest abwickeln. Seit Januar gibt es bereits eine direkte Schienenverbindung nach Kiel. In Triest, dem wichtigsten Hafen Italiens, wurden im vergangenen Jahr fast 60 Millionen Tonnen umgeschlagen. Das waren 3,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Für dieses Jahr ist weiteres Wachstum geplant. Finanzieren werden das wohl chinesische Investoren. Diese haben die Mittelmeerhäfen schon länger auf ihrer Einkaufsliste. Besonders stark sind die Aktivitäten im griechischen Piräus. Der chinesische Reedereikonzern und Hafenbetreiber Cosco hat im April für 368,5 Millionen Euro den Zuschlag für 51 Prozent der Anteile an dem griechischen Hafen bekommen. Cosco Shipping will Piräus zum zentralen Umschlagplatz des Mittelmeers machen. Unlängst schloss der Hafenbetreiber Piraeus Port eine Vereinbarung mit dem weltgrößten Containerhafen in Shanghai. Ziel ist es, den Containerverkehr zwischen den beiden Häfen auszubauen. Aktuell werden im Hafen 3,75 Millionen TEU (20-Fuß-Container) umgeschlagen. In diesem Jahr sollen es vier Millionen TEU werden und für das kommende Jahr hat Cosco als Ziel eine weitere Million TEU ausgegeben. Die Voraussetzungen sind gut. Piräus ist ein Tiefwasserhafen, in dem auch Großcontainerschiffe problemlos anlegen können. Dieser Zugang wird immer wichtiger. Laut Eurogate lag die durchschnittliche Größe eines Containerschiffes auf der Asien-Mittelmeer-Route im Oktober bereits bei 15.000 TEU. Kleinere Schiffe mit 6000 bis 8000 TEU, so die Idee, könnten dann die Container aus dem Mittelmeer in die Nord- und Ostseehäfen bringen. Keine 15 Autobahnkilometer von Triest entfernt schickt sich der nächste Hafen an, den Nordhäfen Konkurrenz zu machen. Koper in Slowenien meldete für die ersten neun Monate 2017 beim Aufkommen ein Plus von neun Prozent. Insbesondere bei den Containern sei ein positiver Trend zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr wickelte der Hafen 845.000 TEU-Container ab. Zweites wichtiges Standbein sind Automobile. Seit 2015 nutzt beispielsweise Daimler den Hafen als Drehscheibe nach Asien. Nach Bremerhaven und Zeebrugge ist Koper mittlerweile der drittgrößte Hafen in der Lieferkette des Autokonzerns. Der Hafenbetreiber investiert weiter in den Ausbau. Die Pläne sehen vor, bis 2020 insgesamt 300 Millionen Euro zu investieren, um die Kapazitäten für Container, Pkw und flüssige Stoffe zu erhöhen. Zwei Containerbrücken sind bereits fertig, um Frachter mit mehr als 20.000 TEU entladen zu können. Dennoch müssen sich die Nordhäfen derzeit keine allzu großen Sorgen machen, abgehängt zu werden. Die Kapazitäten in den Südhäfen reichen oftmals nicht aus, um einen schnellen Umschlag hinzubekommen. Eurogate-Chef Eckelmann sieht zudem die Anbindungen an das Hinterland als den eigentlichen Flaschenhals der meisten Mittelmeerhäfen. Es fehle in vielen Häfen an ausreichenden Bahnanbindungen nach Zentraleuropa, um das wachsende Containeraufkommen abtransportieren zu können. Besser sei die Situation in La Spezia, Triest und Koper. Seit 2015 laufen Gespräche zwischen Slowenien und Ungarn, um eine neue Bahnverbindung zwischen dem Hafen Koper und dem Hinterland zu bauen. Bis 2025 soll nun zunächst eine neue Trasse zwischen dem slowenischen Divaca und Koper gebaut werden. Anbindung per Bahn wird immer besser Beim deutschen Kombi-Operateur Kombiverkehr sieht man im Süden ebenfalls Potenzial. Seit Dezember schickt der Operateur Züge durch den neuen Gotthard-Basistunnel. Auf der Gesellschafterversammlung im Juni zeigte sich Kombiverkehr-Geschäftsführer Armin Riedl erfreut, dass die Züge zwischen Deutschland und Italien nun 30 bis 40 Minuten schneller seien. Nachhaltige Impulse erwartet er jedoch erst mit dem 2021/2022 geplanten Komplettausbau des Gotthard-Korridors in Norditalien. Dann brauchen die Züge für die Alpendurchquerung eine Lokomotive weniger als bisher und das macht den Verkehr zwischen Nord und Süd effizienter. Auch Eurogate investiert über seine Tochter Contship Italia in die Südhäfen. In La Spezia etwa werden 200 Millionen Euro investiert, um die Umschlagskapazität um eine Million TEU zu erhöhen. Mitte Oktober weihte das Unternehmen in Ravenna sein erweitertes Terminal ein. In Melzo bei Mailand wurde das Inlandsterminal für 20 Millionen Euro ausgebaut. Eckelmann sieht aber auch Grenzen. In den vier großen Nordhäfen würden jährlich immerhin 36,7 Millionen TEU umgeschlagen. Diese Mengen auf die Südhäfen zu verlagern, sei sicherlich schwierig. Für Verlader in Regionen wie Süddeutschland, Schweiz, Österreich und Ungarn seien die Südhäfen aber eine ernst zu nehmende Alternative. Der Wind für die Nordrange wird zweifellos rauer. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seefracht www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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