Der Magnet-Trick ist längst überholt

Herr Pernutz, wie oft prüft das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) eigentlich, ob der digitale Tachograf manipuliert worden ist? Das Thema hat beim BAG einen hohen Stellenwert. Wir kontrollieren im Bereich der Manipulationen auf Basis der Kontrollrichtlinie 22/2006 sowie der Empfehlung der EU-Kommission aus dem Jahr 2009 und mit zehn Prozent aller Kontrollaktivitäten übererfüllen wir unsere Quote sogar. Sind andere Länder der Europäischen Union denn weniger bemüht, wenn es um Straßenkontrollen im Güterverkehr geht? Es gibt unterschiedliche Philosophien. Einige EU-Länder haben teilweise weniger Kontrollen, dafür gibt es dort aber härtere Strafen. Grundsätzlich ist es schwierig, Zahlenvergleiche über die Kontrollen zu machen, denn wir haben innerhalb Europas unterschiedliche Rechtssysteme und kaum vergleichbare Standards. Hier gibt es also kein"einig Europa"? Unser Ziel ist, die Kontrollquote und -qualität in allen europäischen Ländern hochzuhalten. Wir versuchen auch durch Kooperationen wie den Zusammenschluss von Kontrollbehörden der Mitgliedsländer der Europäischen Union (TISPOL) oder Euro Contrôle Route (ECR), einen Austausch zu erreichen und einheitliche Kontrollstandards in Europa zu definieren. In ECR sind 14 Mitgliedstaaten beteiligt, um die internationale Zusammenarbeit auf Kontrollebene weiterzuentwickeln, zu vertiefen und die Rechtsvorschriften innerhalb der europäischen Union einander anzunähern. Es gibt Gerüchte, dass Digitachos wieder vermehrt manipuliert werden. Was ist dran? Wir stellen nicht fest, dass die Zahl der Manipulationen zurückgeht. In den allgemeinen Kontrollen kommen wir auf eine Beanstandungsquote von rund 25 Prozent. Aber zu diesem Themenbereich zählen zum Beispiel auch eine 'falsche' Fahrerkarte oder die falsche Kalibrierung des Kontrollgerätes. Generell kontrollieren wir mehr, was zu mehr Beanstandungen führt. Für Spezialkontrollen haben wir darüber hinaus besonders geschulte Beamte - von den 230 Kontrolleuren aktuell rund 15 Prozent. Was können diese Spezialkräfte des BAG? Im Regelfall sind das Ingenieure oder Kfz-Meister und sie haben eine besondere Ausrüstung. Unter anderem Endoskop-Kameras, OBD-Lesegeräte und eine spezielle Auslese-Software. Wer sind die Trickser und wie gehen sie vor? Auf jeden Fall sind es nicht nur die Ausländer, wie oft kolportiert. Bei der Überschreitung der Lenk- und Ruhezeiten sind es öfter deutsche Fahrer und bei den Technik-Manipulationen eher nichtdeutsche Fahrer mit Schwerpunkt Osteuropa. Wir haben einige Fälle dokumentiert, bei denen tiefe Eingriffe in die Fahrzeugelektronik stattfanden. Es gibt jede Menge Gerüchte, was angeblich alles möglich ist: von Karten überschreiben bis zur vollständigen Neubearbeitung des Massenspeichers. Gibt es den klassischen Magnet-Trick noch? Mit der neuen Gerätegeneration hat sich das Thema erledigt. Aber derjenige, der betrügen will, entwickelt sich weiter. Es gibt neue Tricksereien. Aber haben Sie Verständnis, dass wir da weder eine Anleitung geben noch einen Ideen-Wettbewerb ausschreiben wollen. Auf jeden Fall kann diese komplexen Lösungen nicht mehr allein der Fahrer machen, das kommt von anderen. Lediglich bei Fahrzeugen mit älteren Fahrtenschreibern finden wir immer mal Magneten. Manchmal tauschen aber auch Unternehmer unerlaubt neue Digitachos, die vom Baujahr des Fahrzeugs eigentlich verbaut sein müssten, gegen alte Geräte, die natürlich manipulationsanfälliger sind. Gehen denn die Manipulationen vorwiegend von den Fahrern aus? Das können wir im Einzelfall nicht nachvollziehen. Wenn unsere Kontrolleure einen Verdacht haben, geht das an die Staatsanwaltschaft, die zu ermitteln beginnt. Zu den endgültigen Ermittlungsergebnissen erfahren wir dann nichts mehr. Welche Strafen drohen bei Manipulation? Das Strafmaß ist weit gefächert. Für Urkundenfälschung etwa droht Gefängnis bis zu fünf Jahren - theoretisch auf jeden Fall. Bei der Verhängung von Bußgeldern wird meist Vorsatz festgestellt, was für den Fahrer eine Geldstrafe von bis zu 5000 und für den Unternehmer seit Neustem von bis zu 30.000 Euro bedeuten kann. Letztlich hängt das immer vom ermittelnden Staatsanwalt ab. Fahrer sehen es oft als Kavaliersdelikt an. Dafür riskieren sie empfindliche Bußgelder. Was passiert, wenn die Kontrolleure des BAG eine Manipulation entdecken? Wir holen normalerweise die Polizei dazu, die den Fall protokolliert und an die zuständige Staatsanwaltschaft übergibt. Je nach Herkunftsland muss der Fahrer eine entsprechende Sicherheitsleistung in bar hinterlegen. Und in besonderen Fällen melden wir diese an die entsprechenden nationalen Kontrollorgane weiter. Das führte in manchen Fällen schon zum Lizenzentzug für betroffene Fuhrunternehmen. Liegen auch Verstöße gegen die Sozialvorschriften vor, muss der Fahrer zum Beispiel Ruhepausen nachholen. Was Fahrer aber nicht vergessen sollten: Manipulationen werden in anderen Ländern viel drastischer bestraft. Wer zum Beispiel in England mit einem Magneten erwischt wird, dem droht eine sofortige Gefängnisstrafe. Kann man keinen Digitacho bauen, der sich nicht überlisten lässt? Wohl nicht. Das ist ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Beteiligten. Man kann nicht alle Daten vom Digitacho, aus der Fahrzeugelektronik und vom Mautsystem zusammenschalten. Dann kämen wir schnell an Grenzen des Datenschutzes. Wesentliche Änderungen wird die nächste Gerätegeneration mit sich bringen. Etwa ab 2019 wird das Auslesen von Daten aus dem Kontrollgerät im Vorbeifahren möglich sein. Trotz allem: Ich denke, wir sind gut aufgestellt, um Manipulationen nachweisen zu können. Mehr zum Thema unter Digitaler Tachograf www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Hans-Gerhard Pernutz Der studierte Jurist war von 2006 bis Juli 2015 Referatsleiter der Abteilung Straßenkontrolldienst in der Zentrale des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) in Köln. Davor leitete Pernutz die BAG-Außenstellen in Erfurt und Mainz. Der 60-jährige Regierungsdirektor ist inzwischen Leiter der BAG-Außenstelle in Saarbrücken und nimmt parallel dazu im Vorstand der europäischen Kontrollorganisation Euro Contrôle Route Aufgaben auf internationaler Ebene wahr.ag Behörde Bundesamt für Güterverkehr Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) nimmt als selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministeriums viele Aufgaben rund um den Güterkraftverkehr wahr. Das Spektrum reicht von der Kontrolle der Sozialvorschriften über die Bewilligung von staatlichen Fördermitteln und die verkehrsträgerübergreifende Marktbeobachtung bis hin zur Erhebung und Verwaltung der Lkw-Maut.Straßenkontrollen sind das Hauptaufgabenfeld des BAG. 230 Kontrolleure überwachen derzeit 12.000 Kilometer deutsche Autobahn - unter anderem in Bezug auf technische Sicherheit der Fahrzeuge und die Einhaltung der betreffenden Gesetze im Güterverkehr. ag