Der Jobmotor läuft heiß

Das Flächenthema kennen wir seit einigen Jahren, ganz akut dazugekommen ist zuletzt das Thema Arbeitskräfte", stellt Uwe Veres-Homm von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) fest. Der Koordinator der Geschäftsfelder Logistik, Transport und Mobilität präsentierte gemeinsam mit Co-Autor Alexander Nehm von Logivest Concept auf der diesjährigen Expo Real die neue Logix-Studie. Diese widmet sich dezidiert den Flächen- und Beschäftigungspotenzialen in den deutschen Logistikregionen. "Wir haben uns dabei auf die 23 relevanten Logistikregionen in Deutschland konzentriert", so Veres-Homm. Diese wurden wiederum in neun Cluster eingestuft, die die jeweilige Situation veranschaulichen (siehe Grafik Seite 43). Deutliches Nord-Süd-Gefälle Die Studie zeigt dabei ein deutliches Nord-Süd-Gefälle auf. "Südlich des Mains verläuft eine Linie, wo sowohl das Flächenals auch Arbeitskräftepotenzial sehr ausgeschöpft sind", so Veres-Homm. Er führt vor allem die Logistikregionen Donau, München, Nürnberg, Rhein-Neckar, Stuttgart und Schwaben an. "Unsere Matrix zeigt auf, dass es deutschlandweit keine einzige Region gibt, die gleichzeitig überproportionale Flächen- als auch Arbeitskräftepotenziale aufweist", so der Fraunhofer-SCS-Forscher. Ein genauerer Blick darauf ergibt ferner: In Bezug auf Flächen existieren in den Regionen Bremen, Erfurt und Leipzig/Halle offenbar noch die größten Potenziale. Hinsichtlich der Arbeitskräfteverfügbarkeit können in Berlin, der Region Niederrhein und im östlichen Ruhrgebiet noch relativ gute Rahmenbedingungen festgestellt werden. In Hamburg und der Region Rhein-Main ist die Situation, zumindest in Bezug auf die Flächenverfügbarkeit, dagegen alarmierend, wenngleich sich das Arbeitskräftepotenzial noch im Mittelfeld bewegt. Jobmotor Logistik In der Region Erfurt derweil gibt es aufgrund des zuletzt sehr dynamischen Ansiedlungsgeschehens einen akuten Lagerfachkräftemangel, Flächen sind jedoch noch ausreichend vorhanden. Dass der Jobmotor in vielen Logistikregionen heiß läuft, belegen folgende Zahlen: Während im Jahr 2000 noch 2,28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den Bereichen Transport, Umschlag oder Lagerung beziehungsweise in den damit verbundenen Planungs- und Koordinationsaufgaben tätig waren, lag die Gesamtzahl der Logistikbeschäftigten im Juni 2017 bei rund 2,74 Millionen. Das entspricht einem Zuwachs von über 20 Prozent. Ein Großteil dieser Dynamik betrifft dabei die operativ Beschäftigten in Logistikimmobilien: Die Anzahl der Lagermitarbeiter stieg im gleichen Zeitraum von 1,06 auf 1,45 Millionen. Vor allem seit 2012 verzeichnen die Studienautoren einen sprunghaften Anstieg der Beschäftigungsverhältnisse in Lagerberufen. Dieses Wachstum ist jedoch regional nicht gleichmäßig verteilt. Ein guter Indikator für die regionale Bedeutung der Lagerlogistik ist dabei der Anteil der Angestellten in Lager- und Umschlagsberufen an der Gesamtbeschäftigung. Diese Quote liegt aktuell im bundesweiten Durchschnitt bei 4,5 Prozent. In der Logistikregion Bad Hersfeld aber, wo bereits eine sehr hohe Konzentration von Logistikansiedlungen vorliegt, beträgt sie dagegen bereits 15 Prozent. "Hier dürfte eine natürliche Grenze erreicht sein, wo nicht mehr beliebig viele Mitarbeiter zu rekrutieren sind", sagt Veres-Homm. Bei einer Neuansiedlung, bei der auf einen Schlag oft mehrere Hundert neue Mitarbeiter gebraucht werden, gehe in den Regionen mit niedrigem Arbeitskräftepotenzial ohne Personaldienstleister, die die Rekrutierung von langer Hand angehen, gar nichts. Automatisierung ist keine Patentlösung In den Regionen, in denen sowohl Flächenals auch Arbeitskräftemangel besteht, sind die Folgen bereits heute zu spüren, betont Alexander Nehm. Neben dem Trend zur Zersiedelung - wer am Wunschort nicht fündig wird, weicht auf nächstgelegene Standorte aus - sei mittlerweile auch die Abwanderung ein Thema. "Wenn das produzierende Gewerbe irgendwo einen Standort hat, aber für die Logistik keine Flächen findet, kann es dazu führen, dass solche Unternehmen abwandern", so der Studienautor. "Wo keine Arbeitskräfte mehr zur Verfügung stehen, wird zudem verstärkt über Automatisierung nachgedacht", so Nehm weiter. Der Logix-Studie zufolge könnten Unternehmen damit theoretisch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Man mache sich von der Arbeitskraftproblematik unabhängig und könne dank Automatisierung gleichzeitig Effizienzpotenziale hinsichtlich der Gebäudehöhe und damit des Grundflächenbedarfs ausschöpfen. Für Kommunen wiederum wachse die Attraktivität derartiger Ansiedlungen damit allerdings nur bedingt. Diese möchten schließlich möglichst viele Arbeitskräfte in Lohn und Brot wissen, auch baurechtlich seien höhere Gebäude noch schwer umzusetzen. In Ballungsräumen derweil führe insbesondere die Flächenknappheit zu einer heterogenen Immobiliennutzung. "Die Standard-Immobilie für die urbane Logistik gibt es schlichtweg nicht", sagt Nehm. Da in den Städten zudem kaum neue Flächen entstünden, bleibe nur, bestehende Flächen und Gebäude umzunutzen. "War for Talents" in vollem Gang Eine weitere Folge, die wiederum vor allem in Regionen mit knappen Personalressourcen zu beobachten sei, sei ein regelrechter "War for Talents". Dieser beschränke sich nicht länger auf hochqualifizierte Fachkräfte, sondern auch auf einfaches Lagerpersonal. Hier habe die Logistik laut Nehm zumal einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Arbeitgebern aus der Industrie, die oft bessere Gehälter bieten. Logistiker müssten also adäquat zahlen, um hier mithalten zu können. Die Studie führt zudem nicht monetäre Benefits und flexible Arbeitszeitmodelle und Fortbildungsmöglichkeiten ins Feld, um im Wettbewerb der lokalen Arbeitgeber zu bestehen. Mehr zum Thema im Dossier Logistikimmobilien www.verkehrsrundschau.de/dossiers