"Das regt mich wahnsinnig auf"

Georg Wittwer hat schon einiges erlebt als geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Wittwer in Eschenlohe. Doch was das Land Tirol macht, um sich und seiner Bevölkerung den Lkw-Transitverkehr vom Halse zu halten, darüber kann er nur den Kopf schütteln. "Das regt mich wahnsinnig auf", bricht es aus ihm heraus. Auch kein Transit für Euro-6-Lkw Das ist kein spontaner Wutausbruch. Dazu schlägt sich Wittwer schon zu lange mit den Hürden der Tiroler herum. Er hat die Ökopunkte erlebt, er hat erlebt, wie die Tiroler das sektorale Fahrverbot erfunden haben. Aber damit abfinden mag er sich nicht. Auch deshalb, weil sein Unternehmen Italien-Spezialist ist und Wittwer, mit Sitz in Eschenlohe, aber vor allem auch seine Kunden, auf die Brennerroute angewiesen sind. Von seinen 160 Einheiten fahren pro Tag 35 bis 40 Lkw über die Inntalautobahn nach Italien. Da er Kunden hat, die ihn mit dem Transport von Papier und Getreide beauftragen, sind ab dem 1. Oktober 2019 noch mehr Fahrten vom sektoralen Fahrverbot betroffen. "Dann würden etwa 65 Prozent der von uns transportierten Waren unter das Fahrverbot fallen", hat er ausgerechnet. Doch damit noch nicht genug. Viel gravierender ist, dass ab 1. Oktober 2019 beim sektoralen Fahrverbot auch die Ausnahmen für Euro-6-Lkw wegfallen. Dann bliebe als Alternative über den Brenner nur die Bahn. Wittwer hat kräftig in seinen Fuhrpark investiert. Mittlerweile sind alle Lkw in seinem Fuhrpark mit Euro-6 unterwegs. "Ich kann ja noch nachvollziehen, dass die Tiroler das Ziel verfolgen, Fahrzeuge schlechter als Euro-6 von der Straße zu bringen. Aber nur zwei Jahre nach Einführung des sektoralen Fahrverbots auch die Euro-6-Lkw zu verbieten, das geht einfach nicht. Ich tausche die Zugmaschinen doch nicht wie Unterhemden", entrüstet sich der Spediteur. Auch Erich Eichelmann zeigt kein Verständnis für die Transitpolitik der Tiroler. Eichelmann ist geschäftsführender Gesellschafter des Transportunternehmens Ludwig Eichelmann in Werneck. Von seinem Fuhrpark mit fast 40 Fahrzeugen fahren 16 überwiegend Italienverkehre. Er fährt auch mit der Rola zwischen Wörgl und Brennersee, ist mit dieser Lösung aber völlig unzufrieden. Nicht nur, weil die Züge zum Teil unpünktlich seien und manchmal ausfallen würden. "Bei mir hat gerade ein Fahrer gekündigt, weil er mit dem Service auf der Rollenden Landstraße (Rola) nicht einverstanden ist", klagt Eichelmann. "Die Blockabfertigung, die Verlängerung des Wochenendfahrverbotes, die Verschärfung des Nachtfahrverbotes: Hier gibt es überhaupt keine Planungssicherheit", schimpft Eichelmann. Da verwundert es nicht, dass die Verbände Alarm schlagen. Der LBS (Landesverband Bayerischer Spediteure) und der LBT (Landesverband Bayerischer Transportund Logistikunternehmen) haben gemeinsam in einem Schreiben an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder und seinen Verkehrsminister Hans Reichhart vor den Konsequenzen der Tiroler Maßnahmen gewarnt. "Tirol darf nicht einfach Fakten schaffen mit immer neuen Verboten, während die Politik tatenlos zusieht", sagt Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS. Sie weist darauf hin, dass aufgrund der Ökopunkte-Regelung und des sektoralen Fahrverbots in kaum einer anderen Region Europas so viel saubere Lkw unterwegs sind wie in Tirol. Sebastian Lechner, Hauptgeschäftsführer des LBT, sieht jetzt vor allem die EU am Zug. Von ihr erwartet er die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, weil das sektorale Fahrverbot ab dem 1. Oktober 2019 auch für Euro-6-Lkw gelte und dies einem Fahrverbot gleichkomme. "Für Transportunternehmen, die auf den Transit über den Brenner angewiesen sind, kann dies existenzgefährdende Folgen haben", schlägt Lechner Alarm. Zweifel an den Bahnkapazitäten Die Tiroler weisen darauf hin, dass es genügend Ausweichkapazitäten gibt. Für die 300.000 Fahrten pro Jahr, die von der Verschärfung des sektoralen Fahrverbots betroffen seien, würden "ausreichend Transportalternativen auf der Bahn zur Verfügung stehen", heißt es aus dem Büro von Ingrid Felipe, Landeshauptmann-Stellvertreterin in der Tiroler Landesregierung. Doch gibt es diese Kapazitäten tatsächlich? "Bereits heute kann mit dem aktuell verfügbaren rollenden Material sowie den verfügbaren Trassen kurzfristig eine Kapazität auf Jahresbasis von über 200.000 Lkw-Stellplätzen aktiviert werden", sagt ein Sprecher der ÖBB auf Anfrage der VerkehrsRundschau. Dabei verweist er unter anderem darauf, dass die Rola nur zu 80 Prozent ausgelastet sei. Auf die schriftliche Rückfrage der VR, die 20-prozentige Reserve bei der Rola allenfalls etwas über 90.000 Stellplätze entsprechen und woher die restlichen 200.000 Stellplätze kommen sollen, gab die ÖBB bislang keine Antwort. Es könnte also eng werden, nicht nur auf der Schiene. Die Lkw müssten dann womöglich über andere Alpenpässe fahren. Wittwer ist sich sicher, dass es so weit nicht kommen wird. "Es liegt auf der Hand, dass der EuGH das Verbot kippen wird", sagt der Unternehmer. "Sonst verliere ich den Glauben an die EU." Lehmann und Lechner glauben auch nicht, dass das sektorale Fahrverbot so kommt, wie die Tiroler es geplant haben. "Aber bislang haben wir noch keine offizielle Stellungnahme aus Brüssel gehört", will Lechner auch keine Entwarnung geben. Die kommt am ehesten - ausgerechnet - aus Tirol. Ein Sprecher der Landesregierung sagte gegenüber der VerkehrsRundschau: "Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die EU immer wieder erfolgreich gegen unsere Pläne geklagt hat. Wir wünschen uns das nicht, aber wir sind realistisch genug, dass wir einen solchen Ausgang in Erwägung ziehen." Das betrifft allerdings nur das sektorale Fahrverbot. Das Nacht- oder Wochenendfahrverbot, so der Sprecher, müsse nicht von der EU genehmigt werden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Alpentransit www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Tiroler Massnahmen im Alpentransit Sektorales Fahrverbot: Keine Ausnahme mehr für Euro-6-LkwDas Land Tirol hat verschiedene Maßnahmen getroffen, um den Lkw-Verkehr über die Brenner-Autobahn einzudämmen. Aktuell sind gerade die Blockabfertigungen, für die das Land in der vergangenen Woche die Termine im zweiten Halbjahr genannt hat. Doch das sind nicht die einzigen Verschärfungen, die auf die Transportunternehmen zukommen:- Blockabfertigung: An 15 Tagen im zweiten Halbjahr 2019 (siehe Kasten links) lässt das Land Tirol pro Stunde maximal 300 Lkw den Checkpoint bei Kufstein Nord passieren. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der Tage mit Blockabfertigungen im Jahr 2019 auf 32 im Vergleich zu 27 im Jahr 2018.- sektorales Fahrverbot: Ab dem 1. Oktober 2019 sind zu den bislang bereits betroffenen Gütergruppen folgende Waren vom sektoralen Fahrverbot betroffen: Papier und Pappe, flüssige Mineralölerzeugnisse,Zement, Kalk und gebrannter Gips, Rohre und Hohlprofile sowie Getreide. Zudem gibt es ab dem 1. Oktober 2019 keine Ausnahme mehr für Euro-6-Lkw. Dann müssten alle diese Güter entweder per Bahn oder mit Lkw mit alternativen Antrieben befördert werden. Für den Ziel- und Quellverkehr nach Tirol sind nur noch Euro-5-Lkw und besser zulässig.- Nachtfahrverbot: Die Ausnahme für das Nachtfahrverbot für Euro-6-Lkw soll zum 31. Dezember 2020 gestrichen werden.- Wochenendfahrverbote: Zwischen dem 5. Januar und 16. März 2019 wurde das Wochenendfahrverbot verlängert am Samstag von 7.00 bis 15.00 Uhr. Diese Maßnahme ist jetzt zwar ausgelaufen. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass in den Sommerferien oder im Winter 2019/2020 Tirol wieder zu diesem Mittel greift. cd

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