Den deutschen Markt fest im Visier

Marktbeobachter reiben sich die Augen, wenn sie die jüngsten Entwicklungen im deutschen Speditionsmarkt Revue passieren lassen: Die in Polen sitzende Raben Group scheint in Deutschland auf einer nicht endenden Einkaufstour. Allein innerhalb der letzten eineinhalb Jahren hat Unternehmenschef Ewald Raben hier sieben Stückgutspeditionen übernommen (siehe Kasten Seite 40). Internationale Expansionsoffensive Jüngste Beispiele waren im Juli die beiden Zukäufe des Logistikstandorts Fellbach bei Stuttgart von Rhenus Freight Logistics sowie von GS Frachtlogistik in Garching bei München. Weitere Übernahmen waren zuvor Heinrich Scheffler International Logistics in Hannover-Langenhagen, HRL Eurocargo in Stuhr bei Bremen, die Balter-Gruppe mit Standorten in Koblenz und Gera, die Spedition Weisshaupt im badenwürttembergischen Albstadt sowie die Peter Spedition in Siegen. Schon im Jahr 2005 ging Birkart Systemverkehre an die Raben Group, 2011 kamen die Stückgutaktivitäten von Wincanton dazu. Doch so ein hohes Aufkauf-Tempo wie zuletzt hatte Raben in den Vorjahren nicht hingelegt. Die aktuellen Akquisitionen seien Teil einer internationalen Expansionsoffensive, bestätigt Ewald Raben, Gründer und CEO der Raben Group. So kommt Rumänien jetzt als elftes Land dazu, in dem Raben Tochterfirmen und Vertretungen unterhält. Die Vertretung in Deutschland ist die Raben Trans European Germany, die aktuell mit 29 Standorten aktiv ist. Ewald Raben verweist aber gerne auf die Anfänge, als er in 1991 den heutigen Standort Polen für sein Unternehmen auswählte, das sein Großvater 1931 ursprünglich in Holland gegründet hatte. Ewalds Vater leitete die Transportfirma dann ab 1960 und spezialisierte sich auf Transporte von und nach Polen. Und Ewald Raben fuhr in den 80er-Jahren sogar selbst Touren in das vormalige Ostblock-Land. Vielleicht half ihm diese Erfahrung, denn der Holländer war einer der Ersten der Branche, der das Potenzial von Polen erkannte. Los ging es dort vor 25 Jahren mit einem Jahresumsatz von fünf Millionen Euro und 12 Mitarbeitern. Heute sind es europaweit fast 9000 Mitarbeiter und rund eine Milliarde Euro Umsatz. Das Erfolgsrezept von Raben Helmut Große, Leiter der Abteilung Straßengüterverkehr International beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV), sieht das Erfolgsrezept von Raben vor allem darin, dass der Gründer nicht nur früh die Chancen in Polen sah, sondern sich über lange Zeit auch auf dieses Land konzentrierte. Polen sei nicht nur als kostengünstiger Standort gewählt worden, um im westlichen Ausland aktiv zu werden: "Man sollte stets auch den Heimatmarkt im Blick behalten", sagt er. Die Deutschland-Strategie von Raben beurteilt Große positiv: "Aus unserer Sicht ist natürlich nichts Verwerfliches daran, wenn man auf faire Weise den Wettbewerb in Deutschland sucht." Die aufgekauften deutschen Firmen seien in der Regel sehr zufrieden mit den Bedingungen der Raben-Übernahme. Ist es also tatsächlich für den deutschen Markt eine "Win-win-Situation", wenn Raben in Deutschland auf Einkaufstour geht? "Wir sehen es positiv. Die direkten Konkurrenten mögen das vielleicht anders einschätzen", sagt Große. Man verfolge natürlich aufmerksam die Aktivitäten von Raben innerhalb Deutschlands. Das Unternehmen sei ja auch in Deutschland Gesellschafter des Stückgutverbunds System Alliance, sagt Rolf Telljohann vom Produktmanagement Europa bei Hellmann Worldwide Logistics, das ebenfalls Gesellschafter der System Alliance ist. "Die Raben-Akquisitionen sehen wir als Netzwerk nicht als Bedrohung. Aktuell gibt es auch keine Anzeichen, dass sie direkte Auswirkungen auf Hellmann oder das System-Alliance-Netz haben", ergänzt Telljohann. Er räumt aber ein, dass Hellmann eine Verlagerung der Sendungsmengen erkenne: "Naturgemäß versorgt Raben mit den Mengen aus dem eigenen Netz die eigenen Standorte." Veränderungen dieser Art habe es indes auch schon früher gegeben, als durch den Verkauf einzelner Betriebsstandorte oder die Neuausrichtung von Firmen Herausforderungen erwuchsen, die man aber stets im Sinne des Netzes habe lösen können. Hellmann kann das Engagement Rabens in Deutschland wohl auch nachvollziehen, da der deutsche Logistiker seinerseits auch in Polen sehr aktiv ist. Dort sei Raben ein aktiver Marktbegleiter und ebenfalls keine Bedrohung, betont er. Da die Raben Group nicht an der Börse notiert ist, schuldet sie keinen Aktionären Rechenschaft. Die Spedition entscheidet selbst, welche Zahlen sie preisgibt und welche nicht. Neben dem Gesamtumsatz der Gruppe von einer Milliarde Euro ist nicht viel zu erfahren. Nur dass man einer der führenden Logistiker in den Ländern Mittel- und Osteuropas sei. Für das Deutschland-Geschäft will Raben weder über den Umsatz noch über Gewinne oder Verluste reden. Nur so viel ist offiziell bekannt: An den 29 Standorten arbeiten für Raben Deutschland derzeit 2500 Mitarbeiter, also gut 28 Prozent aller Angestellten der gesamten Gruppe. Das zeigt, welche zentrale Bedeutung dem Deutschland-Geschäft zukommt. Wer trotz allem zweifelt, muss nur einen Blick auf die Führung von Raben Trans European Germany werfen: Sie besteht aus Daniel Rösch als Managing Director und Ewald Raben als CEO. Eindeutig im Fokus der Akquisiteure aus Polen steht aktuell der süddeutsche Raum. Beweis ist die besagte Übernahme des Logistikstandorts von Rhenus Freight Logistics in Fellbach. Der Erwerb sei Teil der Wachstumsstrategie von Raben in Deutschland, teilte Raben dazu mit. Fellbach war schon vorher ein Partner des Raben-Trans-European-Netzes. Auch die 214 Mitarbeiter und alle Partner, vor allem aus der Automobil- und Gesundheitsbranche sowie dem Einzelhandel, wurden übernommen. Auf Anfrage bestätigt Ewald Raben, dass der Süden zum neuen Schwerpunkt bei der Expansion geworden sei. In dieser dicht besiedelten und industriestarken Region will Raben zum "Top Player" aufsteigen, um schließlich in Deutschland eine Spitzenposition einnehmen zu können. Die Gemeinsamkeit aller Firmenübernahmen der letzten Monate besteht im Fokus auf das Stückgutsegment. Der Standort in Fellbach ist auf innerdeutsche Stückguttransporte spezialisiert und auch die anderen sechs Firmen, die Raben in den letzten 18 Monaten gekauft hat, arbeiten schwerpunktmäßig in diesem Bereich. Ob Raben aber hierzulande tatsächlich sein eigenes Netz aufbaut, wie seit Jahren spekuliert? Offiziell äußert sich Raben dazu bislang nicht. Doch nach den Entwicklungen der letzten Wochen scheint dieses Szenario immer plausibler. Ewald Raben formulierte es anlässlich der Übernahme von GS Frachtlogistik so: "Mit seiner Spezialisierung auf Stückgutgeschäft, Ladungsverkehre und logistische Dienstleistungen ist der Mittelständler eine wertvolle Ergänzung des Raben-Angebots in einer der wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands." Keine Strategie der verbrannten Erde Für Große vom DSLV unterscheidet sich das Raben-Engagement klar von den Aktivitäten vieler Firmen, die aus dem Osten Europas kommend ihr Glück in Deutschland suchen. "Anders als zahlreiche Konkurrenten aus dem Osten geht Raben bis in den Speditionsbereich hinein", sagt er. Durch die Übernahme traditionsreicher deutscher Mittelständler sei Raben daher keine Kraft mehr, die von außen den deutschen Markt aufmischen wolle, sondern die immer fester hierzulande verankert sei. Raben verfolgt in Deutschland also wohl tatsächlich keine Strategie der verbrannten Erde - mit dem Ziel, Wettbewerber durch Aufkäufe aus dem Weg zu räumen. Alle in die Raben Group gewechselten Firmen zeigten sich anlässlich ihres Verkaufs zufrieden mit den vereinbarten Bedingungen. Ewald Raben selbst äußert sich nicht, hat aber schon klargemacht: Er wird nicht ruhen, solange er sich nicht deutscher Marktführer nennen kann - und sei es nur in einem konkreten Bereich der Transportbranche wie dem Stückgut. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Speditionen aus Mittel- und Osteuropa Ihr Firmensitz ist in Polen, Ungarn und Litauen, ihr Zielmarkt ist Deutschland. Wie diese Unternehmen den deutschen Transport- und Speditionsmarkt aufrollen.- Teil 1: Raben Group: Ein Holländer aus Polen erobert Deutschland- Teil 2: Waberers International: Wie gefährlich ist der ungarische Transportriese?- Teil 3: Girteka Logistics: Die stille Größe aus Litauen eh Daten & Fakten Raben Group - Gründung des Unternehmens in 1931 in den Niederlanden. Seit 1991 hat die Raben Group ihren Firmensitz im polnischen Robakowo k. Poznania.- Raben ist mit Tochterunternehmen in elf europäischen Ländern vertreten, aktuell kam Rumänien mit zwei Standorten hinzu.- 2015 erwirtschaftete die Raben Group mit fast 9000 Mitarbeitern nach eigenen Angaben rund eine Milliarde Euro Umsatz. Für Raben sind über 6000 Fahrzeuge im Einsatz.- Raben Deutschland heißt offiziell Raben Trans European Germany und beschäftigt hierzulande 2500 Mitarbeiter an derzeit 29 Standorten (Stand 29. August 2016). Offizielle Umsatzzahlen zum Deutschlandgeschäft nennt Raben nicht. Branchenkennern zufolge könnte der Umsatz in 2015 bei rund 350 Millionen Euro gelegen haben. Durch die Zukäufe in 2016 sollen geschätzte 130 Millionen Euro Umsatz dazugekommen sein.- Die Lager- und Logistikflächen des Unternehmens liegen bei insgesamt 1.150.000 Quadratmetern.- Die Raben Group ist Gesellschafter des Stückgutverbundes System Alliance. Ob und wann Raben hierzulande sein eigenes Stückgutnetz aufzieht, ist nicht bekannt. mk/eh

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