Berlin. Die fehlende Pünktlichkeit des deutschen Bahnverkehrs zählt zu den größten Bremsen beim Ausbau des Kombinierten Güterverkehrs (KV) in Europa. So lautet der Tenor einer Podiumsdiskussion am gestrigen Abend in der Schweizer Botschaft in Berlin anlässlich des 90. Jubiläums der Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr (SGKV). „Der Kern des Bahnverkehrs – die Pünktlichkeit – funktioniert nicht“, sagte Peter Füglistaler. Der Direktor des Schweizerischen Bundesamtes für Verkehr (BAV) benannte in seiner Festrede auch den nach seiner Ansicht Hauptschuldigen: „Wir haben ein Sorgenland und das ist Deutschland.“ Alle Investitionen der Schweiz im In- und Ausland blieben vergeblich, wenn der Transport auf der Schiene in Deutschland nicht funktioniert.
„An der Analyse, dass die Verspätungen überwiegend in Deutschland verursacht werden, ist nicht zu zweifeln“, räumte Hugo Gratza ein. Der Leiter der Abteilung Eisenbahn im Bundesverkehrsministerium (BMVI) verwies aber auf die gegenwärtigen Anstrengungen der Bundesregierung, die Schiene auszubauen und Akteure zusammenzubringen. Deutschlands milliardenschwere Investitionen fanden auch Flüglistalers Lob.
Hupac verliert 100 Lokführerjahre durch Verspätungen
Doch ausgerechnet diese Investitionen machen es der Schiene derzeit im Wettbewerb mit dem Lkw noch schwerer: Zusätzliche Kapazitäten würden geschaffen parallel zum Sanierungsstau eines in der Nachkriegszeit entstandenen Schienensystems, gab Michail Stahlhut, CEO des KV-Logistikers Hupac intermodal, zu bedenken. „Das machen wir unter dem rollenden Rad, das ist eine echte Herausforderung“, sagte Stahlhut. Gratza verwies auf verschiedene Anstrengungen, die Auswirkungen von Bauarbeiten auf den laufenden Betrieb zu minimieren. Stahlhut zufolge verliert allein sein Unternehmen bei 30.000 Zugfahrten im Jahr rund 100 Lokführerjahre durch Verspätungen.
Dabei sind Lokführer ohnehin knapp, um noch ein weiteres Problem im kombinierten Verkehr anzureißen: „Wir brauchen an die 6000 Lokführer mehr, um die Aufgaben der nächsten Jahre zu lösen“, sagte Stahlhut. Weil es aber an Nachwuchs fehlt, führe an der Automatisierung kein Weg vorbei. Außerdem müsse über längere Züge nachgedacht werden sowie über die Möglichkeit, auch zwei Züge hintereinander fahren zu lassen. Das neue Zugbeeinflussungssystem ETCS mache den bisher geltenden Mindestabstand von zehn Minuten zwischen zwei Zügen obsolet.
Füglistaler nahm angesichts der umfangreichen staatlichen Investitionen in die Schiene die Logistikunternehmen in die Pflicht. „Jetzt müsst ihr liefern“, sagte der BAV-Direktor. Zwar werde die Schweiz noch einmal 11,9 Milliarden Franken in die Infrastruktur investieren. Ab dem Jahr 2023 aber sei ein Abbau der Schienensubventionen beschlossene Sache. (sh)