Der tiefe Fall

Die VerkehrsRundschau beleuchtet die Aussichten für die Branche: VR 12: Sea-Cargo: Laues Lüftchen in der Seefracht? VR 13: Schlechte Aussichten für die Fuhrbetriebe VR 14: Kommt der Stückgutmarkt glimpflich davon? VR 15: Wie sich die Preise im Markt entwickeln Der tiefe Fall Nach Jahren üppigen Wachstums befindet sich der Stückgutmarkt in Deutschland nun in der Krise. Von welcher Sendungs-, Umsatz- und Preisentwicklung die Unternehmen ausgehen und was Experten sagen, zeigt das VR-Barometer Stückgut. Was für ein Absturz“, klagt Elke-Antje Stark, Geschäftsführerin der mittelständischen Stückgutkooperation Star. Noch im letzten Jahr sei das Wirtschaftswachstum „fast unnatürlich hoch“ gewesen. Umso gravierender würden viele Unternehmen jetzt die Wirtschaftsflaute spüren“, sagt sie. Für ihre insgesamt 62 Partner in der Kooperation ist Stark dennoch recht zuversichtlich. „Wir werden dieses Jahr mit einem blauen Auge davon kommen“, schätzt sie. „4,8 Prozent weniger Umsatzvolumen als 2008“, lautet ihre vorsichtige Prognose. Immerhin profitiere die Kooperation vom Markttrend kleiner werdender Sendungsgrößen. „Was früher Komplettladung war, ist inzwischen Teilladung. Und Teilladungen werden zunehmend zu Stückgutsendungen“, resümiert sie. Etwaige Standortschließungen oder gar die Verdichtung des Star-Netzes sind für Stark „deshalb kein Thema“. Grundsätzlichsieht sie die Kooperation gut positioniert, zumal man bei den Hauptläufen der Regionalhubs fallweise zwei Linien zu einer Linie zusammenfassen könne, falls die Krise noch länger anhalte, und davon geht die Geschäftsführerin aus: „Der echte Knick kommt noch“, schätzt sie. „Wir gehen an die Preise“ Offene Worte für die Situation im Stückgutmarkt findet auch Karlhubert Dischinger, geschäftsführender Gesellschafter der Fachspedition Karl Dischinger in Kirchhofen und Gesellschafter der Kooperation Dialog. „Die Stückgutpreise sind am Boden“, klagt er. Trotz der gestiegenen LKW-Maut zum Januar 2009 gebe es namhafte Player, die weit unter den jetzt schon zu niedrigen Marktpreisen Angebote abgeben. Dischinger: „Ich finde es unmöglich, wenn der Staatsbetrieb DB Schenker öffentlich in einem Interview zum Preiskrieg aufruft.“ Darin habe der neue Deutschland-Chef „klar und deutlich mehrfach von aggressiver Vorgehensweise“ gesprochen und dadurch „einen ruinösen Preiskampf nach unten ins Rollen gebracht“, sagt Dischinger. Zum Hintergrund: Hansjörg Rodi hatte im Februar vor Journalisten zugegeben, dass „die abschwächende Konjunktur auch Schenker“ treffe. Ziel sei es daher, „die eigene Produktpalette aggressiver“ als in den Vorjahren zu vermarkten. Rodi wörtlich: „Wir gehen an die Preise, weil uns der enorme Wettbewerbsdruck dazu zwingt.“ „Mit dem Abwärtstrend war zu rechnen“ Für die aktuelle Umfrage von der VerkehrsRundschau zur möglichen Entwicklung in 2009 befragt, gab DB Schenker keine Stellung ab. Auch die Frage, wie sich voraussichtlich das Sendungsvolumen in 2009 in der eigenen Stückgutsparte entwickeln werde, beantwortete der Konzern nicht. Ganz im Gegensatz zu DHL Freight, in dem die Deutsche Post DHL ihr Ladungs- und Stückgutgeschäft gebündelt hat. „Zwischen fünf bis zehn Prozent Sendungsrückgang in Deutschland im Vergleich zu 2008“ führte ein Sprecher des Konzerns an und bestätigte in der Umfrage hier zu Lande einen „Wettkampf ums Volumen“ sowie einen „Ausleseprozess im deutschen Stückgutmarkt“. (s. Übersicht Seite 22) So weit geht Christian Kille nicht, Projektleiter Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirtschaft (ATL) in Nürnberg. „Wir erleben zwar momentan einen Abwärtstrend im Stückgutmarkt“, sagt er. Damit aber sei nach den letzten Boomjahren fast zu rechnen gewesen. Zudem glaubt er „die Lage im Stückgutmarkt ist zurzeit zweigeteilt“. Stark gebeutelt von der Rezession seien zwar Stückgutspeditionen, die sich auf Maschinenbau, Automobilindustrie und -zulieferer sowie die Baubranche fokussiert haben. Andererseits spüren laut Kille Unternehmen wie Dachser, die ihren Branchenschwerpunkt in der Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie haben, die Flaute bislang nur wenig, „alles in allem wird der Umsatz im Stückgutmarkt hier zu Lande 2009 um bis zu zehn Prozent nachgeben“, so seine Prognose. Von hoffnungsfroh bis skeptisch Und was sagen die betroffenen Player selbst, von welchen Umsatz- und Sendungszahlen gehen sie in diesem Jahr aus? Eine Blitzumfrage der VerkehrsRundschau zeigte dabei Interessantes. So zeigen sich momentan kleinere Kooperationen wie VTL und ILN weniger skeptisch als die „Großen“. Trotz Einbrüche im Januar und Februar um 17,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geht etwa VTL-Geschäftsführer Andreas Jäschke von insgesamt vier Prozent Sendungsplus in 2009 aus – dank der Integration neuer Partner und Direktkunden. ILN-Geschäftsführer Hubert Staroske plant 2009 gar mit fünf Prozent mehr Sendungen – allerdings bei sinkenden Gewichten. Und Georg Köhler, Geschäftsführer des mittelständischen Stückgutverbundes System Alliance erwartet „einen leichten Rückgang“ beim Sendungsvolumen, während sein Branchenkollege IDS-Chef Michael Bargl von maximal zwei Prozent Sendungsplus ausgeht. Skeptisch nach vorne blicken indes die großen Netzwerker. So rechnet das Unternehmen Dachser 2009 hier zu Lande mit vier Prozent weniger Sendungen als 2008 – entsprechend der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung. Mitbewerber DHL Freight befürchtet im Stückgutsegment sogar fünf bis zehn Prozent Sendungsrückgang. Letzter Ausweg also europäisches Ausland? Zurzeit nicht. Denn auch hier brechen die Sendungsmengen weg. „Das Stückgutvolumen dürfte in Europa um zehn Prozent sinken“, schätzt Christian Kille. Xavier Urbain, der bei der Kühne + Nagel-Gruppe den Geschäftsbereich Road & Rail Logistics (Landverkehr) verantwortet, sagt: „Die Flaute zieht momentan durch ganz Europa und lässt kein Land aus.“ Der Rückgang zeige sich hauptsächlich bei den internationalen Sendungen. Besonders rückläufig sei das Stückgutvolumen in der Automobilbranche, insbesondere in Spanien, beobachtet Urbain. Die Folge sei „Preisdumping“, das vor allem von kleinen Spediteuren betrieben werde. Kühne + Nagel werde sich nicht an diesem „Preis-Rodeo“ beteiligen, betonte Urbain. Konkrete Zahlen zu Sendungs- oder Umsatzvolumen bei Kühne + Nagel nannte er aus börsenrechtlichen Gründen nicht. Überhaupt spürt man bei Recherchen über den deutschen und europäischen Stückgutmarkt momentan starke Zurückhaltung seitens der Player, insbesondere bei börsennotierten Firmen wie DSV Road. Während die Unternehmen noch vor ein, zwei Jahren mit immer höheren Umsatzprognosen auftrumpften, zeigten sie sich nun auffallend verschlossen. Entscheidender Grund dafür dürfte aber auch sein: Die Situation ist im Moment extrem volatil und lässt sich nur sehr schwer einschätzen. Mit der Folge, dass selbst Logistikexperte Professor Wolf-Rüdiger Bretzke keine Prognosen abgibt: „Ich weiß es zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht“, sagt er. Gleichwohl wirken sich, weiß er, bestimmte Entwicklungen negativ auf das Stückgutvolumen aus. Beispiel Sendungsgrößen: Immer mehr Stückgüter seien in den letzten Jahren in die Netze der preiswerteren Paketdienste abgewandert. Und diese Tendenz hält an. Hinzu kommt, dass große Baumärkte und Handelskonzerne wie Metro die logistische Steuerung ihrer Lieferanten zunehmend selbst in die Hand nehmen, um ihre Warenströme besser zu bündeln. Dieses Geschäft breche den Stückgutspediteuren weg, weiß Bretzke. Mit der Folge, dass der Wettbewerb unter den bestehenden Playern größer wird. Schon heute, glaubt der Experte, herrschen im Stückgutmarkt Angebotsüberkapazitäten. Und der Verdrängungswettbewerb steige weiter. „Mehr als fünf Netze braucht Deutschland nicht“, glaubt Bretzke. Wie aber die momentane Wirtschaftskrise den Stückgutmarkt verändert – darüber gibt es die unterschiedlichsten Mutmaßungen. So spekulieren manche über das mögliche Zusammengehen von IDS und 24Plus, andere vermuten eine mögliche Allianz von Cargoline und SystemAlliance. „Der Wettbewerb im Stückgutmarkt ist groß, alle Konstellationen sind nun möglich“, bringt es Christian Kille auf den Punkt. ❙❚■ Eva Hassa Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Allgemeiner nationaler Stückgutverkehr (in Mio. €) 731 600 580 550 480 470 390 300 300 218 150 121 120 107 84 80 Datenqualität *** * ** * * ** *** *** * *** * *** * *** *** * Unternehmen Dachser GmbH & Co. KG Schenker Deutschland AG System Alliance GmbH DHL Logistics (Deutsche Post) IDS Logistik GmbH CargoLine GmbH 24plus Systemverkehre GmbH + Co. KG Rhenus (System Alliance) Kühne + Nagel (IDS) Hellmann (System Alliance) CTL Cargo Trans Logistik AG Hans Geis (IDS) ONLINE Systemlogistik Birkart Systemverkehre (System Alliance) Friedrich Zufall (System Alliance) Emons Holding GmbH & Co. KG Summe Top 10 Quelle: Top 100 der Logistik, Daten basieren auf Geschäftszahlen von 2007 Wie schlimm wird die Krise? Um wie viel Prozent das Stückgutvolumen in diesem Jahr zurückgehen wird und wann es weder aufwärtsgeht, sagt Branchenexperte Christian Kille vom Fraunhofer ATL in Nürnberg. Wie stark spüren die Stückgutspediteure die momentane Krise? Christian Kille: Das ist zweigeteilt. Wer für die Branchen Automobil, Bau und Maschinenbau tätig ist, den trifft die Flaute stark; weniger betroffen ist die Konsumgüterindustrie. Insgesamt dürfte der Sendungsrückgang 2009 bei maximal zehn Prozent liegen. Der Preiskampf wird dadurch härter, weil jeder sein Netz auslasten muss. Welche Regionen trifft die Flaute besonders stark? Vor allem im Stuttgarter Raum und im Norden Baden-Württembergs, in Niedersachsen, aber auch in Bayern, in Ingolstadt, Regensburg und München. Wie viele Player überleben die Krise? Ich schätze, dass die Krise Ende 2009 endet. Bis dahin wird es hart. Falls doch einige Partner ausscheiden, könnte sich der Markt konsolidieren und sechs flächendeckende Netze überleben sowie etliche Nischen-Netze. eh Interview Stückgutnetze in Europa Sendungsvolumen 2008 Veränderung Sendungsvolumen in 2008 im Vgl. 2007 Erwartete Sendungsvolumen-Entwicklung für das eigene Unternehmen in 2009 Erwartete Sendungsvolumen-Entwicklung für den Gesamtmarkt in 2009 Wann steigt das Sendungsvolumen wieder? Anzahl Gesellschafter und Systempartner (national und international) Erwartete Zu- und Abgänge Partner national in 2009 Grenzüberschreitende Verkehre nach Geplanter Ausbau in folgenden Ländern Derzeitige Situation im deutschen Stückgutmarkt: Preiswettbewerb Wettkampf ums Volumen Konzentrationsprozess Ausleseprozess Kampf ums Überleben 8,2 Mio. Sendungen national 2,1 Mio. Sendungen internat. Sendungsausgang : + ca. 6 % Sendungsvolumen (gesamt): + 0 % National: - 8 % International: - 10 % Ab ca. Oktober 2009 mit saisonalem Herbstgeschäft National: 15 Gesellschafter, 30 Partner International: 25 Partner 6 Abgänge, 5 Zugänge Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Ex-Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn Baltikum, Russland, Weißrussland, Griechenland, Türkei Ja Ja Ja Ja Ja 39,1 Mio. Sendungen in 2007 Wachstum in 2008*) k. A. Sendungsvolumen: - 4 %**) (national/international) National: - 4 %**) Internat.: >-4 %**) Nicht vor dem 4. Quartal 2009 Eigenes Netz National: 74 Standorte Internat.: > 300 Standorte Eigenes Netz Flächendeckendes Stückgutnetz in allen europäischen Ländern Kontinuierliche Erweiterung des eigenen Netzes Ja Ja Ja Ja Ja k. A. Positive Entwicklung National: -5% bis -10% Internat.: rückläufig im einstelligen %-Bereich National: rückläufig International: rückläufig Ab Mitte 2010 1 Gesellschafter, 11 Partner national: 37 Standorte internat.: > 160 Standorte Keine Zu- und Abgänge In Gesamteuropa und im Mittleren Osten Länderspezifisch, deshalb keine Angaben möglich Ja Ja Ja Ja Nein Vorerst keine Besserung in Sicht – so lassen sich die Aussagen der von der VerkehrsRundschau befragten Stückgutspediteure zusammenfassen: „In diesem Jahr geht es mit Sicherheit nicht mehr bergauf.“ Erst 2010 könnte das Stückgutvolumen anziehen, so ihre Einschätzung. Entscheidende Fragen bleiben: Wie lange halten die einzelnen Player durch, wie viele Netze braucht der deutsche und europäische Markt wirklich.“ eh Das Fazit 8,27 Mio. Sendungen national 1,83 Mio. Sendungen internat. Sdgsvolumen (nat.): + 3,3% Sdgsvolumen (internat.): + 6 % National: -2% bis + 2% Internat.: -2% bis + 2% National: - 5 % bis -10 % International: - 5 % bis -10 % Ab der zweiten Jahreshälfte 2009 National: 12 Gesellschafter + 2 Systempartner Internat: Partner o. eigene NL Offen, da DSV Road ABX-Standorte noch integriert IDS bedient über internationale Partner und durch die Landesgesellschaften der beiden Konzerne alle Destinationen in ganz Europa Kein Ausbau, da bereits Flächendeckung vorhanden Ja Ja k. A. k. A. k. A. 9,4 Mio. Sendungen national 0,6 Mio. Sendungen internat. Sgsvolumen gesamt: -2,4% National und International: leichter Rückgang National: bestenfalls +0% International: rückläufig Ab dem 4. Quartal 2009 National: 11 Gesellschafter + 3 Systempartner Internat.: > 400 Depots k. A. In 22 Ländern präsent über die Beteiligungsgesellschaft SystemPlus Logistic Service GmbH & Co. KG k. A. Ja Nein Ja Nein Nein 7,7 Mio. Sendungen gesamt Sgsvolumen (gesamt): -2,5% Umsatz (gesamt): +5,2% k. A. k. A. Belebung spätestens in zweiter Jahreshälfte 2009 National: 48 Gesellschafter + Systempartner; Internat.: 13 Gesellsch. + Systempartner 2 Abgänge, 3 Zugänge 13 Länder sind direkt an das europäische Netz von 24Plus angeschlossen; weitere 38 Länder werden über Gate-Verkehre der Partner regelmäßig angefahren Im europ. Rahmen weiterer Ausbau geplant Ja Ja Ja Ja Ja 6 Mio. Sendungen gesamt Sgsvolumen (gesamt): +5% National: + 0% International.: + 4% National: - 10 % International: - 5 % Ab Ende 2010 1 Gesellsch., 18 Joint Ventures National: 39 Depots Internat.: k.A. k. A. in 37 europäischen Ländern präsent k. A. Nein Nein Ja Nein Nein 1,084 Mio. Sendungen (national/international) Sdgsvolumen gesamt: + 6,2% Sdgsvolumen gesamt: -4,8% National: - 5% International: - 3% Ende 2009 bis Anfang 2010 National: 1 Gesellschafter + 62 Systempartner Internat.: 7 Systempartner 2 Abgänge, 4 Zugänge Holland, Dänemark, Schweiz, Österreich, Italien, Polen Belgien und Frankreich in 2009 Ja Ja Ja Ja Ja

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