Der Staat bezahlt das Parkticket

Fast täglich verschwindet irgendwo in Deutschland Ladung vom Lkw. Die Transported Asset Protection Association (TAPA) verzeichnet jedes Jahr mehr Frachtdiebstähle (siehe Kasten auf S. 15). Die Diebe kommen meistens nachts mit Transportern. Nach ein paar geübten Handgriffen und innerhalb weniger Minuten ist alles geöffnet und umgeladen. Vor allem auf Parkplätzen schlagen die organisierten Banden zu. Die Experten sprechen von täglichen Schäden in Millionenhöhe. De-Minimis-Zuschuss fürs Parken Ein neues Förderprogramm des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) könnte nun den Ladungsdieben hierzulande öfter die Tour vermasseln. Denn die Behörde bezuschusst im Rahmen des De-Minimis-Programms seit rund drei Wochen erstmals die Nutzung sicherer Lkw-Parkplätze. Güterverkehrsunternehmen erhalten bis zu 80 Prozent der Kosten zurück (siehe Kasten auf S. 17). Von der neuen staatlichen Beihilfe profitieren nicht nur Frachtführer und Spediteure. Auch die Vereinigung deutscher Autohöfe (VEDA) ist froh darüber. Anfang 2016 hat der Verband zusammen mit dem Logistikunternehmen Kühne + Nagel bezahlbare Sicherheits- und Kontrollstandards für seine Mitglieder entwickelt. Wer sie erfüllt, erhält ein Siegel: Premium-Lkw-Parkplatz. Wenn der Staat sich künftig an den Gebühren beteiligt, kurbelt er solche Konzepte an. Die Betreiber der Premium-Lkw-Parkplätze verzichten auf meterhohe Zäune aus Nato-Draht und andere teure Sicherheitsvorkehrungen. "Diese Features benötigen die meisten Fuhrunternehmen nicht", versichert VEDA-Geschäftsführer Herbert Quabach mit Blick auf den Start des EU-Projekts Setpos (Secure European Truck Parking Operational Services) in Deutschland im Jahr 2010. Vier Lkw-Sicherheitsparkplätze an Autohöfen seien seither als Hochsicherheitsanlagen mit immensen Kosten gebaut worden. Deshalb kostete das Abstellen eines Lkw über Nacht zwischen 20 und 100 Euro und sie wurden selten genutzt. "Dieses Angebot ist nur für einen ganz kleinen Nutzerkreis sinnvoll, nicht aber für die Masse der nationalen und internationalen Lkw-Flotten", sagt Quabach. Die Transportwirtschaft sei maximal bereit, zehn Euro pro Nacht zu zahlen, wenn dabei ein höherer Sicherheits- und Kontrollstandard als Schutz für Fahrer und Ladung angeboten wird. Mittlerweile existieren nur noch die Lkw-Sicherheitsparkplätze in Uhrsleben und Wörnitz. Für sie steigt der Wettbewerb zu Premium-Lkw-Parkplätzen, die in der Regel vier Euro pro Nacht kosten und sich auf Zufahrtskontrollen, optimale Beleuchtung und durchgehende Videoüberwachung beschränken. Die VEDA-Zertifizierung ziele vor allem auf Abschreckung ab, absolute Sicherheit könne niemand garantieren. Immerhin: "Es kann keiner den Lkw-Parkplatz von außen betreten, ohne auf einem Video zu sein." Straftaten ließen sich dadurch besser verfolgen. Sicherheitsinitiative von Kühne + Nagel Mark Green hat dazu beigetragen, dass immer mehr Autohöfe Premium-Parkplätze für Lkw anbieten. Vor gut zwei Jahren hat der Sicherheitsmanager für Europa bei Kühne + Nagel die VEDA kontaktiert und wegen des rasant zunehmenden Ladungsdiebstahls angeregt, die Stellflächen entlang der Autobahnen sicherer zu machen. "Es gab und es gibt noch viel zu wenige Sicherheitsparkplätze", sagt Green. Dass deren Nutzung jetzt bezuschusst wird, begrüßt er. "Wichtig ist, dass die Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen, nicht zu hoch sind." Höhere Anforderungen hätten höhere Investitionen in Sicherheit und somit höhere Gebühren für die Nutzer zur Folge gehabt. Denn trotz der BAG-Beihilfe, das weiß auch Green, wird im Güterverkehrsgewerbe weiter diskutiert: Wie viel darf Parken kosten und wer muss zahlen? Um diese Diskussion kommt auch Kühne + Nagel nicht herum. Das Unternehmen empfiehlt seinen Subunternehmen, Premium-Lkw-Parkplätze zu nutzen. "Hier sind auch die großen Logistiker gefragt, dieses Thema stärker gegenüber ihren Frachtführern zu kommunizieren", betont Green. Allerdings zahlt sein Arbeitgeber nicht die Gebühren für das Parken. "Mit der Ware geht letztlich die Verantwortung auf den Frachtführer über", argumentiert der Sicherheitsexperte. Meinung der Frachtführer ist geteilt Die Meinungen der Frachtführer zur noch jungen Förderung gehen auseinander: Die einen halten sie für sinnvoll und hilfreich, die anderen finden sie überflüssig. Der Logistikdienstleister Reichhart in Gilching nimmt regelmäßig Premium-Lkw-Parkplätze in Anspruch: "Wir nutzen den Autohof in Schweitenkirchen, weil er optimal für unsere Verkehrsströme liegt und dort auch ein Wechselpunkt für die Fahrer ist", sagt Mario Fuchs, Leiter der Business Unit Transportlogistik. Grund dafür sind die hochwertigen Güter. "Entweder kommt der Kunde auf uns zu und will, dass die Fahrzeuge auf einem sicheren Parkplatz stehen. Oder wir schlagen ihm das vor", sagt Fuchs. Vor allem dann, wenn die Ware nur nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen versichert ist und der Warenwert deutlich darüberliegt. Die Parkplatzgebühren übernimmt bei Reichart der Auftraggeber. Daher ist der Zuschuss durch das BAG für das Unternehmen nicht entscheidend. Fuchs kann sich aber vorstellen, dass für andere Unternehmen die Förderung über das De-Minimis-Programm ein Anreiz sein kann, die kostenpflichtigen Stellplätze entlang der Autobahnen zu nutzen. Ähnlicher Ansicht ist man bei der Spedition Reinert Logistic mit Sitz in Schleife (Sachsen). Sie hat schon häufiger Erfahrungen mit dem Diebstahl von Lkw und dem Aufbrechen von Aufliegern machen müssen. Das Unternehmen hat 780 eigene Fahrzeuge im Einsatz und ist bundesweit an neun Standorten vertreten. "Es gibt organisierte Banden, die sich auf den Klau ganzer Lkw-Züge oder der Ware auf dem Anhänger spezialisiert haben. Zu deren Opfern zählen leider auch wir", sagt Stephan Opel, Geschäftsführer bei Reinert. Daraufhin hat sich das Unternehmen mit Kunden und Lieferanten zusammengesetzt und überlegt, was man tun kann. Seit Oktober 2017 nutzt Reinert öffentliche Premium-Lkw-Parkplätze. "Es gibt davon noch zu wenig, weshalb wir auch bei befreundeten Speditionen parken", ergänzt Opel. Noch seien beide Möglichkeiten innerhalb der Branche viel zu wenig bekannt. "Eine Förderung kann dazu führen, dass diese Maßnahme mehr in den Fokus rückt", so der Geschäftsführer. Nach seiner Meinung ist dies unbedingt notwendig vor dem Hintergrund, dass die Fahrer bei Diebstählen immer häufiger Opfer von Gewalt werden. Für ihn ist deshalb nicht die Förderung der Grund, verstärkt sichere Parkplätze anzufahren. Entscheidender seien deren Lage und das Sicherheitsniveau. De-Minimis wird oft anderweitig genutzt Auch anderen Unternehmen wie der Spedition RTS Transport Service mit Sitz in Dassendorf bei Hamburg und über 390 eigenen Fahrzeugen geht es so. "Immer häufiger werden Planen aufgeschlitzt oder Schlösser an Wechselbrücken geknackt", sagt der Geschäftsführer Jürgen Klein. Seit einem Jahr fahren RTS-Lkw vermehrt Premium-Parkplätze an. Die Parkgebühren legt bei RTS der Fahrer aus und erhält sie dann zurück. "Wir können diese Kosten den Kunden leider nicht in Rechnung stellen, das akzeptieren die nicht", sagt Klein. Die De-Minimis-Beihilfe hält er zwar für durchaus sinnvoll. "Aber mit der Anzahl unserer Fahrzeuge können wir sie auch über andere Maßnahmen ausschöpfen", ergänzt er. Für sein Unternehmen stelle die Förderung insofern keinen zusätzlichen Anreiz dar. VEDA-Premiumkonzept zeigt Wirkung 50 Stellplätze, 27 Leuchten, 11 Kameras, eine Schranke. Das ist sicheres Lkw-Parken am Autohof Krefeld an der A 44 in Zahlen ausgedrückt. Es handelt sich um den ersten Autohof einer Mineralölgesellschaft, der kürzlich von der VEDA für seinen Lkw-Premiumparkplatz ausgezeichnet worden ist. Quabach hofft, dass im Erfolgsfall der BAG-Förderung weitere Mineralölgesellschaften in die Sicherheitssysteme ihrer Autobahnanlagen investieren und nicht mehr nur auf den Spritverkauf setzen. Seit dem Start der VEDA-Initiative für Premiumparken habe sich die Zahl der Übergriffe massiv verringert, bilanziert Johannes Witt, Geschäftsführer der Euro Rastpark-Gruppe mit derzeit 18 Standorten. "Während zum Beispiel an unserem Autohof Theeßen an der Osteuropa-Route A 2 früher bis zu neun Delikte pro Woche von der Polizei erfasst wurden, geht seit der Umrüstung des Parkplatzes im April 2016 die Zahl der Delikte gegen Null." Ähnliche Trends zeigten sich an weiteren Euro-Rastparks. Das Konzept zeigt auch andernorts Wirkung, wie ein Vorfall auf dem Autohof Bad Rappenau an der A 6 zeigt. Im Mai 2016 wurden dort Fernsehgeräte im Wert eines fünfstelligen Betrages von einem Lkw gestohlen. An der Aktion waren sechs Personen und drei Fahrzeuge beteiligt. Weit kamen die Diebe damit allerdings nicht. Dank des videoüberwachten Lkw-Parkplatzes konnten die Kennzeichen anhand des Bildmaterials identifiziert und bei der anschließenden Polizeifahndung einzelne Fahrzeuge ermittelt werden. Die Euro Rastpark-Gruppe spürt seit 2017 eine steigende Nachfrage an sicheren Lkw-Parkplätzen: "Anfangs gab es viel Kritik und wir wurden wegen der Kosten gemieden. Inzwischen sind wir bei einer Auslastung von 110 bis 120 Prozent", sagt Witt. 2018 wird das Netz weiter wachsen VEDA-Geschäftsführer Quabach hofft, dass künftig noch mehr Autohofbetreiber in die Sicherung ihrer Areale investieren und sie zertifizieren lassen. Bisher weist das Netz der Premium-Lkw-Parkplätze in Nord- und Ostdeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen einige Lücken auf. "Wenn der Erfolg anhält, gehe ich davon aus, dass weitere Betreiber größerer Stationen mitmachen und das System sich flächendeckend ausbreitet", meint auch Witt. Bis zu zehn Autohöfe wollen ihre Lkw-Parkplätze allein in diesem Jahr nach VEDA-Angaben aufrüsten. Dabei bleibt es sicherlich nicht. Nach Einschätzung von Jan-Philipp Weers, zuständig für die Online-Plattform Bosch Secure Truck Parking, erfüllen bundesweit derzeit mindestens 40 Autohöfe die Voraussetzungen für die neue Förderung. "Inwieweit diese Autohöfe auch in der Lage sind, eine Sammelrechnung anzubieten, wissen wir nicht", erklärt er. Weers geht davon aus, dass darüber hinaus bereits rund 230 Areale, die Unternehmen anderen als Parkmöglichkeiten anbieten, die Kriterien erfüllen. Am grundsätzlichen Problem des Lkw-Parkplatzmangels in Deutschland dürfte die neue BAG-Beihilfe allerdings nichts ändern. "Wegen dieser Förderung wird kein Parkplatz mehr gebaut werden", ist sich Witt von der Euro Rastpark-Gruppe sicher. Denn die Investitionen würden sich oft nur langsam amortisieren und die wichtigen Verkehrsknoten sind aus seiner Sicht versorgt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier De-Minimis www.verkehrsrundschau.de/dossiers Statistik Ladungsdiebstahl nimmt zu Obwohl Frachtführer und Spediteure immer umsichtiger Güter transportieren und moderne Technik dabei bereits oft für mehr Sicherheit sorgt, nimmt der Ladungsdiebstahl jedes Jahr zu. Laut Thorsten Neumann, Europachef der Transported Asset Protection Association (TAPA), sind Deutschland und Großbritannien die am häufigsten betroffenen Nationen bei Ladungsdiebstählen. Er beziffert den Wert der Waren, die jedes Jahr hierzulande von Lkw gestohlen werden, auf 1,2 Milliarden Euro. Die deutsche Polizei geht davon aus, dass ein Großteil der Diebesbanden aus Osteuropa kommt, die oft in professionellen Banden organisiert sind und zunehmend raffinierter vorgehen. Der Verkauf der Beute ist laut der deutschen Polizei gut organisiert. Am häufigsten seien Ladungsdiebstähle durch Planenschlitzer. In zwei Drittel aller Fälle schlagen die Langfinger bei Lkw auf unbewachten Parkplätzen zu. ag Statement "Förderung allein genügt nicht" Der Mangel an Lkw-Parkplätzen an Bundesfernstraßen ist ein bekanntes Problem. Um Sozialvorschriften einhalten zu können, müssen viele Lkw-Fahrer oft auch verkehrswidrig parken. Trotz der Bemühungen der Bundesregierung, vorhandene Parkplätze auszubauen und neue zu schaffen, hinken die Kapazitäten dem Bedarf weit hinterher.Diesem grundlegenden Mangel an Parkplätzen wird auch die Förderung der Benutzung sicherer Parkplätze nicht abhelfen können. Neben dem Sicherheitsgedanken müssen für förderungswürdige Parkplätze aber auch die sozialen Belange (Verpflegung, Dusch- und Sanitäreinrichtungen) der Lkw-Fahrer im Blickpunkt stehen.Gefordert sind hier insbesondere private Investoren auf autobahnnahen Autohöfen und Firmengeländen. Denn eines darf nicht passieren: Die Förderung darf nicht dazu führen, dass durch Steuergelder finanzierte öffentliche Rastanlagen an den Autobahnen plötzlich als sichere Parkplätze umgewidmet und mit Gebühren belegt werden!Trotzdem ist die Förderung sinnvoll angelegtes Steuergeld, wenn auch bezweifelt werden darf, dass die Maßnahme auf eine nennenswerte Resonanz stoßen wird. Zum einen wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit qualifizierter Parkplätze, vor allem aber wegen des letztendlich geringen finanziellen Volumens und des vergleichbar hohen Bürokratieaufwandes dieser Fördermaßnahme.Der erste Schritt muss ein forcierter Ausbau der Kapazitäten an und in der Nähe der Autobahn sein, erst dann machen zusätzliche Parkplatzkriterien und Förderungen wirklich Sinn. Mehr unter: www.bwvl.de Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL)

Der Staat bezahlt das Parkticket

Preisveränderung nach Paletten, Teil- und Komplettladungen

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