"Den Elefanten in Scheiben schneiden"

Wie viele Kunden sind mittlerweile auf der Rio-Plattform registriert? Kaumanns: Inzwischen sind 120.000 Fahrzeuge mit der Rio-Box ausgestattet. Das sind Flotten von etwa 9000 Kunden. Wir verzeichnen starkes Wachstum. Noch zur IAA 2018 waren es 2500 Kunden. Unser Schwerpunkt liegt auf MAN-Modellen, wir integrieren aber auch Fahrzeuge anderer Marken. Die Mehrmarkenfähigkeit ist ja einer der Grundpfeiler von Rio. Wie viele Ihrer Kunden nutzen mehr als das kostenlose Basispaket "Rio Essentials"? Kaumanns: Die Zahlen steigen in ähnlichem Maß wie die Nutzerzahlen. Konkrete Zahlen nennen wir aber nicht. Rio hat sich als herstellerunabhängige Plattform für alle positioniert, man hörte zuletzt aber vor allem von Konzern-Projekten: Truckvermieter EuroLeasing etwa rüstet seine Flotte sukzessive mit der Rio-Box aus, jetzt steht die Digitalisierung der VW-Konzernlogistik an. Haben Sie Ihre Strategie geändert? Kaumanns: Das sind zwei verschiedene Dinge. Zum einen wollen wir für die Gruppe Mehrwert generieren. Wir sehen uns aber nicht als interne IT-Abteilung. Unser Ziel ist nach wie vor, nach außen aktiv zu sein. Die Erfahrungen im Konzern helfen dabei, das nötige Know-how aufzubauen und die Plattform auf stabilere Füße zu stellen. Sie möchten über Rio auch Toureninformationen abbilden. Wie viele TMS-Anbieter sind denn in das System eingebunden? Kaumanns: Ganz neu dabei sind die TMS-Anbieter Soloplan und LIS. Ein halbes Dutzend weiterer Anbieter steht unmittelbar vor der Anbindung. Insgesamt sind 30 Partner angeschlossen. Stade: Genau das ist für uns auch interessant. Wir wollen so offen sein, dass wir jedes Fahrzeug einbinden können, also heterogene Flotten abbilden. Erhalten die 150 Speditionen, die für die VWKL fahren, eine Rio-Box oder werden deren Telematiksysteme per Schnittstelle in Rio integriert? Stade: Unser Ziel ist eine Schnittstellenlösung, aber das ist nicht von heute auf morgen umsetzbar. Derzeit bekommen wir die Informationen von unseren Partnern in den wenigsten Fällen, wir müssen hier Transparenz reinbringen. Künftig verfolgen wir dabei einen "Bring your own device"-Ansatz. Kaumanns: Und hier sind wir auf einem guten Weg, wobei wir uns noch anschauen, wie wir das Ganze umsetzen. Falls es nicht ohne die Rio-Box geht: Werden die Speditionen, die für die VWKL fahren, in irgendeiner Weise dazu verpflichtet, sie zu nutzen? Stade: Das ist ein illusorisches Szenario. Für die Masse wird das nicht gehen. Allerdings sind unsere Partner schon heute vertraglich dazu verpflichtet, uns bestimmte Daten zur Verfügung zu stellen. Mit Rio möchten wir ihnen das so leicht wie möglich machen. Optimal dabei wäre daher die Schnittstellenlösung. Wird das von den Transporteuren auch so angenommen? Stade: Wir erleben beides - es gibt Partner, die die Vorteile sehen, es gibt aber auch Bedenkenträger, die vor allem um ihre Datensouveränität fürchten. Dabei erfassen wir anonymisiert nur die Bewegungsdaten zu unseren Sendungen. Und: Das System eröffnet gerade für kleinere Unternehmen und Mittelständler neue Möglichkeiten, denn angesichts des wachsenden Fahrermangels könnten sie stärker bei der Auftragsvergabe profitieren als bisher. Bis wann wollen Sie Ihre Transportpartner über Schnittstellen anbinden? Kaumanns: Wir müssen den Elefanten in Scheiben schneiden und zunächst einzelne Anwendungsfälle etablieren, mit denen wir im Kleinen Mehrwert schaffen. Dann werden hoffentlich andere Partner nachziehen. Eine Deadline haben wir uns dabei nicht gesetzt. Mit welchen Lösungen hat die VWKL denn bisher die Partner gesteuert? Stade: Das ist ein großer Vorteil: Wir starten hier auf der grünen Wiese. Zuvor wurden nur punktuell Apps eingesetzt. Herr Stade, was wünschen Sie sich von Rio konkret, um Ihre Prozesse zu optimieren? Stade: Zunächst einmal Transparenz, die wir ja aktuell in dieser Form nicht haben. An zweiter Stelle dann vergleichbare Aussagen, etwa zur voraussichtlichen Ankunftszeit von Sendungen (ETA) - Stichwort Datenqualität. Drittens möchten wir die gesamte Transportkette sauber erfassen und dokumentieren. Das erleichtert dann auch die Abrechnung und die Performancemessung. Künftig können wir dank Rio Prozessabweichungen hoffentlich besser, schneller und einfacher identifizieren. Langfristiges Ziel ist eine Art digitale Transportakte für jeden einzelnen Transport. Als viertes Ziel möchten wir mit Rio die Voraussetzungen für den papierlosen Transport schaffen. In weiteren Stufen wollen wir dann an unserem CO2-Footprint arbeiten und Emissionen gezielt tracken und senken. Ebenso möchten wir mit Rio unser Netzwerk optimieren und Touren sowie Sendungen bündeln. Sie rechnen mit Einsparungen in Millionenhöhe. Wo wollen Sie diese generieren? Stade: Da gibt es eine Vielzahl an Hebeln, vor allem bezogen auf nachgelagerte Prozesse. Beispielsweise können wir manuelle Abläufe automatisieren sowie Sicherheitsbestände und Lagerreichweiten optimieren. Auch bei der Frachtabrechnung sowie beim Carbon Footprint sehen wir Potenziale. Auch unsere Partner werden profitieren, etwa durch niedrigere Durchlaufzeiten und Standgelder. Wer zahlt das eigentlich alles? Stade: Zum Teil finanzieren wir das über die Effizienzen, die wir generieren werden, sowie über die zusätzlichen Marktpotenziale, die wir sehen. Die Kosten auf unsere Transportpartner abzuwälzen, wäre aber falsch. Ich denke, VW wird auch einen Teil der Investitionen tragen. Kaumanns: Ziel ist natürlich auch die Vermarktbarkeit an andere Verlader. Hier sehen wir großes Potenzial: Die Digitalisierung geht in unserer spannenden Branche viel zu schleppend voran, es gibt noch viele Effizienzen zu heben. Mehr zum Thema im Dossier "Transportmanagement" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Zum Deutschen Logistik-Kongress hat Rio, die Digitalmarke des Nutzfahrzeugkonzerns Traton, weitere Details zur angekündigten Kooperation mit der Volkswagen Konzernlogistik (VWKL) bekannt gegeben. Die rund 150 Speditionen, die für VW fahren, sollen künftig "Rio Dispatch" für den Datenaustausch nutzen. Künftig will der Konzern so unter anderem Transportaufträge einfacher an Frachtführer übermitteln.

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