London/Brüssel. Fernduell über den Ärmelkanal: Kaum hatte der EU-Unterhändler Michel Barnier am Montag in Brüssel Bedingungen für einen künftigen Handelspakt mit Großbritannien genannt, betonte Premierminister Boris Johnson in London bereits mit großer Geste, was für Großbritannien gar nicht geht. Wenige Tage nach dem Brexit war das der Vorgeschmack auf harte Monate am Verhandlungstisch. Am Ende wird die neue Beziehung der frisch geschiedenen Partner wohl längst nicht so eng wie von der Wirtschaft erhofft – wenn die Einigung denn rechtzeitig zustande kommt.
Die Europäische Kommission gab am Montag eine Empfehlung an den EU-Rat zur Aufnahme von Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich ab. Barnier mahnte die Unternehmen, sich darauf einzustellen, dass es in den Handelsbeziehungen künftig rumpelt. Selbst mit einem sehr ehrgeizigen Freihandelsabkommen seien die Wirtschaftsbeziehungen nicht mit dem gemeinsamen Markt vergleichbar. Warenkontrollen und Zollformalitäten seien nach Stand der Dinge unvermeidlich. Das seien „die mechanischen Konsequenzen der Bedingungen, die Großbritannien gewählt hat“.
EU will Kabotage-Freiheit beim Straßentransport aufheben
Erst in der Nacht zum Samstag hatte Großbritannien die EU verlassen. Bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020 müssen beide Seiten ihre Beziehungen im Handel, aber auch beim Güterverkehr, Arbeitnehmerrechten, dem Marktzugangsvorschriften und auf vielen anderen Feldern neu ordnen. Die Ansagen am Montag waren kühl bis kampfeslustig. Einig waren sich EU-Vertreter Barnier und Premierminister Johnson immerhin, dass man einen umfassenden Freihandelsvertrag ähnlich dem der EU mit Kanada will. Beide sagten auch, das sei bis Jahresende zu schaffen.
Die Empfehlungen der EU-Kommission für Verhandlungsrichtlinien mit dem Vereinigten Königreich sehen hingegen Einschnitte im Güterverkehr vor. Demnach sollen Frachtführer und Spediteure aus Großbritannien nicht mehr Kabotage-Transporte durchführen dürfen. Zudem sollen „geeignete“ Regelungen für den Lkw-Transit geschaffen werden. Vorgesehen ist darüber hinaus, dass die Briten die europäischen Sozialstandards für Lkw-Fahrer nicht unterschreiten dürfen. Der EU-Rat muss nun den Entwurf der Verhandlungsrichtlinien annehmen. Damit wird die EU-Kommission formell ermächtigt, die Verhandlungen als Verhandlungsführerin der Union zu eröffnen. (dpa/ag)