Dauertester unter Dauerstrom

Exakt 1388 Kilometer hat das neueste Dauertest-Pferd im VR-Stall innerhalb seiner ersten eineinhalb Monate im Redaktionseinsatz abgespult. Nicht gerade viel denken Sie jetzt? Stimmt zwar, doch haben wir eine Begründung: Denn der Nissan E-NV 200 verbrennt für seinen Vortrieb keine schnöden fossilen Brennstoffe, sondern bezieht seine Energie aus der Steckdose. Und das schränkt den Aktionsradius eben massiv ein. Was bei vielen Kollegen erstmals eine neue Form der Paranoia weckte, die bei einem Elektrotransporter zwangsläufig immer mitfährt: "Reichweitenangst". Zunächst genießt man noch das fast lautlose Dahingleiten und erfreut sich am sofort zur Verfügung stehenden Drehmoment von 254 Newtonmetern des 80 kW starken Synchron-Wechselstrom-Elektromotors. Die sicher nicht ohne Grund von Nissan mittig ins Zentraldisplay gesetzte Reichweitenanzeige verharrt bei entspannten 150 Kilometern. Solchermaßen beruhigt lässt man sich zu optimistischen Plänen hinreißen: "Einen kleinen Umweg schaffe ich dann ja locker!" Hohes Tempo zieht die Batterien leer Doch ist Vorsicht geboten. Und zwar, sobald der E-NV 200, der seine Elektro-Komponenten vom Pkw-Bruder "Leaf" bezieht, nämlich das sichere Stadtgebiet verlässt und sich vielleicht sogar auf die Autobahn verirrt. Zwar läuft der Stromer locker fast 160 Sachen, sofern man die von Nissan vernünftigerweise hinterlegte Abregelung auf 120 km/h überstimmt. Doch selbst bei diesem Tempo purzelt die Reichweite gnadenlos herunter. Erschrocken geht man vom Gas, reduziert das Tempo auf Lkw-Niveau und sucht kurze Zeit später sogar dessen Windschatten, um die verbliebene Batteriereserve möglichst zu schonen. Und denkt über den bevorstehenden Streckenverlauf nach: "Kurz vor dem Ziel geht es bergab, da müsste ich ein paar Kilometer rekupieren können." Dabei hilft zum einen das hohe Leergewicht des in Barcelona gebauten Japaners von 1790 Kilo, womit der Stromer die vergleichbare Dieselversion um rund 240 Kilogramm übertrifft. Zum anderen hinterlegten die Entwickler zwei verschiedene Rekuperations-Modi, mit denen sich die Energierückgewinnung besser an die jeweilige Verkehrssituation anpassen lässt. Im Normalmodus lässt die Elektronik den E-NV 200 rollen, sobald man vom Gas geht und rekupiert nur gering. In starken Gefällen oder zum Bremsen empfiehlt es sich dann, den vom Automatikgetriebe übernommenen Wahlhebel nach rechts zu drücken, um die maximale Rekuperationsstufe "B" anzuwählen. Das Revier des E-Vans ist die Stadt Was sich besonders beim ständigen Stopand-Go im Stadtverkehr gut nutzen lässt. Hier ist der Strom-Nissan sowieso besser aufgehoben als auf freier Strecke. Und bereitet dort sogar einigen Fahrspaß. Nicht nur, weil die Reichweitenangst hier unbegründet ist, sondern vielmehr weil die Grundkonstruktion des Nissan dann ihre Stärken voll ausspielt. Der 4,56 Meter kurze Van muss auch vor engeren Parklücken nicht passen und zwängt sich mit seiner schmalen 1,75-Meter-Außenbreite locker noch dort durch, wo protzige SUV passen müssen. Denen lehrt der unscheinbare Van übrigens in weiterer Hinsicht von Zeit zu Zeit das Fürchten. Zumindest wenn es einen Redakteur mal wieder überkommt und er an der Ampel den ansonsten selbstredend immer aktivierten Eco-Modus abschaltet. Dann beschleunigt der E-NV 200 in 4,1 Sekunden von Null auf 60 km/h, während der nebenstehende SUV-Verbrenner noch nach Ladedruck sucht. Doch solche Manöver gönnen wir uns natürlich nur selten. Viel öfter nutzen wir dagegen das Platzangebot des Kleinlasters. Satte 4,2 Kubik würden locker hineinpassen, hätte Nissan die hintere Sitzbank nicht nur klapp- und wickelbar, sondern auch mit wenigen Handgriffen herausnehmbar ausgeführt. Auf den ersten 1388 Kilometern ließ sich der E-NV 200 übrigens 233 Kilowattstunden "schmecken". Die mit einem Strompreis von 0,29 Euro pro Stunde kalkuliert, verursachte der Nissan damit bislang Kraftstoffkosten von 67 Euro. Tendenz steigend, schließlich trauen wir unserem Stromer immer mehr zu. Und wissen mittlerweile, dass Reichweitenangst innerhalb eines 120-Kilometer-Radius reine Paranoia ist.

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