Die Europa-Maut kommt nicht voran

Wer in den letzten Wochen aus dem Urlaub im Süden gekommen ist, kennt die Mauthäuschen, die in der Reisezeit immer wieder zu lästigen Staus führen, auf italienischen oder französischen Autobahnen, vor Tunneln oder manchen Brücken. Was im privaten Bereich schon ärgerlich ist, beschert den Unternehmen im Straßengütertransport jede Menge Abrechnungsaufwand und einen Wildwuchs an On-Board-Geräten (OBU) im Fahrzeug. Ein LKW, der von Lissabon nach Bratislava fährt und seine Maut nicht an jeder Grenze oder an jedem Mauthäuschen bar bezahlen will, muss mit sieben OBUs in der Fahrerkabine auf die Strecke gehen. Das Ziel lautet: ein LKW - ein Vertrag Die EU hat deswegen schon vor zehn Jahren beschlossen, ein einheitliches System zur Mauterhebung in ganz Europa zu entwickeln. Der Spediteur soll für jeden LKW einen einzigen Vertrag abschließen, über den er seine Mautschulden gegenüber allen Betreibern von Autobahnen, Brücken, Tunneln oder Passstraßen begleichen kann - mit einem einzigen Kästchen an Bord. 2012 wären alle EU-Staaten verpflichtet gewesen, dafür die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen. Tatsächlich gibt es den einheitlichen "Europäischen Elektronischen Mautdienst" (EETS) zwei Jahre später immer noch nicht. "Natürlich wäre das eine ganz tolle Sache", sagt Stuart Colley, Sprecher des internationalen Verbandes für den Straßengüterverkehr (IRU). "Es darf allerdings nicht mehr kosten, als die Transportfirmen heute schon bezahlen", lautet seine Forderung. Die elektronische Maut müsste in einem solchen System strikt streckenbezogen erhoben werden. Darauf besteht auch der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV). EETS werde nur erfolgreich sein, wenn die von den Anbietern verlangten Entgelte und der zeitliche Aufwand unter den administrativen Kosten und Belastungen liegen, die die Unternehmen heute schon hätten, fordert der Verband in einer Stellungnahme zum sogenannten EEMD-Gesetz - der Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht. Soll heißen: Wenn die Mautabrechnung eines Tages tatsächlich über einen einzigen Dienstleister länderübergreifend erfolgen soll, dürfe der Service dem Unternehmer am Ende nicht teurer kommen, als wenn er sich wie bisher auch bei mehreren Mautanbietern anmeldet und deren OBUs ins Fahrzeug einbaut. Komplexes Zusammenspiel der Akteure Damit eine Europamaut nach den EU-Vorgaben funktionieren kann, müssen sich mehrere Akteure einig sein: Zum einen betrifft das die Infrastrukturbetreiber und Konzessionäre, die die Maut in den Staaten erheben. Sie sind im Verband Asecap zusammengeschlossen. Zum anderen sind die Inkassofirmen mit im Boot, die den Zahlungsverkehr für die Mauterhebung abwickeln. Die Abrechnungsgesellschaften sind in dem Verband Aetis organisiert. Die EU-Kommission hatte bereits 2009 einen Erlass über die technischen Anforderungen für EETS verabschiedet. Die Mitgliedstaaten wurden verpflichtet, bis 2012 die rechtlichen und administrativen Voraussetzungen zu schaffen, um EETS-Anbieter zu registrieren. Im selben Jahr stellte das Kollegium jedoch in einem Bericht fest, dass man sich bisher in keinem einzigen EU-Land als EETS-Anbieter registrieren lassen konnte. In manchen Ländern hatten die Politiker einfach geschlafen, in anderen spielten die Mautbetreiber nicht mit und fast überall war die Infrastruktur nicht entsprechend nachgerüstet worden. Es fehle auf der ganzen Linie an der notwendigen Kooperation der Akteure, heißt es im Bericht der Kommission. Viel weiter ist das Projekt auch zwei Jahre später nicht gediehen. In den meisten EU-Staaten gibt es inzwischen Gesetze, nach denen EETS-Anbieter registriert werden, und Behörden, die eine Registrierung vornehmen können. Anträge gibt es aber so gut wie keine. Die einzige Firma, die bislang EETS anbieten möchte, ist die AGES aus Langenfeld. Ihr Antrag kann allerdings vorerst nicht bearbeitet werden, weil in Deutschland noch immer die gesetzliche Grundlage fehlt. Das Bundeskabinett hat das "EEMD-Gesetz" zwar vor der Sommerpause eingebracht, es muss aber noch vom Bundestag verabschiedet werden. AGES-Sprecher Maximilian Pinno ist trotzdem zuversichtlich: "Wir sind dabei, unser System aufzustellen und gehen davon aus, dass wir die Registrierung noch in diesem Jahr erhalten." Die Großen der Branche wie Euroshell, UTA oder DKV haben es nicht so eilig. Das Firmenkonsortium REETS, das zunächst eine regionale Lösung in Deutschland, Österreich, Polen, der Schweiz, Dänemark, Frankreich und Italien entwickeln soll, kommt angesichts des geringen Interesses nur schleppend voran. Obwohl die EU-Kommission die Hälfte der Gesamtkosten von 4,5 Millionen Euro trägt, hat das Konsortium bislang nur eine Analyse der Probleme vorgelegt - und Empfehlungen, wie man sie lösen könnte. Das einfachste Problem besteht noch darin, eine OBU zu entwickeln, die mit allen Mautsystemen in der EU kommunizieren kann. Aber die EETS-Anbieter müssen die Maut auch kassieren und zuverlässig bei den einzelnen Infrastrukturbetreibern abliefern. Letztere zieren sich jedoch in vielen Fällen, Ersteren die dafür notwendigen Daten zu überlassen. Niemand weiß, was der EETS-Service kostet und nur die wenigsten glauben, dass es genug Kunden gibt, um die damit verbundenen Kosten zu decken. Die meisten LKW, sagt der Sprecher von Toll Collect, Martin Rickmann, "fahren eben nicht von Litauen nach Portugal". Das REETS-Konsortium will deswegen erst einmal kleinere Brötchen backen. Ein Pilotprojekt könnte Anfang nächsten Jahres starten, sagt Asecap-Sprecher Fabio Stevanato, auf der Grundlage der Empfehlungen des Konsortiums. An dem Pilotprojekt seien voraussichtlich nur zwei oder drei Länder beteiligt. Aber selbst dafür ist es schwierig, kooperationswillige Anbieter zu finden. "Wir brauchen verbindliche Zusagen der Firmen, die diesen Service anbieten", sagt Stevanato. Das Konsortium habe alle Mitglieder von Aetis aufgefordert, sich an dem Pilotprojekt zu beteiligen. Bislang gäbe es aber nur wenige Zusagen. Kaum Interessenten für EETS Eines der Unternehmen, die sich um eine Beteiligung an dem Pilotprojekt bewerben, ist DKV Euro Service aus Ratingen. Schon heute kann man mit der DKV-eigenen Mautbox Straßengebühren in Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal begleichen. Zudem bietet DKV die Mautabrechnung für andere Länder an. Auch der Tank- und Servicekartendienstleister UTA bietet mit der Multibox eine Fahrzeugbox, über die Gebühren und LKW-Maut in Frankreich, Spanien, Portugal und Belgien abgerechnet werden kann. Über das Projekt REETS könne man mit den eigenen Boxen zusätzliche Länder abdecken, sagt DKV-Bereichsdirektor Jürgen Steinmeyer, "in denen DKV die Mautgebühren zurzeit noch über die Mautboxen der dortigen Mautbetreiber abrechnet." Was der neue Service kosten würde, weiß Steinmeyer nicht. Das könne man erst sagen, wenn die genauen Vertragsbedingungen und technischen Anforderungen bekannt seien. Die EU-Kommission plant unterdessen, den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen. Nach einem internen Entwurf für eine neue Maut-Richtlinie sollen Lizenzen für Mautgesellschaften von den Mitgliedstaaten nur noch vergeben werden, wenn sie Verträge mit EETS-Anbietern vorweisen können. Und die Kommission will Standards für das elektronische Inkasso in Zukunft selbst auf dem kurzen Dienstweg verordnen. Regionales Pilotprojekt Kaum Fortschritte beim länderübergreifenden Projekt REETS An dem Projekt zur grenzüberschreitenden Mauterhebung REETS sind insgesamt zwölf Unternehmen und Verbände beteiligt:die österreichische Asfinag, die italienischen Firmen Autostrada Tech, Autostrada per l'Italia, Salt, Aiscat, Aiscat Servizi und Sinelec, die polnische GDDKiA, die dänische Sund&Belt, die finnische Aseta, die französische ASFA, der Verband der Betreiber von elektronischen Mautdiensten, Aetis, und der Verband der Mautgesellschaften, Asecap.Partner in dem Konsortium sind außerdem das deutsche, spanische und französische Verkehrsministerium sowie die Schweizerische Eidgenossenschaft. Die EU-Kommission beteiligt sich mit 2,2 Millionen Euro - rund die Hälfte der Gesamtkosten. Die potenziellen Anbieter elektronischer Mauterhebungssysteme (EETS-Anbieter) haben sich in der Aetis zusammengeschlossen: Mitglieder sind die Unternehmen Total, Logpay, Ressa, Euroshell, DKV, Trafineo, Axxes, Eurotoll, OMV, UTA, Telepass und Eurowag. tw