Das ist der aktuelle Stand der Diesel-Debatte

Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir alle der Meinung sind, dass wir pauschale Fahrverbote für einzelne Antriebsarten oder Kfz-Typen ablehnen und deshalb alles denkbar Mögliche unternehmen wollen, um solchen Fahrverboten vorzubeugen." Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang des Monats nach einem Treffen mit Kommunen und Ländern. In ihrer unnachahmlichen Art fügte sie dann hinzu: "Jetzt sind wir noch nicht so weit, dass wir Ihnen heute sagen können, dass wir das auch unterlegen können." Ihr Problem: Der Ball liegt in vielen Städten nicht mehr im Feld der Politik, sondern bei den Gerichten. Außerdem gibt es unterschiedliche Prozessschienen. Umwelthilfe klagt wegen 61 Städten Zum einen läuft derzeit ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, weil insgesamt 28 Städte die erlaubten Grenzwerte für Luftqualität immer wieder überschreiten. In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission im Februar den letzten "blauen Brief" verschickt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist aber kaum vor 2020 zu erwarten. Zum anderen gibt es eine Klagekampagne der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen inzwischen 61 Städte. Laut dem Bundesumweltministerium werden in bundesweit rund 90 Städten die Grenzwerte für Stickoxide (NOX) überschritten. Die Verfahren der DUH sind teilweise weit fortgeschritten. Im Mittelpunkt stehen aktuell Düsseldorf, München und Stuttgart, wo es bereits erstinstanzliche Urteile zugunsten von Fahrverboten gibt. Als Nächstes stehen Berlin, Frankfurt/Main, Darmstadt und Wiesbaden an. Dort sind mündliche Verhandlungen für den Herbst terminiert. Mit den Urteilen ist dann jeweils einige Wochen später zu rechnen. Das plant man in Düsseldorf In Düsseldorf hat das Verwaltungsgericht im September 2016 für die Corneliusstraße ein Diesel-Fahrverbot angeordnet. Dort wird seit Jahren der EU-Grenzwert für die Stickoxidbelastung der Luft von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter deutlich überschritten. In dem für die Klage maßgeblichen Jahr 2015 waren es im Durchschnitt 59 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das Verfahren ist in sogenannter Sprungrevision am Oberverwaltungsgericht vorbei an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weiterverwiesen worden. Dort ist der Entscheidungsspielraum aber begrenzt: Die Bundesrichter dürfen nur prüfen, ob das Straßenverkehrsrecht ein Verbot für Fahrzeuge einer bestimmten Antriebsart zulässt oder ob eine neue Umweltplakette notwendig wäre. Die DUH schlägt das Verkehrszeichen 251 vor ("Verbot für Kraftwagen"), ergänzt um ein Zusatzschild für Diesel. Ein Termin für eine mündliche Verhandlung steht noch nicht. Mit einem Urteil wird im ersten Quartal 2018 gerechnet. Diesel-Fahrverbote würden in Düsseldorf frühestens im April 2018 in Kraft treten. Die Sondersituation in der Corneliusstraße ist, dass dort eine hohe "Hintergrundbelastung" mit Stickoxid besteht (28 Mikrogramm/m3 ), die nicht vom lokalen Straßenverkehr herrührt. Die Emissionen des Verkehrs müssten also um 60 Prozent verringert werden. Modellrechnungen des Umweltamtes der Stadt haben ergeben, dass selbst bei einem grundsätzlichen Verbot für alle Diesel-Fahrzeuge mit Schadstoffklassen schlechter als Euro 6/ - also einer "blauen Plakette" - der Grenzwert erst 2020 eingehalten würde. Hauptübeltäter sind laut einer lokalen Detailuntersuchung Euro-5-Diesel-Pkw, auf die rund ein Drittel der verkehrsbedingten NOX-Belastung entfällt. Schwere Lkw tragen insgesamt rund 7 Prozent bei, leichte Nutzfahrzeuge etwa 9 Prozent. Das ist in Stuttgart zu erwarten In Stuttgart liegt insofern eine Sondersituation vor, als dort - anders als in anderen Städten - auch noch das Feinstaubproblem hinzukommt. Das Land hatte sich deshalb im April 2016 in einem Vergleich mit zwei Klägern geeinigt, die Verkehrsmenge am Hotspot Neckartor ab Januar 2018 um 20 Prozent zu verringern, falls dort auch 2017 die Feinstaub-Grenzwerte wieder gerissen werden. Dieser Punkt war bereits im Februar 2017 erreicht. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht Stuttgart Ende Juli 2017 entschieden, dass die im Entwurf eines neuen Luftreinhalteplans vorgesehenen Maßnahmen nicht reichen, um die verschmutzte Luft in Stuttgart nachhaltig zu verbessern, und wegen der NOX-Grenzwertüberschreitungen ab 1. Januar ein Diesel-Fahrverbot analog zu einer "blauen Umweltzone" verhängt werden muss - für Fahrzeuge schlechter Euro 6. Die baden-württembergische Landesregierung hat bereits Rechtsmittel gegen das Urteil angekündigt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, es brauche Zeit, um drei Optionen zu prüfen: eine Anerkennung des Urteils, eine Berufung oder eine Sprungrevision. Die DUH plädiert für Sprungrevision, um so möglichst schnell eine letztinstanzliche Entscheidung zu bekommen. Die mitregierende CDU plädiert hingegen für die Berufung - in der Absicht, den Rechtsweg in die Länge zu ziehen und das Fahrverbot hinauszuzögern. Eine Entscheidung wird erst nach der Bundestagswahl erwartet. Das geht in München vor sich Verworren ist die Situation in München. Dort ist die bayerische Landesregierung vom Landesverwaltungsgericht im April 2017 dazu verurteilt worden, bis Anfang 2018 eine Liste von Straßen vorzubereiten, die für Dieselfahrzeuge gesperrt werden müssen, sobald die rechtlichen Voraussetzungen im Straßenverkehrsrecht geschaffen sind. Das könnte nicht nur durch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung oder die Einführung einer blauen Plakette geschehen, sondern auch durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Düsseldorf. Betroffen sein dürfte vermutlich der Stadtbereich innerhalb des Mittleren Rings. Das hat der Dieselgipfel gebracht Um die Fahrverbote möglichst doch noch zu vermeiden, haben Bundesverkehrs- und Umweltministerium Anfang August mit dem "Nationalen Forum Diesel" einen Prozess gestartet, der in vier Arbeitsgruppen Handlungsoptionen untersucht: -> Minderung der Stickoxid-Emissionen aus der Diesel-Bestandsflotte -> Minderung der Stickoxid-Belastung durch bessere Verkehrssteuerung -> Umstellung innerstädtischer Vielfahrerflotten auf emissionsarme Antriebe -> Neue Antriebstechnologien Erklärte Absicht ist es, Maßnahmenpakete zu entwickeln, die die Gerichte davon überzeugen, dass Diesel-Fahrverbote unnötig sind. Das Problem ist die Zeitschiene. Fast alle bisher diskutierten Maßnahmen benötigen eher Jahre als Monate, bevor sie in Kraft treten und wirken. Als schnell wirkende Maßnahme haben die deutschen Autokonzerne daher Software-Updates für rund 5,3 Millionen Bestandsfahrzeuge (einschließlich der 2,8 Millionen VW-Fahrzeuge mit Betrugssoftware) zugesagt. Allerdings bringen die Updates unter dem Strich nur eine Entlastung von rund fünf Prozent. Dennoch erwartet das Bundesumweltministerium, dass auf diese Weise immerhin 20 der 90 betroffenen Städte die Grenzwerte für Luftqualität nicht mehr überschreiten. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Ausnahme-Regelungen Gelten Diesel-Fahrverbote auch für den Wirtschaftsverkehr? Ein Konzept für die detaillierte Ausgestaltung eines Diesel-Fahrverbots existiert bisher nur im Luftreinhalteplan für Stuttgart. In der dort vorgesehenen Ausprägung als "blaue Umweltzone" haben nur Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 6 freie Fahrt. Ausnahmen gibt es natürlich für Einsatzfahrzeuge aller Art und Körperbehinderte, aber auch für Fahrten, die für das Funktionieren der Wirtschaft notwendig sind. Diese sind relativ großzügig formuliert, aber nur bis Ende 2021 befristet. Genannt werden unter anderem Kraftfahrzeuge im Lieferverkehr. Für München sollte die Regierung von Oberbayern laut Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts bis zum 31. August ein Konzept vorlegen, wie Fahrverbote ausgestaltet werden sollen. Das ist bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe Mitte September jedoch noch nicht geschehen. Hintergrund dürfte sein, dass die Landesregierung möglichst vermeiden will, die Bürger noch vor der Bundestagswahl aufzuschrecken. roe

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Export: USA bleiben wichtigster Handelspartner

Batteriehersteller: Northvolt beantragt Gläubigerschutz

Alle Schlagzeilen

Das ist der aktuelle Stand der Diesel-Debatte

HASHTAG

#Alternative Antriebe

Diese neun Tipps zum Diesel-Sparen sollte jeder Fahrer kennen

UTA erhöht Sicherheit bei Nutzung von Tankkarten

Güterverkehrsverbände plädieren für Ausnahmen

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Area HR Business Partner

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

WEITERLESEN

NEWSLETTER