Daimler: Wir wollen die Energiewende

Ist der aktuell präsentierte Brennstoffzellen-Lkw von Daimler die Reaktion auf Nikola/Iveco oder Hyundai? Unser Konzept-Lkw ist ein weiterer Baustein unserer Strategie zum CO2-neutralen Transport. Wir haben vor einem Jahr angefangen die Voraussetzungen zu definieren: - Der Fahrzeughersteller muss ein überzeugendes Angebot haben. - Unsere Kunden benötigen eine entsprechende Lade- und Tankinfrastruktur für Batterie und Wasserstoff und - die Kunden, die diese Fahrzeuge kaufen, die definitiv teurer sein werden als Dieselfahrzeuge, müssen Geld damit verdienen können. Deshalb brauchen wir europaweit eine CO2-basierte Maut, damit die Kunden auch belohnt werden, die CO2-neutral fahren. Wenn aus diesen drei Grundbausteinen einer fehlt, wird sich nur eine geringe Anzahl an CO2-neutraler Fahrzeuge verkaufen lassen. Der Dreiklang muss da sein. Die Frage ist, wer den Anfang macht. Warten wir bis die Infrastruktur aufgebaut ist und bringen dann erst die Fahrzeuge? Bringen wir die Fahrzeuge und warten auf die Infrastruktur? Wir haben uns zu Letzterem entschlossen. Wir wollen damit frühzeitig klare Zeichen setzen mit Blick auf das große Ziel eines CO2-neutralen Transports bis zum Jahr 2050 – analog zum Pariser Klimaabkommen. . Wie sieht Ihr weiterer Fahrplan aus? Unser leichter Lkw FUSO eCanter ist bereits seit 2017 in Kleinserie und Kunden testen unseren schweren Lkw Mercedes-Benz eActros nun schon seit zwei Jahren intensiv. Die Rückmeldung auf die Fahrzeuge ist sehr gut. Wir werden mit dem eActros 2021 mit deutlich über 200 km Reichweite in Serie gehen. Das heißt, die Kunden können in beliebiger Menge bestellen und wir werden liefern – auch wenn wir davon ausgehen, dass sich die Nachfrage zunächst noch in vergleichsweise kleinem Rahmen halten wird. Denn sowohl die Ladeinfrastruktur als auch die Kostensituation sind noch nicht da, wo sie sein müssen. Mit dem Mercedes-Benz eActros LongHaul nehmen wir nun auch den Fernverkehr mit Batterieantrieb in den Fokus, er wird 2024 serienreif sein. Zusätzlich werden wir auch wasserstoffbasierte Brennstoffzellen-Lkw anbieten. Nach dem aktuellen Konzeptfahrzeug GenH2 Truck kommen erste Brennstoffzellen-Lkw 2023 in die Kundenerprobung. Wir gehen davon aus, dass wir in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts mit Brennstoffzellen-Lkw in die Serienfertigung gehen. Ist das nicht alles etwas spät? Das ist definitiv nicht spät. Das ist in der Tat der minimale Zeitraum, den die Erdöl- und Gasindustrie braucht, um eine flächendeckende Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen. Ergo denke ich, dass die zweite Hälfte des Jahrzehnts genau der richtige Zeitpunkt ist, um in immer größeren Stückzahlen Brennstoffzellen-Lkw auf den Markt zu bringen. Sei es mit flüssigem Wasserstoff – unserer klaren Präferenz – oder gasförmigem. Wir können beides, denken aber, dass für alle Beteiligten, vor allem unsere Kunden, der flüssige Wasserstoff die deutlich bessere Lösung ist. Damit kommen wir auf bis zu 1000 km Reichweite und mehr mit einer Tankfüllung. Trotzdem ein Thema, das den potenziellen Kunden verunsichern könnte, weil die OEMS mit unterschiedlicher Strategie unterwegs sind: Hyundai mit gasförmigem H2 bei 350 bar, Iveco/Nikola mit 700 bar und Ihr mit flüssigem H2 bei rund minus 253 Grad. Wieso, und ist das Thema im mobilen Einsatz beherrschbar? Grundsätzlich benötigt die Brennstoffzelle gasförmigen Wasserstoff. Unsere Brennstoffzellen-Technologie kann sowohl Nieder- und Hochdruck als auch flüssig. Eine Umstellung könnte innerhalb von Tagen erfolgen. Wir präferieren ganz klar den flüssigen Wasserstoff gegenüber dem gasförmigen, da die Energiedichte deutlich höher und damit auch die Reichweite entsprechend größer ist. Außerdem hören wir von der Gas- und Erdölindustrie, dass der grüne Wasserstoff auch einmal mit flüssigem Wasserstoff von seinem Erzeugungsort in sonnigen Regionen nach Europa transportiert werden muss. Auch die Tanktechnik ist bei Flüssigwasserstoff gut beherrschbar. Und bei hohen Reichweiten sind die Anforderungen an das Tankstellennetz ebenfalls niedriger – auch das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Argument für Flüssigwasserstoff. Wenn man an bestimmte Chassis denkt, bei denen wenig Raum am Rahmen vorhanden ist, bringen kompaktere Flüssigwasserstofftanks ebenfalls Vorteile. Wir sind flexibel, sind uns aber sicher, dass sich im Tankstellebereich nur eine Variante durchsetzen wird. Sie gehen davon aus, dass bis zur zweiten Hälfte des Jahrzehnts eine praxistaugliche H2-Infrastruktur steht? Hier kommt auf europäischer Ebene die Politik ins Spiel. Es ist bekanntermaßen der erklärte Wille der europäischen Bürger, den Klimawandel zu bekämpfen – siehe Paris-Abkommen. Und es ist die Aufgabe der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. Dazu zählen vor allem Infrastrukturhilfen, denn hier sind anfangs die größten Investitionen zu tätigen. Und es ist Aufgabe der Hersteller die richtigen Produkte für die Kunden zu entwickeln. Wenn es um Wasserstoff geht, spricht man heute von grauem, blauem und grünem Wasserstoff. Echten Sinn macht die Brennstoffzelle doch nur, wenn der Wasserstoff möglichst grün ist? Absolut, um es ganz deutlich zu sagen, der einzig sinnvolle Wasserstoff ist grün. Der Einsatz von grauem Wasserstoff ist schwierig. Da dürfte die Belastung für die Umwelt noch höher als bei der Dieselverbrennung sein. Und blauer Wasserstoff ist aus meiner Sicht auch nur eine Übergangstechnologie. Wenn wir den Klimawandel wirkungsvoll bekämpfen wollen, müssen 2050 die drei großen Sektoren individuelle Mobilität, Transportlogistik und Energieerzeugung auf absolut null CO2-Emissionen sein. Das ist eine gewaltige Aufgabe – für die Automobilindustrie, aber auch für alle anderen Industrien. Und das Zeitziel lautet 2050? Sie können das zurückdeklinieren. Das Pariser-Klimaabkommen, also die Begrenzung des Temperaturanstieges auf 2,5 Grad, besagt, dass ab 2050 aus den genannten Kernsektoren kein CO2 mehr in die Luft kommt. Deshalb auch unserer Strategie, in unseren wichtigsten Märkten ab 2039 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge auszuliefern. Das heißt für den Lkw-Bereich, dass wir in der zweiten Hälfte dieser Dekade damit anfangen müssen, schrittweise auf null zu kommen. Wir wissen, das ist ein langer Weg. Wir haben aber bereits begonnen, etwa im Bereich der Stadtbusse, der elektrische Stadtbus läuft schon seit Ende 2018 in Serie vom Band. Und viele Betreiber sagen, dass sie ab 2025 nur noch E-Busse kaufen wollen. Ich nenne die aktuelle Phase ‚gaining kowledge‘, Wissen erlangen. Und dieses Wissen eignen wir uns gemeinsam mit unseren Kunden an. Wie wird geladen, wie muss die Streckenplanung erfolgen – das ist beim Lkw genauso wie beim Bus. Auch unsere Kunden, die unseren eActros oder eCanter testen spiegeln uns zurück, dass sie was Bedienung oder Ladekonzepte angeht in einem Lernprozess sind. Die Ankündigung eines eActros für den Fernverkehr mit 500 km Reichweite ist interessant. Wir haben mal nachgerechnet: Das bedeutet rund sieben Tonnen schwere Batterien mit 700 kWh Kapazität. Eine Menge, oder? Diese Kalkulation kann ich absolut nicht bestätigen, wir planen mit einem deutlich niedrigeren Gewicht. Details werden wir etwas später bekanntgeben. Eins ist aber klar: aktuell gibt es keine bessere Möglichkeit, 40 Tonnen den Berg hoch zu transportieren, als mit einem Diesel – deshalb fährt die ganze Welt Diesel. Die Menschheit hat in den letzten hundert Jahren zwar immer wieder neue Konzepte ausprobiert, ist aber bislang immer beim Diesel hängengeblieben. Nichts ist effizienter – aber er setzt eben CO2 frei. Sie sprechen davon, dass Lkw-Fahrer in Deutschland die Pause nach 4,5 Stunden nutzen sollen, um nachzuladen. Glauben sie wirklich, dass das funktioniert? Grundsätzlich deckt die Reichweite unseres eActros LongHaul von etwa 500 km mit einer Aufladung bereits einen großen Teil der Tageseinsätze unserer Kunden ab. Pausenzeiten aber auch die Ab- und Beladung des Lkw können in der Tat für das Nachladen für die Weiterfahrt genutzt werden. Sie sagen selbst, dass der Diesel die wirtschaftlichere Alternative ist. Ein batteriebetriebener E-Lkw für die Langstrecke ist doch nicht mehr als ein Feigenblatt im Hinblick auf die CO2-Gesetzgebung 2025, 2030? Wenn ich sage, dass es nichts Besseres als den Diesel gibt, dann ist dies zunächst eine ökonomische oder technische Betrachtung ohne Berücksichtigung des großen Nachteils, dass Diesel-Lkw CO2 ausstoßen. Als Bürger und auch als Manager unterstütze ich ganz klar die Forderung eines CO2-neutralen Verkehrs und sehe meine Aufgabe darin, CO2-neutrale Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen die Energiewende. Sie ist aber erst da, wenn sämtliche elektrische Energie, die wir benötigen, CO2-neutral hergestellt wird. Das ist eine ebenso gigantische Aufgabe wie die, vor der die Automobilindustrie steht. Dies anzupacken ist Aufgabe der Politik und der gesamten Gesellschaft. Und es muss bezahlbar bleiben? ‚Bezahlbar‘ ist relativ. Der Transport wird definitiv teurer werden. Keiner kann seriös versprechen, dass CO2-neutrales Fahren günstiger ist. Trotzdem sage ich klar: Es ist günstiger, das Klima zu retten, als für die Folgen des Klimawandels aufzukommen. Trotzdem werden unsere Leser fragen, was ein EActros kosten wird? Für den Zeithorizont bis Mitte des Jahrzehnts kann man davon ausgehen, dass der reine Kaufpreis signifikant höher als der eines Diesel-Fahrzeugs sein wird. Was bedeutet das für den Lastkilometer? Eine solche Rechnung haben wir schon aufgemacht. Sie basiert jedoch aufgrund der großen Dynamik bei den Parametern auf zahlreichen Annahmen und macht eine seriöse Betrachtung Stand heute schwierig. Fakt ist, dass Strom als Betriebsstoff sehr viel günstiger ist als Diesel. Das heißt aber auch, je mehr ich fahre, desto eher rechnet sich die Investition. Und dann muss man die Frage stellen, welcher Strompreis als Grundlage dient. Der an der Ladesäule? Der im Depot? Wie hoch sind die Infrastrukturkosten, auf wie viele Lkw kann der Kunde diese umlegen? An der Stelle kommt dann wohl die CO2-Stellschraube ins Spiel? Richtig! Mit der NOx-Besteuerung konnte eine Mehrzahl der Fahrzeuge in Europa auf Euro VI umgestellt werden. Jetzt brauchen wir die CO2-basierte Maut. Damit wird der CO2-neutral fahrende Transporteur belohnt. Wie sieht es kostenmäßig mit der Brennstoffzelle aus? Wasserstoff ist aktuell noch vergleichsweise teuer. Grauer Wasserstoff kostet heute 8,00 bis 12,00 Euro pro Kilogramm. Damit sich solch ein Fahrzeug rechnet, muss grüner Wasserstoff deutlich günstiger werden– auch das ist eine gewaltige Herausforderung. Aber ich bin Optimist. Wenn sie betrachten, wie Lkw vor 30 Jahren ausgesehen habe und wie sie heute aussehen, dann hat sich viel getan. So denke ich, dass sich auch bei den alternativen Antrieben in den nächsten zehn Jahren viel bewegen wird. Was erwarten sie von der Politik in diesen zehn Jahre? Ich erwarte konkret zwei Dinge von der Politik: Erstens die aktive Unterstützung beim Aufbau der Infrastruktur, dabei aber keine Förderung von Gas, denn das ist nur eine Zwischentechnologie, die uns nicht zur CO2-Neutralität führt. Und auch beim zweiten Punkt wiederhole ich mich: die CO2-basierte Maut. Dann kommt das Ende des Diesels vielleicht schneller, als gedacht – selbst auf der Langstrecke.

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