Cool bleiben

Drängelnde PKW-Fahrer, riskante Überholmanöver, Spurenspringen, Stau und alle fünf Minuten ruft der Disponent an und will wissen, wann die Ware endlich beim Kunden ankommt. Stressfaktoren gibt es viele für Berufskraft fahrer. Diese Tatsache ist nicht nur für den Fahrer unangenehm und kann sogar gesundheitliche Folgen haben, auch das Unfallrisiko steigt. Denn wer gestresst oder aggressiv fährt, lässt sich leichter ablenken, statt sich aufs Fahren beziehungsweise auf den Verkehr zu konzentrieren. Welche Möglichkeiten es gibt, mit diesen Stressoren besser umzugehen, können LKW-Fahrer in Seminaren bei der TÜV SÜD Life Service lernen. Fest vorgegebene Bausteine gibt es nicht, da bei jedem Unternehmen der Schuh an einer anderen Stelle drückt. "Deshalb versuchen wir, gleich zu Beginn im Gespräch herauszufinden, wo die größten Stressfaktoren liegen und wo konkreter Schulungsbedarf besteht", erklärt Dominik Hammer, Verkehrspsychologe und langjähriger Seminarleiter. Seiner Erfahrung nach trägt die Gruppensituation mit Moderator dazu bei, dass Konfliktpunkte erkannt und konstruktiv diskutiert werden können. Ein oft genanntes Thema ist dabei die Kommunikation zwischen Fahrer und Disposition. "Wir laden deshalb nicht nur die Fahrer, sondern auch die Disponenten, Fuhrparkleiter und Geschäftsführer ein", erklärt der Autor des Kursmodells "Bleib cool". Der Grund: Oft entsteht Stress, weil die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern unglücklich verläuft. "Wenn beide Seiten Verständnis für die Arbeit des jeweils anderen entwickeln, ändert sich auch der Umgangston, und das führt wiederum zu mehr Ruhe und besserer Leistungsfähigkeit beim Fahren, weil Störmomente und Ablenkung reduziert sind", ist sich Hammer sicher. Steht der Fahrer beispielsweise im Stau und der Disponent fragt ständig nach, wann er denn nun endlich am Ziel ist, erhöht das den Stresspegel beim Fahrer. Denn am Stau lässt sich nichts ändern, egal wie oft der Disponent anruft. Auf diesem wiederum lastet jedoch der Druck des Kunden, der seine Ware pünktlich erwartet. "Hier ist es wichtig, jeweils die Situation des anderen zu kennen und ein Verständnis füreinander zu entwickeln. Deshalb binden wir an dieser Stelle oft Rollenspiele ein", sagt Verkehrspsychologe Hammer. Das sei für manche zwar anfangs etwas befremdlich, erweist sich aber meist als sehr effektive Möglichkeit, sich in die Lage anderer zu versetzen. Generell rät Hammer in Situationen, in denen der Fahrer im Stau steht oder an der Laderampe warten muss: "Der Disponent vereinbart mit dem Fahrer, dass er sich meldet, sobald sich der Stau aufgelöst hat. Dann gibt es auch keine stressigen und überflüssigen Anrufe." Neben der Kommunikation mit der Zentrale sind es vor allem Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern, die Stress beim Fahrer auslösen. Während sie in ihren 40-Tonnern mit knapp über 80 Stundenkilometern auf der rechten Spur unterwegs sind und nicht schneller fahren dürfen, egal wie eilig sie es haben, werden sie links von PKW mit 180 Stundenkilometern überholt. "Allein dieses Gefühl, nicht wirklich vorwärtszukommen, kann Stress auslösen - ebenso wie empfundene Monotonie", weiß Hammer. Mit ständigen Beschleunigungen und Abbremsmanövern sowie kilometerlangen Elefantenrennen versucht der LKW- Fahrer, diesem Eindruck entgegenzuwirken. "Dadurch kommt er oft auch nicht wirklich schneller ans Ziel. Und er ist dabei nur noch gestresster, als wenn er einfach mit konstanter Geschwindigkeit fahren würde", ergänzt Hammer. Ein bisschen mehr Gelassenheit zu entwickeln, sei da der beste Rat. Ein zentrales Thema in den Seminaren ist die Analyse von Unfällen, aber auch von sogenannten "gefährlichen Begegnungen". Hier werden gemeinsam Unfälle und Gefahrensituationen analysiert. Dabei geht es vor allem darum, welche Faktoren zu der Situation, egal ob Zuspitzung oder Unfall, geführt haben. Die Analyse erfolgt auf sachlicher und vorwurfsfreier Ebene, denn gerade diese konstruktive Herangehensweise ermöglicht einen nachhaltigen Lerneffekt. "Dieses Vorgehen stellt oft eine Frühintervention dar. Sie ist besonders wichtig, denn jeder Unfall, aber auch Bagatellschäden kosten das Unternehmen Geld und führen schlimmstenfalls zum Ausfall des Fahrers und des Fahrzeugs", betont Hammer. Weitere Unfälle zu verhindern sei deshalb einer der häufigsten Gründe, weshalb sich Unternehmen dazu entschließen, ein Seminar bei TÜV SÜD zu buchen. Das Konzept des Seminars ist auf eine Teilnehmerzahl von maximal zwölf Personen - Fahrer sowie Disponent, Fuhrparkleiter und Geschäftsführer - ausgelegt. Die Inhalte sind in acht Unterrichtseinheiten à 45 Minuten unterteilt. Nach zwei Einheiten gibt es jeweils eine Pause. Je nach Bedarf kann die Schulung an einem Tag oder an zwei halben Tagen durchgeführt werden. "Die Unternehmen haben außerdem die Wahl, die Schulung in ihren eigenen Räumen oder bei uns zu machen", sagt Hammer. In der Regel sei es aber besser, die Möglichkeiten von TÜV SÜD zu nutzen: Hier sind Störungen durch den Betrieb in der Spedition ausgeschlossen. Bisher sind solche Seminare nicht Bestandteil der Module nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz. "Sie sind aber sozusagen die Kür, die in jedem Fall sinnvoll ist", betont Hammer. -4 TÜV SÜD Ansprechpartner TÜV SÜD Auto Service Dieter Roth E-Mail: dieter.roth@tuev-sued.de Mobil: 01 60/7 04 40 63

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