Berlin. An diesem Donnerstag tagt bei der Deutschen Bahn der Aufsichtsrat in einer Sondersitzung. Die Aufseher des Staatskonzerns wollen den Schlussstrich weiter ziehen, der das Kapitel beendet, das mal überschrieben war mit: die Deutsche Bahn als internationaler Logistikkonzern. Vor Jahren sollten milliardenschwere Übernahmen dem Umsatz in die Höhe treiben. Die Deutsche Bahn zum Global Player machen, Börsengang inklusive.
Jetzt lautet das Ziel: mehr Fahrgäste in Deutschland. Zurück zum „Brot-und-Butter-Geschäft“, heißt es in der gläsernen Konzernzentrale in Berlin zwar schon länger. Doch erst die Klimadebatte bringt auf diesem Kurs das Tempo. Ein großer Teil des Auslandsgeschäfts soll nun verkauft werden: die Tochtergesellschaft DB Arriva. Dort arbeiten gut 50.000 der mehr als 120.000 Bahn-Beschäftigten im Ausland. Arriva betreibt Busse und Bahnen in 14 europäischen Ländern.
Pro Bahn rät von Kleinkram ab
Verzettelt sich der Konzern? „Diesen Kleinkram sollte man lassen“, empfiehlt Karl-Peter Naumann, der als Ehrenvorsitzender von Pro Bahn den Fahrgästen in Deutschland eine Stimme geben will. Doch ob Busse, Züge, Lastwagen, Schiffs- und Flugverkehr im Ausland – viele dieser Aktivitäten der Deutschen Bahn hält er für sinnvoll.
„Beim Güterverkehr etwa brauchen sie ein internationales Standbein“, erklärt Naumann. Man könne keinem Kunden erklären, dass er seine Fracht an der Grenze auf Züge anderer Anbieter umladen müsse. „Und wenn ausländische Anbieter der Bahn im deutschen Regionalverkehr Konkurrenz machen, warum soll es nicht auch umgekehrt so sein?“
DB sucht Käufer für Arriva
Dennoch wird für die 2010 gekaufte Auslandsverkehrstochter Arriva ein Käufer gesucht. 2018 hatte es trotz Fahrgastrekords in Deutschland Gewinneinbußen gegeben. Die Bahn muss investieren: in Gleise, Züge, Digitaltechnik. Das Netz ist in großen Teilen sanierungsbedürftig.
Verspätungen und Zugausfälle verärgern die Kunden. In Medienberichten war die Rede davon, dass der Arriva-Verkauf bis zu vier Milliarden Euro bringen könnte. Aber das Unternehmen hat auch mehr als eine Milliarde Euro Schulden. Und der Verkauf ist schwieriger als gedacht.
Eigentlich wollte der Aufsichtsrat im September über Angebote entscheiden oder alternativ einen Börsengang anschieben. Nun soll bis Jahresende die Entscheidung fallen. Doch die Unsicherheit um den geplanten EU-Austritt Großbritanniens macht es dem Management nicht einfach – Arriva hat seinen Sitz im britischen Sunderland.
Auch Schenker steht zu Diskussion
Vorerst soll eine Anleihe bis zu zwei Milliarden Euro in die Kasse bringen. Seine Schuldenobergrenze hat der Konzern schon erreicht, mit Leasingverbindlichkeiten sind es 25 Milliarden Euro.
Dem Bundesrechnungshof reicht der Arriva-Verkauf deshalb nicht. Die Kontrollbehörde empfiehlt, auch über einen Verkauf von DB Schenker nachzudenken. Die internationale Spedition mit 76.000 Mitarbeitern betreibt Lastwagen, Frachtschiffe und Flugzeuge, Logistikzentren und Lagerhäuser.
DB will Speditionstochter behalten
Der Bahnvorstand will die profitable Tochter Schenker jedoch behalten – genauso wie den Sanierungsfall DB Cargo. Die Güterbahn schreibt seit Jahren rote Zahlen. Mehr Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern, gilt aber als ein Schlüssel zur Verkehrswende. Nun soll eine neue Chefin der Güterbahn die Wende bringen. Von den Berliner Verkehrsbetrieben kommt voraussichtlich die frühere Cargo-Managerin Sigrid Nikutta zurück.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn berät an diesem Donnerstag darüber, ob sie ein eigenes Vorstandsressort erhalten soll. Finanzvorstand Alexander Doll soll die Verantwortung für die Güterzüge abgeben. In seinem Ressort bleiben aber Schenker und Arriva, wie zu hören ist. Sie bleiben damit in Dolls Reichweite, sollte er Geldquellen suchen. (dpa/ag)