Der größte Kleine

Nur fünf Fahrstufen erscheinen Ihnen nicht mehr zeitgemäß? Oder Sie planen ihren neuen Stadtlieferwagen vorrangig auf der Autobahn einzusetzen und wollen deshalb Drehzahl und Verbrauch durch einen sechsten Gang reduzieren? Dann müssen Sie beim - technisch bekanntlich vom Renault Kangoo abstammenden - Mercedes Citan zwangsläufig zum Topdiesel greifen. Doch bevor Sie nun zusammenzucken und ihre Budgetplanung ins Wanken geraten sehen: Topmodell heißt beim Citan humane 110 PS aus bescheidenen 1,5 Litern Hubraum. Deren Kraftverteilung, anders als bei den schwächeren Citan-Dieselmodellen, aber eben ein Sechsganggetriebe übernimmt. Und das verleiht dem Antriebsstrang bei höherem Tempo spürbar mehr Souveränität und bringt vor allem mehr Ruhe in den Innenraum. Gemäßigte 2500 Touren liegen bei 120 km/h an, da durchbrechen die Fünfgang-Citan-Versionen bereits die 3000er-Marke. Wohlfühlatmosphäre will sich trotzdem nicht so recht einstellen. Zu trist wirken die verwendeten dunklen Kunststoffe im Citan-Innenraum, zu raumfüllend türmt sich der klobige Armaturenträger vor dem Fahrer auf. Dem fehlt zusätzlich eine im Transportalltag wichtige Ablage für DIN-A4-Dokumente und der zusammengewürfelte Mix von Daimler- und Renault-Schaltern findet bei Mercedes-Fans wenig Gefallen. Ebenfalls nicht recht zum Stern passt das lediglich in der Höhe verstellbare Lenkrad. Trotz serienmäßiger Höhenverstellung des langstreckentauglichen Fahrersitzes finden Großgewachsene so nur schwer eine bequeme Position. Elastischer Vierzylinder-Diesel Dafür unterstreicht der von Renault beigesteuerte Vierzylinder-Diesel auch in seiner stärksten Einstellung einmal mehr seinen Ruf als Elastizitätswunder. Trotz "nur" 1,5 Liter Hubraum akzeptiert der Common-Railer sogar noch 1000/min ohne Protest, dreht munter hoch und verrichtet seinen Job stets geschmeidig und kultiviert. Gut dazu passt der leichtgängig und verbindlich durch die Gassen flutschende "Joystick" des Sechsganggetriebes. Dank des elastischen Motors und 240 Newtonmeter Drehmoment ließ sich der Citan trotz 400 Kilo Ballast im Frachtraum aber äußerst schaltarm über die gemischte VR-Testrunde bewegen. Und benötigte dafür 6,1 l/100 km aus seinem 60 Liter fassenden Dieseltank. Womit sich der Mercedes auf Klassenniveau einreiht. Auf hohem Niveau liegt die Qualität des Fahrwerks. Hier zahlt es sich aus, dass Mercedes die Renault-Basis nach eigenen Vorstellungen überarbeitete. Im Vergleich zum eher weich angestimmten französischen Original "klebt" der Citan satter und verbindlicher auf dem Asphalt. Etwas mau im Vergleich zu manchen Wettbewerbern fiel dafür die Zuladung beim Testwagen aus. Inklusive Fahrer und vollem Tank verharrte die Waage bei 1555 Kilogramm. Womit der 1,95-Tonner lediglich 395 Kilo Nutzlast bot und die Werksangabe von mindestens einer halben Tonne deutlich verfehlte. Letzterer Wert ließe sich zwar per Auflastung um 150 Kilo auf 2,1 Tonnen (233 Euro) erreichen, dann fiele allerdings das empfehlenswerte, aber eben nur für die Normalversion lieferbare Effizienzpaket namens Blue-Efficiency flach. Und das beinhaltet für humane 324 Euro unter anderem eine unauffällig gut arbeitende Start-Stopp-Anlage, die vor allem im Stadtverkehr Sprit sparen hilft. Am Ende bietet der kleinste Mercedes-Transporter auch mit stärkster Motorisierung gute Hausmannskost. Neue Maßstäbe kann die im Grunde bereits sieben Jahre alte Konstruktion aber nicht setzen. Zumal der Citan Mercedes-typisch kein Sonderangebot ist. In Kombination mit der stärksten Dieseleinstellung beginnen die Preislisten bei 17.130 Euro. Da sind deutlich jüngere Wettbewerber wie beispielsweise der neue Ford Transit Connect deutlich günstiger zu haben. Und auch er bietet sechs Fahrstufen.

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