Online-Versandhändler Ebay hat soeben den britischen Sameday-Dientleister Shutl übernommen, der binnen 90 Minuten nach Bestellung die Ware zustellt. Welches Signal setzt dies für den Paket- und Logistikmarkt?
Rico Back: Einige unserer Wettbewerber bieten bereits „Sameday Delivery“ als Zusatzservice. Das sind aber alles bislang keine massentauglichen Systeme, die wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg bescheren. Und keiner weiß, ob Menschen künftig tatsächlich ihre Produkte morgens bestellen und am Nachmittag haben wollen.
GLS wird also kein entsprechendes Produkt auflegen?
Gedanken machen wir uns schon. Ich habe aber noch keine Antwort darauf gefunden, wie man die dadurch entstehenden Kosten mit dem zu erzielenden Preis decken kann. Die Rendite muss schließlich stimmen!
Für wie wahrscheinlich erachten Sie es, dass dem Beispiel Ebay nun andere Online-Größen wie Amazon folgen und ebenfalls ihren eigenen Paketdienst aufbauen?
Auf alle Fälle reichen die Mengen bei Amazon aus, um einen eigenen Paketdienst aufzumachen. In den USA macht es Amazon im Grunde ja schon. Grund dafür ist, dass jeder Online-Händler immer nach Möglichkeiten sucht, wie er seinen Kunden möglichst einen besseren Service bieten kann.
Nochmals gefragt: Müssen Paketdienstleister bangen, weil Onlinehändler nun ihre eigenen Zustellnetze aufziehen statt dieses Geschäft an Dienstleister outzusourcen?
Wir betreiben dieses Geschäft nun seit fast 25 Jahren und verfügen daher über ein Know-how und über ein Netzwerk, das nicht einfach zu kopieren ist. Daher ist mir nicht bange. Und Wettbewerb belebt das eigene Geschäft.
Was bedeutet alles das für GLS? Ihr Unternehmen kommt ja traditionell aus dem B2B-Geschäft. Jetzt müssen Sie auch zunehmend Privatkunden beliefern. Werden Sie nun zum B2C-Dienstleister?
Wir kommen aus dem B2B-Geschäft und das bleibt auch unser Fokus. Durch das Wachstum im Online-Handel bieten wir unseren Kunden vermehrt auch eine Zustellung an den Endempfänger an. Mittlerweile gehen rund 27 Prozent unserer Pakete an Privatkunden. Was das für uns bedeutet? Ganz klar: zusätzliche Herausforderungen! Die steigenden B2C-Mengen, die mangelnde Erreichbarkeit und Mengen-Schwankungen von bis zu 30 Prozent innerhalb einer Woche – alles das sind Themen, die bei uns und in der gesamten Paketdienstbranche im Moment anstehen.
Verdienen Sie mit B2C-Paketen Geld?
Der B2C-Versand ist ein Einmalstopp. Jeder Stopp eines Fahrzeugs kostet im Schnitt 2,50 Euro. Entscheidend dabei ist, wie viele Pakete man bei einem Stopp abliefert. Die Kalkulation bei einem Paket an einem Stopp ist eine andere als bei zehn Paketen an einem Stopp. Es ist also eine Mischkalkulation auf einer Zustelltour.
Bleibt da wirklich etwas hängen?
Der Durchschnittspreis eines Pakets liegt ja im Moment bei gerade einmal vier Euro.
Je nach Gewicht und Umfang erhalten wir zwischen drei und fünf Euro. Wie gesagt, es ist eine Mischkalkulation und daher nicht pauschal zu beziffern.
Wie viel Rendite erwirtschaftet GLS mit einem B2C-Paket im Schnitt?
Das kann man nicht einfach pauschal beantworten, da es sich bei B2C-Paketen um eine Mischkalkulation handelt.
Tatsache ist: Die letzte Meile ist für die Paketdienste teuer. Nicht umsonst haben Sie in der Zeitung „Welt“ gefordert: „Wir brauchen einen Bewusstseinswandel. Onlinebesteller müssen sich ihre Sendungen selbst abholen.“
Das Ziel von GLS ist es, die Belieferung von Privatpersonen für alle Beteiligten so effizient und bequem wie möglich zu gestalten. Dafür sollten sich die Online-Besteller Gedanken darüber machen, wo das Paket in Empfang genommen werden kann – am besten bereits bei der Bestellung von Waren. Es nützt dem Empfänger nichts, wenn der Paketdienstleister nach Hause liefert, wenn dort niemand anwesend ist.
Genau deshalb erhöht zum Beispiel DPD die Anzahl seiner Paketshops in Deutschland auf 8000 und in Europa auf 15.000, und DHL plant hierzulande gar 20.000 weitere Shops. Was hat GLS vor?
Wir haben in Deutschland im Moment rund 5000 Paketshops und in Europa rund 14.000. Viel wichtiger ist für uns im Moment die Frage, wie wir die Prozesse in den Paketshops noch effizienter gestalten können – sowohl für den Paketshop-Betreiber als auch für den Endkunden, der das Paket abholt. Ziel muss sein, dass ein Endkunde im Paketshop binnen drei Minuten sein Paket erhält. Dafür pilotieren wir im Moment eine entsprechende IT-Lösung in den Paketshops. Ob wir dann noch weitere Paketshops benötigen, wird man sehen.
Ihre Zurückhaltung überrascht. Immerhin baut auch UPS in Deutschland derzeit Paketshops auf. Ziel sind mittelfristig sogar 4500.
Es gibt in Deutschland einen Kampf um jeden Kunden, einen Kampf um die besten Fahrer. Und nun gibt es eben auch einen Kampf um die besten Paketshops. Man nennt so etwas Marktwirtschaft, auch Wettbewerb. Natürlich ist es eine Herausforderung, in so einem Umfeld zu bestehen. Dass wir das können, haben wir aber in der Vergangenheit bewiesen.
Mit welchen neuen Services für Privatkunden wollen Sie denn konkret punkten?
In Wien haben wir zum Beispiel ein Pilotprojekt aufgesetzt, das die Spätzustellung ermöglichen soll, sprich: die Zustellung zwischen 16 und 20 Uhr. Ob wir diese Option dann österreichweit oder auch in anderen Ländern ausrollen, werden wir sehen. Letztlich entscheiden das unsere Kunden. Außerdem werden wir stärker in IT-Lösungen investieren, um die Kommunikation mit Privatkunden weiter auszubauen.
Stellt GLS Ihnen denn dafür nun, dank der Privatisierung Ihres Mutterkonzerns Royal Mail, mehr Geld für Investitionen zur Verfügung? Wenn ja, was werden Sie damit anfangen?
Wir werden in unsere IT-Systeme bis 2016 eine erhebliche Summe investieren. Unser Ziel ist es, damit im europäischen Paketmarkt die Nummer eins in der Informationslogistik zu werden. Denn nur wer die Informationslogistik beherrscht, erbringt auch ein optimiertes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Das Geschäftsjahr von GLS endet bekanntlich im März. Sie müssten also soeben die Halbjahres-Zahlen für Ihr Unternehmen frisch auf den Tisch bekommen haben. Wie haben sich die Sendungsmengen und der Umsatz Ihres Unternehmens im Vergleich zum Vorjahr entwickelt?
Die Royal Mail wird am 27. November die Halbjahreszahlen veröffentlichen. Erst dann können wir diese Frage beantworten.
Welche Ziele haben Sie sich mit GLS vor diesem Hintergrund für 2014 gesetzt?
Wir wollen in diesem Herbst der Qualitätsführer der Branche sein. Die Qualität im Herbst entscheidet über die Höhe des Geschäftsvolumens im kommenden Jahr. Und da im Herbst traditionell unsere Paketmengen um bis zu 30 Prozent steigen, haben wir uns entschieden, kein weiteres Neugeschäft bis Dezember 2013 zuzulassen. So garantieren wir unseren Bestandskunden eine exzellente Leistung im Standardpaket-Service.
Was ist schlussendlich die wichtigste Baustelle, die Sie 2014 schließen wollen?
Die größte Herausforderung für uns alle im Paketgeschäft ist die Volatilität. Innerhalb einer Woche haben wir inzwischen Mengenschwankungen von bis zu 30 Prozent. Die Glättung dieser Schwankungen wird für GLS und alle Paketdienste das Thema der Zukunft. Denn diese Volatilität verursacht enorme Kosten. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Problem lösen. Daran arbeiten wir derzeit intensiv mit unseren Zustellpartnern. Mehr dazu in neun Monaten – nach Abschluss unseres Projekts!
Das Interview führte VR-Redakteurin Eva Hassa