Deutschland ist der größte Umsatzbringer

Sonne auf blau-gelben Aufliegern - das ist das Markenzeichen des ungarischen Transportunternehmens Waberer's International. Es ist ein freundliches Logo. Gleichwohl scheiden sich an Waberer's im deutschen Transportmarkt die Geister. Während die einen sein schnelles Wachstum bewundern, ist für andere das Unternehmen eine "Reizfigur", das aufgrund seines Geschäftsmodells mit Billigfahrern aus Rumänien deutschen Transporteuren Aufträge wegnehme. György Wáberer war es, der im Jahr 1994 den Staatsbetrieb Volán übernommen und privatisiert hatte. 2002 kam der ehemalige Staatsbetrieb Hungarocamion dazu. Schritt für Schritt entstand in den Folgejahren der Komplettladungsspezialist, der im vergangenen Jahr umgerechnet 522,5 Millionen Euro Umsatz gemacht hat und damit heute eines der größten Transport- und Logistikunternehmen Mittelosteuropas ist. Vernetzt mit Ungarns Politik György Wáberer sei, sagen Kenner der ungarischen Branche, schon immer gut vernetzt mit der Politik, auch mit der aktuellen ungarischen Regierung. Auch weil er einer der Ersten war, als es um die Privatisierung der vormaligen Staatsbetriebe ging, seither hat er die Kontakte zur Politik aufrecht erhalten. So unterschrieb zum Beispiel der Wirtschaftsminister vor drei Jahren höchstpersönlich mit György Wáberer eine "strategische Partnerschaftsvereinbarung". Und in diesem Jahr wurde er von der Regierung zum "Beauftragten des Ministerpräsidenten für die Förderung der Entwicklung der ungarischen Logistik und des Straßengüterverkehrs" ernannt, eine Art ehrenamtlicher Titel - mit besten Beziehungen. Mit seinem Privatvermögen von umgerechnet knapp 260 Millionen Euro erreicht Wáberer auf der aktuellen Liste der reichsten Ungarn Platz neun. Im Juni dieses Jahres dann sein Rückzug: György Wáberer gibt seine langjährige Position als CEO auf und verkauft seine Anteile an der Firma komplett an den Private Equity-Fonds Mid Europa Partners (MEP). MEP ist Buy-out-Investor und seit 2011 an Waberer's beteiligt, damals zunächst mit 49,05 Prozent, später mit 58,6 Prozent und heute mit 97,1 Prozent. Gründe für Wáberer's Ausscheiden sind nicht bekannt. Er wechsle in die Immobilienbranche, heißt es offiziell. Fest steht nur, dass sein geplanter Börsengang im November 2015 aus ebenfalls nicht genannten Gründen geplatzt ist. Besonders im Fokus: der deutsche Markt Neuer CEO bei Waberer's International ist Ferenc Lajkó, bisher die Nummer zwei im Vorstand der Firma, während der vormalige CFO, Barna Erdély, dessen Stellvertreter wurde. Ebenfalls neu nach dem Verkauf an MEP ist die Rechtsform von Waberer's. So wurde im August die Umwandlung von der AG in eine GmbH beschlossen sowie ein neuer Verwaltungsrat bestimmt, zu dem namhafte Vertreter zählen wie der frühere Kühne + Nagel-Finanzchef Gerard van Kesteren und Stefan Delacher. Es ist aber keine Revolution im Unternehmen zu erwarten, sondern eher Kontinuität. Und das heißt vor allem, dass Deutschland weiter besonders im Fokus ist. "Waberer's realisiert auf dem deutschen Markt den größten Umsatz und bedeutendsten Verkehr", so der Sprecher des Unternehmens. "Dieser Markt macht mehr als ein Drittel der gesamten europäischen Verkehre von Waberer's aus." Etwa 50 Prozent der deutschen Aufträge stammen nach seinen Angaben von größeren Kunden, die andere Hälfte sei an den Spot-Markt gebunden. Anders als ein Spediteur wie die litauische Girteka organisiert Waberer's aber nicht alle Aufträge aus dem Heimatland, sondern übernimmt auch zum Beispiel von Deutschland aus Transportaufträge in andere europäische Länder. Um präsent zu sein, wurde ein Büro in München eröffnet und im März eines in Hürth bei Köln. Es handelt es sich hier bislang um kleine Büros. Gesprächspartner sind dort, das zeigen die Recherchen, aber offenbar nicht leicht zu finden. Auf der Waberer's-Website werden etwa für Italien, Frankreich, Polen und Rumänien Kontaktadressen in den jeweiligen Ländern angegeben. Für Deutschland (und einige andere Länder) hingegen läuft vieles über Budapest, wo es nach wie vor eine für deutsche Aufträge zuständige Abteilung gibt. "Waberer's ist ein europäisches Unternehmen, das seine Dienstleistungen natürlich zu sehr wettbewerbsgünstigen Bedingungen anbietet", sagt Helmut Große, Leiter der Abteilung Straßengüterverkehr International beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Dies sei aber völlig legitim, betont er, solange sich alle Beteiligten an die Regeln wie Mindestlohn und Ruhezeiten hielten. Anzeichen für Nomadentum und Sozialdumping, gegen die man sich natürlich verwehre, sieht Große bei Waberer's aber nicht. Rote Laterne für das Image Gleichwohl besitzt die ungarische Transportfirma in Deutschland noch nicht den besten Ruf. So erhielt Waberer's International im Image-Ranking 2016 der Verkehrs-Rundschau, in dem 400 Logistikentscheider aus Industrie- und Handelsunternehmen befragt werden, in der Kategorie "Allgemeiner Ladungs- und Stückgutverkehr" die rote Laterne: mit 560 Imagepunkten lag Waberer's hier auf Platz 22 von 22. Das Unternehmen interpretiert dies freilich als positives Zeichen. Man sei sehr glücklich darüber, überhaupt in dieses auserwählte Feld westlicher Speditionen aufgenommen worden zu sein. Besonders erfreulich sei auch der sehr hohe Bekanntheitsgrad von 95,4 Prozent, sagt Waberer's-CEO Lajkó (siehe Kasten Seite 60). Gut möglich, dass sich das ungarische Unternehmen langsam das Vertrauen der Branche erwirbt, wie dies etwa der Raben Group gelang, die sich im Image-Ranking 2016 von Rang 17 auf Platz 14 verbesserte. Andererseits kann man bei einem so hohen Bekanntheitsgrad nicht argumentieren, die Branche wisse zu wenig über Waberer's. Im selben Ranking gaben 44 Prozent aller befragten Verlader an, "auf keinen Fall" bei einer Firma Dienstleistungen einzukaufen, das ein schlechtes Image hat. Nur für 2,3 Prozent "spielt der Ruf keine Rolle". Doch vielleicht ist dies nur der Frust gegenüber einem Erfolgsunternehmen aus dem Osten, das es in Deutschland und in Westeuropa geschafft hat? Immerhin sprechen die Wachstumszahlen von Waberer's eine klare Sprache. Die Firma selbst versichert, alle Gesetze und Regelungen in Deutschland einzuhalten - inklusive des Mindestlohns. Helmut Große vom DSLV sagt dazu: "Waberer's hat aufgrund seiner Riesenflotte eine andere Ausgangsbasis, um in ganz Europa zu agieren. Er muss seine Flotte auslasten." Dass dies zu Bedingungen des ungarischen Lohnniveaus geschehe, sei legitim. Allerdings gibt es ein Verhalten, das unter Konkurrenten durchaus Unmut hervorruft: Es komme vor, weiß Große, dass sich die Fahrzeuge längerfristig in Westeuropa aufhalten, zum Beispiel in Frankreich oder Belgien. Das sei eine rechtliche Grauzone. Die Gesetze werden in den Ländern unterschiedlich ausgelegt. Hier müssten die Regeln eindeutiger sein, fordert der DSLV-Experte. In der Tat ist dies seit Jahren einer der Pfeiler der Waberer's-Strategie: Die Fahrer bleiben wochenlang in ihrem Lkw und werden nicht immer wieder nach einem Auftrag in die Heimat zurückbeordert. Anders als etwa bei der litauischen Spedition Girteka sind die Waberer's-Lkw nicht ständig mit zwei Fahrern unterwegs. Auf diese Weise werden Kosten gespart. "Die Vorschriften sind oft unklar. Einige, die sie freier auslegen, haben Vorteile, während andere, die sie nach Punkt und Komma einhalten, sich dann oft benachteiligt fühlen", argumentiert Große, ohne dabei konkrete Unternehmen zu benennen. Er betont aber auch, dass es bisher keine belastbaren Hinweise auf eine Verletzung der Mindestlohn-Gesetze gegeben habe. Und er fügt hinzu: "Deutsche Spediteure setzen ja auch Waberer's ein und ein deutscher Spediteur würde genauso agieren, wenn er sich in Ungarn niederließe. Wenn ich es selbst so mache, kann ich es nicht meinem Wettbewerber vorwerfen." Solange Waberer's sich also an alle Auflagen halte, seien die Vorwürfe unberechtigt. Fahrerentgelte steigen um 15 Prozent Der Erfolg gibt dem Unternehmen Waberer's jedenfalls Recht, wenn man die aktuellen Finanzergebnisse für das erste Halbjahr 2016 zugrunde legt. Umsatz- und Gewinnzahlen für den deutschen Markt werden zwar ebenso wenig bekannt gegeben wie Angaben zu Nettogewinnen oder -verlusten im Gesamtunternehmen, aber der um 6,4 Prozent gestiegene Umsatz trotz schwieriger Marktbedingungen ergibt ein positives Bild. Auch die Fahrer haben etwas davon, denn ihre Gehälter wurden 2016 im Schnitt um 15 Prozent angehoben, heißt es, zusätzlich zu verbesserten Sozialleistungen. Laut ungarischer Arbeitsagentur verdiente ein Lkw-Fahrer in der Gesamtbranche im Jahr 2014 im Schnitt umgerechnet knapp 600 Euro im Monat. Diese Tendenz scheint nun deutlich nach oben zu gehen. Mehr zum Thema im Dossier Lkw-Landverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Wettbewerb aus Mittelund Osteuropa Ihr Firmensitz ist in Litauen, Polen und Ungarn. Doch ihr Zielmarkt ist Deutschland. Wie die "neuen" Wettbewerber den deutschen Transport- und Speditionsmarkt aufrollen.- Teil 1: Raben Group: Ein Holländer aus Polen erobert Deutschland- Teil 2: Waberer's International: Wie gefährlich ist der ungarische Transportriese?- Teil 3: Girteka Logistics: Die stille Größe aus Litauen Daten + Fakten Waberer's International Das ungarische Transportunternehmen Waberer' s International hat sich auf die internationale Beförderung von Komplettladungen (FTL) spezialisiert. Waberer's erwirtschaftete im ersten Halbjahr 2016 mit 5200 Mitarbeitern einen Umsatz von 276,4 Millionen Euro (plus 6,4 Prozent im gleichen Vorjahreszeitraum). Das Auftragsvolumen wuchs im ersten Halbjahr 2016 um 30 Prozent. Der Fuhrpark umfasst 3500 Fahrzeugkombinationen. mk