Countdown nach dem B-Day läuft

Am 31. Januar 2020 hat Großbritannien die Europäische Union offiziell verlassen. Erst mal ändert sich durch den Brexit allerdings nichts. Wichtigster Punkt des Austrittsvertrags ist nämlich eine Übergangsfrist bis zum Jahresende, in der das Vereinigte Königreich im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion bleibt. Das heißt, es ist jetzt ein Drittstaat und darf in Brüssel nicht mehr mitreden, hält sich vorerst aber weiterhin an alle EU-Regeln. Unternehmen müssen weder Zollanmeldungen abgeben noch finden Zollkontrollen an den Grenzen statt. Die Hängepartie ist noch nicht zu Ende und ein harter Brexit Ende 2020 ist möglich, wenn in der elfmonatigen Übergangsphase keine Vereinbarung über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen und weitere komplexe Themen getroffen wird. Rosinenpickerei dürfe es ebenso wenig geben wie Verzögerungen im Gütertransport, steigende Zollkosten oder eingeschränkte Arbeitnehmermobilität, warnten deshalb deutsche Unternehmensverbände. Priorität in den Verhandlungen der nächsten Monate hat für beide Seiten ein Handelsabkommen. Das Motto heißt: keine Zölle, keine Kontingente, kein Dumping. Die EU will den britischen Zugang zum Binnenmarkt nur in dem Maß gewähren, in dem Großbritannien auch künftig gemeinsame Standards einhält, seien es nun Umwelt-, Sozial-, Steuer- oder Warenstandards. Die britische Regierung will jedoch möglichst ihre eigenen Regeln setzen - aus ihrer Sicht ist das ja der Hauptvorteil des Brexits. In dieser Gemengelage hält die EU-Seite bis Jahresende bestenfalls ein Rumpf- oder Rahmenabkommen für möglich. Die Alternative, die Übergangsfrist nochmals zu verlängern, lehnt der britische Premier Boris Johnson ab. Für Transporteure wird es komplizierter Der Brexit bringt nicht nur neue Vorschriften mit sich, sondern sorgt im Güterverkehr auch für mehr Verwaltungsaufwand sowie längere administrative Vorlaufzeiten und mögliche Verzögerungen bei den Beförderungen wegen Verkehrsstaus an den Grenzen. Alles das kostet Manpower und somit Geld. Transportdienstleister mit England-Geschäft stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Dasselbe gilt für alle anderen, die für die reibungslose Abwicklung des Güterverkehrs am Ärmelkanal zuständig sind: etwa Häfen, Fähr- und Tunnelbetreiber sowie Zollbehörden. Sie versichern, auf den Brexit vorbereitet zu sein. Ob die Kapazitäten und das Know-how wirklich ausreichen, zeigt sich wohl erst am Ende der Übergangsphase. Spediteure sollten Mitarbeiter schulen Horst Kottmeyer rät, diese Übergangsphase zur Vorbereitung zu nutzen - auch wenn er davon ausgeht, dass die Gnadenfrist nochmals verlängert wird. Der geschäftsführende Gesellschafter der Spedition Kottmeyer mit Sitz in Bad Oeynhausen schließt sich der Meinung der meisten Wirtschaftsexperten an, dass die noch verbleibenden elf Monate nicht ausreichen, um ein vernünftiges Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien zu vereinbaren. Kottmeyer schickt etwa 40 Lastwagen pro Woche auf die Insel und hat sein Unternehmen soweit es geht bereits für den Brexit fit gemacht. "Wir sind mittlerweile AEO. Wir haben unsere Lkw-Fahrer geschult und Mitarbeiter auf Zolllehrgänge geschickt, weil die Jüngeren ein T-Papier für die Versandanmeldung häufig nicht mehr kennen", berichtet er. Auch mit Geschäftspartnern sei alles geklärt: "Mit einem Großkunden haben wir die Zeit nach einem Brexit für eine Woche durchgespielt, für jede Sendung MRN-Nummern vergeben und die Zolldokumente online hin- und hergeschickt." Für einen weiteren hat die Spedition ihr Lager in Bad Oeynhausen zolltechnisch zertifizieren lassen. Staus an den Grenzen befürchtet Speditionschef Kottmeyer nach 2020 für Warensendungen, bei denen die Papiere nicht in Ordnung sind. Er hofft, dass diese Transporte dann nicht die Lkw behindern, bei denen alle Dokumente ordnungsgemäß vorliegen. Verzögerungen hält er weiterhin für möglich bei der Gestellung der Waren im Binnenland, weil es Zollämter in Großbritannien derzeit nur in den Seehäfen gibt - und selbst dort nur sehr wenige. Kollegen empfiehlt der Spediteur, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ist, ihre Teams mit den künftigen Formalitäten vertraut zu machen und mit dem Zoll zu klären, was zu tun ist. Grundsätzlich sollten sich Unternehmen fragen, ob sich der Transport von und nach Großbritannien noch lohnt. "Wer nur mal alle 14 Tage auf die Insel fährt, muss sich sicher gut überlegen, ob er sich den damit verbundenen Aufwand wirklich zumuten will." Da werde es einen Umbruch im Markt geben, prophezeit Kottmeyer. Mehr zum Thema finden Sie unter #Großbritannien www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Nach dem offiziellen Brexit zum 31. Januar 2020 bleibt Großbritannien übergangsweise zwar noch bis zum Jahresende im EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Ob danach ein vernünftiges Handelsabkommen steht, ist ungewiss. Transporteure und Spediteure müssen sich deshalb zügig auf neue Regeln und Mehraufwand einstellen. Brexit-Checkliste der EU-Kommission Das sollten Güterverkehrsunternehmen in der Übergangsphase tun:- Registrieren Sie Ihr Unternehmen bei der Zollbehörde für den Handel mit Drittländern, sofern Sie dies noch nicht getan haben.- Prüfen Sie, ob Ihr Unternehmen über die notwendigen Ressourcen und Kapazitäten (Personal, Zugang zu IT-Systemen, Lagerung) und zollrechtlichen Bewilligungen für Einfuhr und Ausfuhr verfügt.- Erkunden Sie sich bei Ihrer nationalen Zollbehörde, welche zollrechtlichen Vereinfachungen und Erleichterungen, etwa Sicherheitsleistungen und Vereinfachungen im Versandverfahren, für Ihr Unternehmen bestehen und möglich sind (Carnet ATA oder CEMT-Genehmigung).- Erwägen Sie, bei Ihrer Zollbehörde den Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO-Status) zu beantragen.- Sprechen Sie mit Ihren Geschäftspartnern, da der Brexit nicht nur Auswirkungen auf Lieferketten haben könnte, sondern auch auf die Haftungs- und Kostenvereinbarungen. ag

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