CO2-Bepreisung auf moderatem Niveau

Damit Deutschland beim Klimaschutz auf Kurs bleibt, soll ein Gesetz künftig Treibhausgas-Einsparziele für einzelne Bereiche und klare Regeln fürs Nachsteuern festschreiben. Für Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Gebäude und weitere Sektoren sind jährliche CO2-Budgets und dafür erforderliche Maßnahmen in einem Programm verankert worden. Die Spitzen der Großen Koalition einigten sich vergangenen Freitag nach einer Marathon-Sitzung in Berlin auf ein Paket, mit dem die Bundesrepublik ihre Klimaschutzziele für 2030 schaffen soll. Als zentrales Element soll klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) einen Preis bekommen und Benzin und Diesel, Heizöl und Erdgas verteuern - es ist aber ein Einstieg auf einem moderaten Niveau geplant. Im Gegenzug soll eine Reihe von Entlastungen und Anreizen kommen. Ab 2021 soll für Unternehmen etwa die EEG-Umlage, die den Großteil am Strompreis ausmacht, um 0,25 Cent pro Kilowattstunde sinken. Das schwarz-rote Klimaschutzpaket soll ein Gesamtvolumen von mehr als 50 Milliarden Euro haben. Zur Finanzierung soll es keine neuen Schulden geben. Die Union und die SPD wollen den CO2-Ausstoß in Deutschland verstärkt mit marktwirtschaftlichen Methoden reduzieren, heißt es in den "Eckpunkten für das Klimaschutzprogramm 2030". Das Klimakabinett der Bundesregierung soll zur Dauereinrichtung werden und Wirkung und Effizienz der Klimaschutz-Maßnahmen jährlich prüfen. Lücke bis 55 Millionen Tonnen CO2 Der Verkehrssektor muss seine Emissionen um 40 bis 42 Prozent im Vergleich zu 1990 auf 98 bis 95 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 mindern. Bereits beschlossene Maßnahmen senken die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland laut der Regierung um 13 Millionen Tonnen auf einen Referenzwert von 150 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030. Es verbleibt demnach eine Lücke von 52 bis 55 Millionen Tonnen CO2, die das Klimakabinett durch ein Maßnahmenbündel aus Förderung, Verkehrsverlagerung und Anreizen in Verbindung mit einer Bepreisung von CO2 schließen will. Der deutsche Emissionshandel soll Bereiche abdecken, die auf EU-Ebene mit Ausnahme des Luftverkehrs bislang nicht erfasst sind. Die Große Koalition will 2021 mit einem Festpreis für Verschmutzungsrechte von zehn Euro pro Tonne CO2 starten. Bis 2025 soll der Preis schrittweise auf 35 Euro steigen. Das geht aus dem Eckpunkte-Papier hervor. Erst danach soll der Preis der Emissionszertifikate sich über einen Handel bilden und innerhalb eines Korridors von Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Die Verschmutzungsrechte kaufen müssen Unternehmen, die fossile Heiz- und Kraftstoffe in Verkehr bringen oder liefern. Sie bewirken, dass es an der Tankstelle und beim Heizen teurer wird. Experten gehen davon aus, dass ein CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne einen Liter Diesel an der Tankstelle um mehr als neun Cent verteuert. Maßnahmen für den Verkehrssektor Im Gegenzug für den CO2-Preis, der dem Staat Milliarden Mehreinnahmen bringt, soll unter anderem die E-Ladeinfrastruktur ausgebaut und die Entwicklung alternativer Kraftstoffe unterstützt werden. Ziel sei es, dass bis 2030 etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe unterwegs ist. Unter anderem für den Schwerverkehr will die Große Koalition bis zum Jahresende eine nationale Wasserstoffstrategie erarbeiten. Die Kfz-Steuer soll künftig stärker als bisher an den CO2-Emissionen ausgerichtet sein. Bei der Lkw-Maut plant die Bundesregierung ab 2023 einen CO2-Aufschlag. Zudem will sie eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut zugunsten klimaschonender Antriebe und die notwendige Novelle der Eurovignetten-Richtlinie vorantreiben. Der Schienengüterverkehr soll dank mehr Geld vom Staat, das in eine Modernisierung und Kapazitäts-Verbesserung auf dem Netz fließen soll, deutlich schneller und attraktiver werden. Dies hatte die Bundesregierung schon vor über zwei Jahren im Masterplan Schienengüterverkehr versprochen. Eine stärkere Verlagerung weg von der Straße soll durch den Kombinierten Verkehr und eine Förderung des Einzelwagenverkehrs als Alternative zum Lkw gelingen. Mithilfe des Masterplans Binnenschifffahrt verspricht die Politik auch eine deutlichere Verlagerung des Güterverkehrs auf Wasserwege. Die Modernisierung von Binnenschiffen soll dafür weiter gefördert werden. "Damit sie auf Strom und emissions- und luftschadstoffarme Kraftstoffe umsteigen können, werden Umlagen für Landstrom gesenkt und emissions- und luftschadstoffärmere Kraftstoffe vorübergehend gefördert", heißt es. Bei Seehafen will die Bundesregierung eine Initiative zur EU-weiten Einführung einer Landstrompflicht starten. Kritik der großen Logistikverbände Der Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) sowie der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) kritisierten die auf nationaler Ebene ausgerichtete CO2-Bepreisung. Sie hatten sich bereits im Vorfeld des Klimagipfels gemeinsam mit dem Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ) für ein europäisches Emissionshandels-Systems (ETS) ausgesprochen. Das Gewerbe wolle zwar seinen Beitrag zur Schadstoffreduktion leisten. Allerdings würde der jetzige Beschluss keine Schadstoffe einsparen, sondern lediglich den Transport verteuern, äußerte sich der BGL. Es sei eine massive Benachteiligung inländischer Transportunternehmen zu befürchten. "Wenn es in der Zwischenzeit einer nationalen Lösung bedurft hätte, dann wäre einer reiner CO2-Aufschlag auf die Maut mit Sicherheit sinnvoll gewesen", sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt. Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), zeigte sich froh, einer deutschen CO2-Steuer entgangen zu sein. Er betonte, dass eine CO2-Bepreisung notwendig ist, sieht allerdings den nationalen Emissionshandel auch nur als Einstieg für eine europäische Lösung. Skeptisch zeigte sich Labrot hinsichtlich des Ziels, dass bis 2030 etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erfolgen soll. Das Ziel halte er für sehr ambitioniert, und es müsse auch die Nutzfahrzeugindustrie mitspielen, so Labrot. Die Unternehmen im BWVL seien bereit, auf klimafreundlichere Lkw umzusteigen. "Wenn die Industrie aber keine entsprechenden Angebote im Programm hat, dann klappt das natürlich nicht." Die Einführung eines CO2-Aufschlags auf die Lkw-Maut als wettbewerbsneutrale Maßnahme befürwortete Labrot, allerdings unter zwei Bedingungen. Zum einen sollten die Mittel, die damit eingenommen werden, wieder in Umweltschutzmaßnahmen für den Straßenverkehr reinvestiert werden. Zum anderen forderte er, dass auch Nutzfahrzeuge unter 7,5 Tonnen Gesamtgewicht wie auch Pkw und Busse bemautet werden. Der DSLV begrüßte eine Verstärkung der Masterpläne Schienengüterverkehr und Binnenschifffahrt durch die beschlossenen Maßnahmen. Der Ausbau und die Modernisierung der alternativen Verkehrsträger und des Kombinierten Verkehrs sei dringend erforderlich. Positiv sei auch, dass die Regierung nicht nur auf Elektromobilität setze. DSLV-Präsident Axel Plaß betonte auch, dass die Anschaffung CO2-armer Lkw und strombasierter Kraftstoffe nicht nur von Zuschüssen, sondern auch von der technischen Entwicklungskompetenz der Nutzfahrzeughersteller und Energieanbieter abhänge. Schiene: Mit Nachbesserungen zufrieden Positiv zu den beschlossenen Klimaschutz-Maßnahmen äußerte sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Der Branchenverband des öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs unterstützt den Vorschlag des Klimakabinetts zur CO2-Bepreisung. "Auch die Entlastungen beim Strompreis für Schienenverkehre sowie die verstärkte Förderung moderner Busflotten und des Einzelwagenverkehrs als Alternative zum Lkw begrüßen wir", sagte Präsident Ingo Wortmann. Kritisch sieht er unter anderem die Elektrifizierung von Autobahnen für Oberleitungs-Lkw. Für deutliche Nachbesserungen am Klimapaket plädiert hingegen das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene. Zwar sei der CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut von 2023 an positiv, aber man müsse die Einnahmen auch zur Finanzierung umweltfreundlichen Verkehrs freigeben. "Die Milliarden aus der Lkw-Maut dürfen nicht länger ausschließlich in den Bau von Autobahnen investiert werden", verlangte Geschäftsführer Dirk Flege. Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) forderte darüber hinaus, dass sich die Bundesregierung mehr für E-Fuels einsetzen müsse. Auch die Planungsbeschleunigung solle man konsequenter angehen. Handel: Klimabeschlüsse durchwachsen "Kein großer Wurf" seien die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 - darin waren sich der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und der Handelsverband Deutschland (HDE) einig. Kritik übte der BDI an der Kürzung der EEG-Umlage, die hinter den Forderungen zurück bleibe, sowie an den fehlenden steuerlichen Impulsen für die Entwicklung CO2-neutraler Kraftstoffe. Wie die Logistikverbände sieht der BDI den nationalen CO2-Zertifikatehandel nur als Zwischenlösung bis zu einem europäischen Emissionshandels-System. Das Ziel, den Anteil von E-Fahrzeugen bis 2030 mindestens zu verfünfzigfachen, sieht der Verband "an der äußersten Grenze der Realisierbarkeit". Entscheidend seien klimafreundliche Lösungen für die mehr als 35 Millionen Fahrzeuge, die auch 2030 noch mit Verbrennungsmotor unterwegs sein werden. Völlig unverständlich sei, dass steuerliche Impulse für die Entwicklung CO2-neutraler Kraftstoffe komplett fehlen. Das Ifo-Institut sieht zwar die CO2-Bepreisung über Zertifikate als richtigen Weg. Allerdings sei die Vorgabe von festen CO2-Preisen bis 2025 mit einem funktionierenden Zertifikatesystem unvereinbar. Außerdem seien die Preise zu gering für eine substanzielle Reduktion der Emissionen. Als problematisch bezeichnete Ifo-Präsident Clemens Fuest, dass viele ergänzende Maßnahmen getroffen wurden, die teuer seien und die Effizienzwirkungen des CO2-Zertifikatehandels beeinträchtigen könnten. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Für das deutsche Klimaschutzgesetz gibt es jetzt ein Grobkonzept. Es sieht eine CO2-Bepreisung im Verkehrssektor über den Handel mit Verschmutzungsrechten vor und setzt vorsichtige Preissignale. Trotz Förderungen und Entlastungen sind die Verbände der Transport- und Logistikwirtschaft unzufrieden. 10 Euro pro Tonne CO2 soll ab 2021 der Festpreis für den nationalen Emissionshandel betragen.

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