Das Comeback der City-Logistik

Wenn Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) in City-Logistik investieren, bekommen sie viel Zuspruch. Aber sie dürfen nicht unbedingt mit einer schnell wachsenden Nachfrage rechnen. Diese Erfahrung macht gegenwärtig Jörg Albrecht. Vor zwei Jahren gründete der Kommunikationsberater CLAC City Logistic Aachen. Er kaufte drei Transporträder, heuerte Kurierfahrer an und eröffnete ein Internet-Portal. Hier können Freiberufler und Einzelhändler innerstädtische Touren für bis zu 100 Kilogramm schwere Sendungen buchen. "Ein CLAC-Kurier ist schneller als jeder Pkw- und Lkw -Kurier", versichert Albrecht. Trotzdem hat er mit starken Aufkommensschwankungen zu kämpfen. Von den 1000 Aachener Einzelhändlern nutzt erst ein Bruchteil CLAC, hinzu kommen einige Arztpraxen und Steuerkanzleien. Albrecht hält jedoch an CLAC fest: IHK und Stadtverwaltung unterstützen das Projekt. "Wir streben mittelfristig ein Tagesaufkommen von durchschnittlich 100 Sendungen an", sagt Albrecht. Großstädte sind besonders geeignet Möglicherweise benötigt der Gründer dafür weitere Unterstützer - die großen Paketdienste, die täglich jede Innenstadt in Deutschland anfahren. Vor allem in Metropolen über 500.000 Einwohner haben diese Unternehmen manches Projekt angestoßen. So setzt DPD in Hamburg, Nürnberg und Stuttgart elektrische Transporter für die Belieferung von Fußgängerzonen ein. UPS organisiert in Frankfurt/ Main City-Verkehre mit sechs elektrischen 7,5 Tonnern. Und fast jeder große KEP-Dienst ist in ausgesuchten Städten mit Lastenfahrrädern unterwegs. GO! General Overnight testet solche Fahrzeuge in Stuttgart, UPS in Hamburg und Hermes in einem halben Dutzend Städten. Für eine effiziente und nachhaltige Innenstadtlogistik muss jedoch noch mehr getan werden, urteilt der Nürnberger Logistikwissenschaftler Ralf Bogdanski in einer Innenstadtlogistik-Studie für den Branchenverband BIEK (Bundesverband Paket- und Expresslogistik). Denn Lastenfahrräder können wegen ihrer begrenzten Ladekapazitäten Pkw und Lkw nicht vollständig ersetzen. Elektrofahrzeuge sind aufgrund ihrer hohen Einkaufspreise nicht überall wirtschaftlich einzusetzen. Wenn ganze Flotten auf Elektromobilität umgestellt werden, müssen die KEP-Unternehmen in eine Ladeinfrastruktur investieren. Die vorhandenen Kapazitäten reichen dem Vernehmen nach nur für einzelne Testfahrzeuge aus. Voraussetzung für eine nachhaltige Innenstadtlogistik sind aber auch Änderungen in der stationären Infrastruktur. In den Fokus stellt Bogdanski Mikro-Depots, wie sie derzeit UPS in Hamburg realisiert (siehe Kasten Seite 26). An zentralen Punkten werden Zwischenlager eingerichtet. Von hier aus bringen Zusteller die Pakete mit Lastenfahrrädern und Stapelkarren zu den Händlern und holen dort Rückund Endkundensendungen ab. Kep-Diensten fällt eine Schlüsselrolle zu Als Folge des Wettbewerbs müssten solche Standorte allerdings mehreren KEP-Diensten offenstehen. Bogdanski bringt eigene "Behältnisse" für jeden Marktteilnehmer ins Spiel. Auch Zustellung und Abholung organisieren diese in Eigenregie. "Aus Haftungsgründen dürfen Sendungen in den Mikro-Depots nicht vermischt werden", warnt der Wissenschaftler. Als "komplementäre Lösungen" könnten dann auch Elektrofahrzeuge und andere alternative Antriebe Zustellungen und Abholungen übernehmen. Für Elektroautos regt Bogdanski Fördermaßnahmen an, wenn im Markt keine Fahrzeuge zu "wettbewerbsfähigen Preisen" angeboten werden. Für den BIEK bestätigt die Studie die Schlüsselrolle der KEP-Branche in der City-Logistik. "Die KEP-Dienste sind für den Einzel- und Online-Handel in den Innenstädten genau so wichtig wie der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) für Stadtbewohner", versichert Florian Gerster, Vorsitzender des BIEK. Weil Innenstadtlogistik einen großen Teil der Last-Mile-Verkehre abbildet, sind Branchenriesen wie DHL und Fedex an möglichst effizienten Lösungen interessiert. Denn die Nachfrage steigt weiter. Auch auf Innenstadttouren müssen KEP-Unternehmen B-to-C-Sendungen für Endkunden, die im Internet einkaufen, zustellen und abholen. Die Pläne einiger Stadtverwaltungen, die Innenstädte für konventionelle Nutzfahrzeuge ganz oder teilweise zu sperren, haben die Branche hellhörig gemacht. Auch Handelskunden beispielsweise aus der Textilbranche machen Druck. In ihren Ausschreibungen wünschen sie ausdrücklich nachhaltige Transportdienstleistungen bis zur letzten Meile. Wenig Infos über KEP-Verkehre Genau deshalb wollte der BIEK die Wünsche und Bedingungen der Kommunen zum Thema Citylogistik kennenlernen und beauftragte Bogdanski mit der Studie. Gleich zu Beginn seiner Arbeit machte er eine bemerkenswerte Entdeckung. "Kaum eine Kommune hat bislang die Wirtschaftsverkehre der KEP-Branche erfasst", stellt der Wissenschaftler fest. Wenn überhaupt gebe es Zahlen über Anliefer- und Abholverkehre von schweren Lkw, welche jedoch vorwiegend die Filialen der großen Handelsketten beliefern. Die KEP-Unternehmen versorgen hingegen vor allem den mittelständischen Einzelhandel. Für Geschäfte mit bis zu 150 Quadratmetern Einkaufsfläche ermittelte Bogdanski eine Zustellquote von bis zu 75 Prozent. In größeren Städten können täglich mehrere 100 Touren zusammenkommen. Konkrete Zahlen ermittelte Bogdanski für die Innenstädte von Frankfurt und Nürnberg. In der Main-Metropole zählte er täglich durchschnittlich 253 Touren mit jeweils 90 Stopps auf 51 Kilometern (km) Länge. In Nürnberg mit seinen zahlreichen verwinkelten Gassen kam er sogar auf täglich 269 Touren mit 109 Stopps auf 60 km. Die Emissionen sind erheblich. In Frankfurt maß Bogdanski bei einem Treibstoffverbrauch von 11,6 Litern auf 100 km 18,7 Kilogramm CO2 pro Tour, in Nürnberg sind es bei 14,8 Liter Treibstoffverbrauch auf 100 km sogar 27,8 Kilogramm CO2 pro Tour. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch höher sein. Bogdanski analysierte ausschließlich die Verkehre von BIEK-Mitgliedern sowie DHL und ließ diejenigen von kleinen und mittleren Branchenunternehmen unberücksichtigt. Städte an City-Logistik interessiert "Die Bereitschaft der Städte zur Zusammenarbeit mit der KEP-Branche ist bemerkenswert groß", sagt Bogdanski. Für die Kommunen gibt es gute Gründe, in nachhaltige City-Logistik zu investieren. Sie müssen zahlreiche europäische und nationale Verordnungen zum Immissions-, Klima- und Umweltschutz beachten. Außerdem wünschen sie lebendige Innenstädte mit florierendem Einzelhandel. Vorbei sind die Zeiten, als sie großflächige Einzelhandelsobjekte auf der grünen Wiese förderten. "Auf Mikro-Depots könnten sich Kommunen und KEP-Branche schnell einigen", urteilt Bogdanski. Mit dieser Lösung spart jeder KEP-Dienst Touren mit konventionellen Fahrzeugen. Wenn die Depots ÖPNV-Anschluss haben, könnten in verkehrsarmen Zeiten sogar Busse oder Straßenbahnen die Versorgung übernehmen. Grundsätzlich können Mikro-Depots Engpässe aller Art überwinden. Hohe Verkehrsdichte, Parkplatzmangel, enge Zustellfenster - solche Faktoren behindern schließlich in nahezu jeder Innenstadt Zustellungen und Abholungen. "Alle kommunalen Entscheider befürworten Mikro-Depots", zieht Bogdanski über seine Gespräche Bilanz. Allerdings sehen manche Städte bei der Flächenverfügbarkeit und den Flächenkosten Probleme. Wo kein Platz für Container oder Lkw-Züge wie in Hamburg ist, könnten kommunale Parkhäuser und Tiefgaragen als Umschlagplätze dienen, schlägt der Wissenschaftler vor. "Die KEP-Dienste müssten dann in die Infrastruktur investieren", räumt Bogdanski ein. Bei einem "standortspezifischen Problemdruck" könnte auch der Handel zur Finanzierung bereit sein. Doch ist dieses Konzept auch auf kleinere Großstädte wie Aachen übertragbar? Bei geringeren Transportvolumina sind zusätzliche Bündelungen erforderlich. Möglicherweise fallen dann für einen Dienstleister wie CLAC die zusätzlichen Touren an, die dieser dringend wünscht. UPS: Pilotprojekt zur Citylogistik in Hamburg Logistik mit Mikro-Depots, Karren und Cargo-Bikes Nach Ansicht von Marten Bosselmann, Geschäftsführer des BIEK (Bundesverband Paket und Expresslogistik), werden Mikro - Depots nirgendwo so"konsequent und umfangreich" umgesetzt wie in Hamburg. Seit 2013 stellt UPS täglich in der Einkaufsstraße Neuer Wall mitten in der Innenstadt einen Container auf. Von hier aus bringen Zusteller die Pakete mit Sackkarre und Cargo-Bikes zu den Empfängern und kehren mit abgeholten Sendungen zurück. Jeden Tag sind drei UPS-Mitarbeiter im Einsatz.An besonders aufkommensstarken Tagen kann es schon mal passieren, dass der Container vorzeitig voll wird und früher als geplant abtransportiert werden muss. In diesem Fall übernehmen Zusteller in angrenzenden Stadtgebieten die verbleibenden Touren. "Wir konnten die Zustelltouren nicht nur am Neuen Wall, sondern auch in der Umgebung deutlich reduzieren", zieht UPS-Generalbevollmächtigter Frank Sportolari eine Zwischenbilanz, ohne Zahlen zu nennen. Jetzt plant UPS drei weitere Mikro-Depots in zentralen Hamburger Einkaufsstraßen. Für solche Standorte ist laut UPS Zustelldichte und Topografie wichtig. Alle Ziele müssen mit Karren und Cargo-Bike problemlos erreichbar sein. "In einer bergigen Stadt wie Wuppertal stoßen solche Konzepte an Grenzen", gibt Sportolari zu bedenken. bot