Das Salz in der Suppe

Herr Labrot, fällt Ihnen der Abschied schwer oder sind Sie froh, sich nicht mehr mit Problemen herumschlagen zu müssen, die Sie jahrelang verfolgt haben? Labrot: Das war kein Herumschlagen. Ich habe meine Aufgaben immer gerne wahrgenommen. Insofern gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Was war der vielleicht größte Erfolg in Ihrer Karriere als Hauptgeschäftsführer? Labrot: Für mich persönlich sicher die Wahl zum IRU-Präsidenten. Abgesehen davon ist es schwierig, ein einzelnes Ereignis hervorzuheben. Für die Branche und auch aus Sicht des BWVL war die Liberalisierung des Güterverkehrsmarktes ein Meilenstein, den wir als Verband auch mit Rechtsmitteln massiv vorangetrieben haben. Ansonsten ist es aber die tägliche Arbeit mit den Mitgliedsunternehmen gewesen: Wenn ich diese zufriedenstellen konnte, war das eigentlich stets der größte Erfolg. Sie haben jahrzehntelang die Verkehrspolitik begleitet. War Andreas Scheuer der beste Verkehrsminister, den Sie je erlebt haben? Labrot: (überlegt) ... Da gibt es von mir ein "ja". Warum? Labrot: Scheuer ist ein Macher. Und wer etwas aktiv angeht, kann auch Fehler machen und steht dann in der Kritik. Schon als Staatssekretär hat er nicht nur geredet, sondern Dinge auch angepackt. Würden Sie zustimmen? Olligschläger: Scheuer hat das Verkehrsministerium sehr sichtbar gemacht. Wir haben selten einen so medienpräsenten Verkehrsminister gehabt. Lobeshymnen auf einen Minister, der dem Gewerbe gerade zwei kräftige Maut-Verteuerungen beschert hat. Labrot: Die geschahen ja durchaus in Abstimmung mit den Verbänden. Im Gegenzug ist entsprechend in Straßeninfrastruktur investiert worden. Das war immer die Aussage der Verbände: Wir tragen eine Maut-Erhöhung mit, aber nur bei entsprechender Zweckbindung. Olligschläger: Da kann ich nur zustimmen. Wobei das nicht heißt, dass wir mit allem einverstanden sind, was im Bundesverkehrsministerium zur Maut beschlossen wird. Dass Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen nicht bemautet werden, stößt bei uns genauso auf Kritik wie die zeitlich begrenzte Mautbefreiung für besonders umweltfreundliche Lkw bis Ende 2020. Herr Olligschläger, was wollen Sie beim BWVL verändern? Olligschläger: Ich bin hier jetzt nicht angetreten, um den Revolutionär zu spielen. Der BWVL ist sehr gut aufgestellt. Das heißt aber nicht, dass es nicht doch hier und da Stellschrauben gibt, an denen man drehen kann. Das werde ich mir aber in Ruhe ansehen. In dieser Phase befinde ich mich noch. Ist es ein Vorteil, von einem anderen Logistikverband zu kommen? Olligschläger: Im Vordergrund steht die Sacharbeit. Mich hat der BWVL auch deshalb gereizt, weil hier der unmittelbare Kontakt zu den Unternehmern besteht. Denn ich brauche dieses Fronterlebnis, das ist für mich das Salz in der Suppe. Auf diesen direkten Kontakt zu den Unternehmen freue ich mich jetzt. Hat die Güterverkehrsbranche zu wenig für den Klimaschutz getan, wenn die Minderungsziele für den CO2-Ausstoß nicht eingehalten werden? Olligschläger: Nein, diese These kann man so nicht stehen lassen. Die meisten Unternehmen fahren mit den neuesten Lkw der Euro-6-Motorenklasse. Damit sind sie sauberer als die Mehrzahl der Pkw. Die Durchschnittsverbräuche sinken von Jahr zu Jahr. Dort, wo es machbar ist, versuchen die Unternehmen Verkehre zu verlagern. Aber das ist nicht so einfach, da die Schiene hinsichtlich freier Kapazitäten, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Flexibilität vielfach nicht an den Service des Lkw herankommt. Labrot: Diese Debatte zur Verlagerung gibt es schon, seit dem ich für den BWVL tätig bin. In diesen 40 Jahren hat sich an der Qualität bei der Bahn und an dem Verlagerungspotenzial wenig geändert. Kann sich die Branche damit herausreden, dass die Bahn nicht leistungsfähig ist? Labrot: Das ist kein Herausreden! Weder die Transportunternehmen noch die Verlader fahren zum Vergnügen Güter spazieren. Es sind die Konsumenten, die mit ihrem Bedürfnis nach möglichst schneller Lieferung und permanenter Verfügbarkeit dafür sorgen, dass auf den Straßen so viele Lkw unterwegs sind. Wenn wir über den KEP-Bereich reden, okay. Aber wenn ich in der Industrie an die Just-in-sequence-Belieferung ... Olligschläger: Aber es passiert doch auch eine Menge. Warum wächst der Kombinierte Verkehr so stark wie kaum ein anderes Segment im Güterverkehr? Dort, wo die Bahn leistungsfähig ist und Kapazitäten verfügbar hat, kommt sie ja auch zum Einsatz. Fazit: Die Schiene ist kaum eine Alternative, alternative Antriebe sind zu teuer. Damit wird der Güterverkehr keinen Beitrag zur Emissionsminderung leisten. Labrot: Jetzt übertreiben Sie. Natürlich muss der Straßengüterverkehr zur Emissionsminderung beitragen. Er hat es in der Vergangenheit auch bereits getan. Trotz steigender Transportleistung sind die Emissionen nicht im gleichen Umfang gestiegen. Jedoch können unsere Unternehmen nur die Fahrzeuge einsetzen, die am Markt verfügbar sind und für die es eine entsprechende Infrastruktur gibt. Bei entsprechendem Business Case sind unsere Unternehmen natürlich bereit, zu investieren, um ihren Beitrag zur Zielerreichung zu leisten. Neben dem Klimaschutz ist der Fachkräftemangel eines der wichtigsten Themen der Branche. Müssen Ihre Mitglieder befürchten, dass demnächst aufgrund fehlender Fahrer nicht mehr genügend Laderaum zur Verfügung steht? Olligschläger: Laut den Zahlen des KBA sind von den 1,5 Millionen Fahrern fast eine Million 45 Jahre und älter. Geht man von einem durchschnittlichen Renteneintrittsalter von 60 Jahren aus, scheiden pro Jahr 67.000 Fahrer aus. Wenn man sich die Prüfungszahlen der IHK ansieht, wie viele Fahrer jedes Jahr neu dazukommen, dann ist das ein Minus von 42.000. Wie lange kann man da noch zuschauen? Olligschläger: Man muss versuchen, Abgänge zu reduzieren. Positiv hat sich die Dynamik bei den Fahrerlöhnen bemerkbar gemacht, die in den letzten Jahren zu beobachten war. Branchenimage und Arbeitsbedingungen sind ebenso wichtige Faktoren. Man muss die Fahrer noch stärker an die Unternehmen binden. Dazu kann auch ein Verband Hilfestellungen bieten. Trotzdem wird der Fahrermangel zunehmen. Muss die verladende Wirtschaft reagieren und ihre Logistikkonzepte umstellen? Olligschläger: Im Moment ist das Thema nicht so akut, wie es schon mal war, was ausdrücklich nicht verharmlosend klingen soll. Wegen der schwachen Konjunktur. Aber die Altersstruktur wird sich früher oder später bemerkbar machen ... Olligschläger: Das stimmt. Daher kann es sehr gut sein, dass es zu Engpässen kommen wird. Labrot: Die Lage ist aber unterschiedlich, wie wir aus unserem Mitgliederkreis hören: Einige spüren einen Mangel, bei anderen ist das kein Problem. Da hat ein Werkverkehr betreibendes Unternehmen gewisse Vorteile, weil es andere Tarife zahlen und auch dem Fahrer ein betriebliches Umfeld anbieten kann, über das ein Transportunternehmen nicht immer verfügt. Eine Renaissance des Werkverkehrs? Olligschläger: Um mehr Planungssicherheit zu haben, wäre es denkbar, dass einige Unternehmen ihren Fuhrpark ausdehnen. Mehr zum Thema finden Sie unter #BWVL www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Es ist sicher nicht übertrieben: Mit dem Abschied von Christian Labrot neigt sich im BWVL eine Ära dem Ende zu. Anlass genug, mit ihm und seinem Nachfolger Markus Olligschläger einen kurzen Blick zurück zu wagen, aber dann nach vorne zu gucken auf die Themen, die die Güterverkehrsbranche bewegen. Viten und der BWVL Christian LabrotLabrot ist 1953 geboren. Bereits seit 1979 ist der Volkswirt in verschiedenen Funktionen der Vorgängerorganisation des BWVL tätig. 1990 hat er die Geschäftsführung des Verbandes übernommen,1995 die Hauptgeschäftsführung. Zum Jahresende 2019 ist er in den Ruhestand gewechselt.Markus OlligschlägerOlligschläger ist 1964 geboren und seit 1. Januar 2020 Hauptgeschäftsführer des BWVL. Zuvor war der Wirtschaftsjurist beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) sowie sowie bei der Vereinigung Deutscher Kraftwagenspediteure (VKS) tätig.BWVLDer Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), gegründet 1955, ist ein Unternehmensfachverband für Transport und Logistik mit rund 1400 Unternehmen. Er vertritt die logistischen Interessen von Industrie- und Handelsunternehmen gegenüber der Politik und in der Wirtschaft. cd