"Bestimmte Aufgaben sind nicht delegierbar"

Media Markt hat vor Weihnachten auf Plakaten mit dem Slogan geworben: "Wer will, der kriegt - im Markt, im Netz. Jederzeit." Sprich: Es macht keinen Unterschied mehr, ob der Kunde im Laden oder im Netz kauft. Wie rüstet sich Douglas für diesen Trend? E-Commerce ist für Douglas ein bedeutendes Geschäftsfeld und ein wichtiger Wachstumstreiber. Wir sind nicht nur die führende Parfümerie-Kette, sondern sicher einer der Treiber, was das Thema Omnichannel-Vertrieb angeht. Ziel ist, dass Kunden unsere Produkte über alle Kanäle bekommen: sowohl stationär in unseren Filialen als auch online über unseren Webshop. Aber sorgt Omnichannel bei Douglas tatsächlich für Mehrumsatz oder geht dieser Umsatz zulasten Ihres Filialgeschäfts? Unsere Auswertungen zeigen: Verbraucher, die in beiden Kanälen unterwegs sind, kaufen deutlich mehr. "Am Ende muss es also Douglas egal sein, über welche Kanäle ein Kunde einkauft. Hauptsache, er kauft bei Douglas". So hat es unser Vorstand im vergangenen Jahr formuliert. Entsprechend müssen wir dem Endkunden ein umfassendes Sortiment, die passenden Services und vor allem die Produktverfügbarkeit bieten. Klingt gut. Aber vor welche Herausforderungen stellt Sie diese Mehrgleisigkeit in der Logistik, die Sie bei Douglas verantworten? Klar müssen wir da flexibel sein und sind es auch, weil wir dank unserer Crossdocking-Center-Struktur (CDC) in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, die entsprechenden Systeme dafür haben (siehe Kasten Seite 26). Bei uns zieht annähernd jedes Jahr ein CDC um, weil sich der Logistikdienstleister ändert oder weil sich die Standorte im Mikrobereich anpassen müssen. Hätten wir zum Beispiel nur ein Zentrallager mit hochkomplexer Fördertechnik, sähe das anders aus. Dann würde uns diese neue geforderte Flexibilität Sorgen machen. Wie stellt sich Douglas dem Thema Omnichannel in der Logistik konkret? E-Commerce hat bei uns Ende der 90er-Jahre ganz klein angefangen. Dafür hatten wir eine eigene Geschäftseinheit gegründet. Wir haben neben dem stationären Geschäft auch eine separate Logistik für Onlinebestellungen aufgebaut. Wir arbeiten hier mit dem Logistikdienstleister Arvato zusammen, der für uns das E-Commerce-Zentrallager in Enningerloh betreibt, das insbesondere den deutschen Markt beliefert. Dort gehen alle Onlinebestellungen ein und von dort aus werden die Produkte an die Kunden ausgeliefert. In der Anfangsphase war diese separate Aufstellung auch gut und richtig. Aktuell ist aber unser Anspruch, dass wir unsere gesamte Wertschöpfungskette über alle Vertriebskanäle aus einem Guss steuern - Stichwort Omnichannel. Das klingt ambitioniert. Ist es auch. Auf Dauer kann es aber nicht funktionieren, dass wir unsere Lieferanten zweigleisig ansprechen - seitens unserer Filialen und seitens unseres Onlinehandels. Das muss künftig zusammen laufen. Außerdem ändert sich unsere Sortimentsstrategie. Wir können in unseren Filialen nicht das gesamte Sortiment vorhalten, sondern bieten eine standortspezifische Produktauswahl an. Gleichwohl sind wir in der Lage, unseren Kunden das gesamte Sortiment online zu offerieren. Dafür genügt es nicht, das Produkt nur zu bestellen. Der Kunde will das Produkt haben, sprich: Er will es auch geliefert haben. Was ändert sich dadurch in Ihrem Fulfillment? Das wirkt sich natürlich auf unsere Crossdocking-Center-Strategie aus. Wie genau, prüfen wir derzeit. Vorstellbar ist, dass man zukünftig mehrere CDC hat, die auch E-Commerce machen. In Oldenzaal/Niederlande existiert seit Mai 2014 bereits das erste kombinierte Logistikcenter, das von dem Logistikdienstleister Bleckmann (vormals TNT Logistics) betrieben wird. Dort laufen die beiden Kanäle nicht mehr separat nebeneinander, wie zum Beispiel in Deutschland, sondern sind unter einem Dach integriert. Der Wareneingang läuft also normal über das Crossdocking und wird in diesem Fall nach oben ins E-Commerce-Lager weitergeleitet, während die Ware für den stationären Handel unten abgewickelt wird. Aber brauchen Sie dafür keine neuen Logistikzentren? Das ist genau der Vorteil unserer Crossdocking-Struktur. Wir können da wie gesagt sehr schnell reagieren. Ich könnte in Ihrem 40 Quadratmeter großen Besprechungsraum, in dem wir gerade sitzen, ein Crossdocking für drei bis vier Filialen hochziehen, wenn Sie Telekommunikations-Anschlüsse haben. Auch die Deckenhöhe würde passen. Einziges Handicap: Die Tür wäre für eine Europalette definitiv zu klein (lacht). Im Ernst, das bekommt man hin. Die Intelligenz liegt letztlich bei der IT, die das Crossdocking steuert. Vorausgesetzt, Sie setzen das nun in Holland praktizierte Pilotprojekt auch in Deutschland um. Was würde sich für Ihre Logistikdienstleister ändern? Wie ich schon sagte, betreibt Arvato für uns im E-Commerce ein Zentrallager. Diese Zentrallager-Struktur könnte man ergänzen und zusätzliche kleinere, regionale Standorte in Deutschland schaffen. Wir könnten beispielsweise wie in den Niederlanden auch in Deutschland an jedes bestehende Crossdocking-Center die E-Commerce-Aktivitäten anflanschen. Operativ wäre das für die CDC kein Problem. Man müsste nur die Flächenkapazitäten entsprechend erhöhen. Das ist eine Variante, die wir prüfen müssen. Dann gibt es noch eine zweite Variante, die ich ebenfalls für gangbar halte, um das Thema Sameday-Delivery voranzutreiben. Was meinen Sie da konkret? Vorstellbar ist, dass wir in unseren größeren Douglas-Filialen in den großen Metropolen entsprechende Nebenräume dazu nutzen, um von dort aus Sameday-Belieferungen für Kunden zu organisieren, die das wünschen. Das könnte insbesondere im Rhein-Main-Gebiet, in München, Stuttgart, Nürnberg und Berlin gut funktionieren. Für bestimmte Artikel dürfte das machbar sein, zum Beispiel für unsere Top-Sellers. In der Douglas-Logistik stehen also ziemlich viele Themen auf der Agenda. Welche Ziele haben für Sie in diesem Jahr Priorität? Herausragendes Thema ist natürlich die weitere Integration des E-Commerce- und stationären Geschäfts, über das wir gerade sprechen. Diese Integration ist noch nicht zu 100 Prozent vollzogen. Mit der Lösung in Holland haben wir zwar ein Modell und eine Struktur geschaffen, um das Thema in der Supply Chain umsetzen zu können. Das wollen wir aber weiter optimieren. Denn noch sind nicht alle Fragen abschließend geklärt: Wie müssen zum Beispiel künftig die Aufträge in den Filialen gesteuert werden, damit sie vom Lieferanten so angeliefert werden, dass sich die Wareneingänge nicht mit dem Handlingaufwand in den E-Commerce-Centern beißen? Da müssen wir die Mengen-Peaks noch besser aufeinander abstimmen. Das sind Synergien, die muss man ausschöpfen. Dafür müssen die Bestellungen in den Filialen zum Beispiel so abgesetzt werden, dass die Lieferanten den geforderten Liefer-Slot auch einhalten. Apropos Lieferanten: Auf welche Neuerungen dürfen sich diese bei Ihnen einstellen? Ganz klar: Wir wollen das Lieferanten-Management deutlich weiter verbessern. Wir leben ja beide in der Logistik von gut funktionierenden Warenbeständen und Lieferzeiten. Diese Prozesse wollen wir gemeinsam mit unseren Lieferanten weiter ausbauen und optimieren. Denn in Zukunft triggert der Endkunde die Logistik, nicht mehr der Warenproduzent. In der Logistik müssen wir daher stärker vom Push- zum Pull-Prinzip kommen. Und was wird für Douglas in diesem Jahr die größte Herausforderung in der Logistik? Die größte Herausforderung wird sein: Wir müssen unsere Omnichannel-Fähigkeit in der Logistik nicht nur in Deutschland umsetzen, sondern sukzessive auch in allen 18 Staaten Europas, in denen Douglas präsent ist. Und da sind sehr unterschiedliche Länder dabei. Noch ist die Logistik an Ihren Auslands-Standorten ja sehr dezentral aufgestellt. Was wollen Sie da ändern? Die operativen Verantwortlichkeiten bleiben auch künftig in den Ländern verankert. Jedes Land weiß am besten, welche Produkt-Promotion wann notwendig ist. Der Bereich Supply Chain Management übernimmt aber bereits heute zentral bestimmte taktische und strategische Themen. Wir legen zum Beispiel fest, mit welchen Tools unsere internationalen Standorte arbeiten und für welches Land wir eine Zentrallageroder eine CDC-Variante empfehlen. Wie diese dann dezentral umgesetzt werden, kann und muss man vor Ort klären. Wer wählt dann dort künftig die Logistikdienstleister aus: Ihre Zentrale oder die jeweiligen Landesgesellschaften? Alle spielen das gleiche Spiel mit den gleichen Regeln. Daher haben wir eine einheitliche IT auf Basis von SAP, die die Logistik in allen Ländern steuert. In den Ländern wird die Feinsteuerung erfolgen, sprich dort werden lokal die am besten geeigneten Dienstleister ausgewählt, da jedes Land andere Filialgrößen und Mengen hat. Das erfolgt im Rahmen transparenter Tender-Prozesse, die auch vom zentralen Supply- Chain-Management-Team in Hagen durchgeführt werden. Das hilft uns auch im Benchmarking der Standorte. Wie wichtig ist im Zeitalter Omnichannel überhaupt für Douglas die Logistik und welche Aufgaben erachtet das Unternehmen da als Kernkompetenz? Gerade vor dem Hintergrund des E-Commerce gewinnt die Logistik sehr stark strategische Bedeutung. Für den E-Commerce ist die Logistik quasi das Fulfillment, die Umsetzung. Unsere logistische Kernkompetenz ist ganz klar die Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette. Als Handelsunternehmen sind wir einfach näher am Kunden als der Lieferant und erkennen die Bedürfnisse besser und früher als diese. Wir wissen also, an welcher Stelle es Aufträge gibt, an welcher Stellen Waren zur Verfügung stehen und wann Warenströme und Prozesse ausgelöst werden sollen. Diese Steuerung muss marktgetrieben sein. Deshalb sehen wir da uns klar als Treiber. Einem Logistikdienstleister trauen Sie diese Steuerungshoheit in Ihrer Supply Chain also offenbar nicht zu. Warum? Es gibt bestimmte Aufgaben, die kann man nicht delegieren. Dazu gehört auch das Thema Steuerhoheit in der Logistik. Die Verantwortung für die Qualität der angelieferten Ware in puncto Vollständigkeit, Kennzeichnung, richtiger Verpackung liegt bei den Lieferanten, zu dem ein externer Logistikdienstleister aber keine vertragliche Bindung hat. Der Liefervertrag wird ja zwischen uns und dem Lieferanten geschlossen. Einfluss auf mögliche Verbesserungen in der Lieferqualität kann nur der nehmen, der in direkter Geschäftsbeziehung steht. Es gibt ja auch 4th Party Logistics Provider, die quasi als neutraler Mittler Wertschöpfungsketten steuern. Wir haben diese Frage bis auf höchster Vorstandsebene einzelner Dienstleister diskutiert, die uns genau das angeboten haben. Ich glaube aber nicht, dass das 4PL-Modell funktioniert. Als Automobilhersteller vergibt man auch nicht die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs komplett an ein externes Ingenieurbüro. Genauso wenig kann ich in der Logistik die Steuerung der Wertschöpfungskette fremdvergeben! Steuerhoheit umfasst immer Verantwortlichkeiten und diese lassen sich nicht an Dienstleister outsourcen. Ausführende Tätigkeiten dagegen schon. Alles muss man nicht selbst machen. Für welche logistische Aufgaben versprechen Sie sich dann konkrete Kosten- oder auch Flexibilitätsvorteile durch das Outsourcen an Dienstleister? Sofern nicht ganze Standorte inklusive aller Aktivitäten von Wareneingang, Qualitätskontrolle über Handling/Kommissionierung bis zum Warenausgang outgesourct werden, haben wir oft das Facilitymanagement und durchgängig die Transportleistungen fremdvergeben. Hier profitieren wir von Synergien. Entscheidend für uns ist, dass uns ein Dienstleister diesen Mehrwert bietet. Wenn er etwa das Thema Personal im CDC in Peak-Zeiten nur so löst, dass er über Zeitarbeitsfirmen Personal organisiert, ist das für uns kein Mehrwert. Das können wir selbst leisten. Der Mehrwert ist, dass es dem Dienstleister gelingt, Kunden so zusammenzubringen, dass sich dadurch Synergien ergeben, die er an alle weitergibt. Es gibt Dienstleister, die schaffen das sehr gut. Was muss ein Dienstleister können, um bei Ihnen zum Zuge zu kommen? Er muss bereit sein, mit uns sehr offen permanent Open-Book-Kalkulation zu machen. Außerdem muss er sich bewusst sein, dass das Douglas-Logistikgeschäft sehr filigran ist. Der Name Douglas suggeriert zwar eine gewisse Größe. Unsere Mengen, die wir zu vergeben haben, sind aber vergleichsweise klein. Wir haben hohe Werte bei kleinem Volumen. Eine Filiale bekommt bei uns im Schnitt 1,5 Europaletten in der Woche. Und in Spitzenzeiten sind es maximal 10 bis 20 Paletten. Entscheidend ist aber vor allem, dass der Dienstleister sehr flexibel auf enorme saisonale Schwankungen reagieren kann. Das klingt sehr danach, dass Sie auf der Suche nach tüchtigen Mittelständlern sind. Grundsätzlich ist uns wichtig, dass wir als Auftraggeber oben auf der Kundenliste stehen. Es gibt viele interessante Mittelständler, die unsere Anforderungen erfüllen könnten. Definitiv haben sie deshalb eine gute Chance, ja! Sie sind oft agiler als große Logistikkonzerne, weil es tendenziell kürzere Entscheidungswege gibt. Wann steht Ihre nächste Ausschreibung an? Wir schreiben regelmäßig neu aus. Das ist ja standort-abhängig. Wenn dort ein Vertrag ausläuft, schreiben wir neu aus. Für unsere Crossdocking-Center machen wir dies in der Regel alle drei Jahre. Abschließend gefragt: Stehen wir beim E-Commerce erst am Anfang der Entwicklung, befinden wir uns am Höhepunkt oder flaut dieser Wachstumstrend bereits wieder ab? Es spricht viel dafür, dass der E-Commerce weiter ansteigt. Er weist auch unverändert stärkere Wachstumsraten als der stationäre Handel auf. Das ist nicht verwunderlich für einen vergleichsweise jungen Einkaufskanal. Handel ist eben dauernder Wandel. Alles hängt aber vom künftigen Kundenverhalten ab. Durch die Smartphone-Nutzung verändert sich viel. So viel ist sicher. Ich glaube aber nicht, dass der stationäre Handel verschwindet. Seine Rolle wird sich aber verändern und Richtung Erlebnis-Vermittlung und Verführung weiterentwickeln. Kunden können in den Filialen viel emotionaler und mit allen Sinnen angesprochen werden. Auch können verschiedenste Services angeboten und unmittelbar umgesetzt werden. Bei der schnellen Versorgung mit Produkten aus einem sehr umfangreichen Sortiment hat das Internet indes gewisse Vorteile, weil Bestellung und Lieferung für Kunden oft auch bequemer sind. Vita Michael Krings Michael Krings ist 1964 in Oberhausen/Rheinland geboren. Nach Abschluss seines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens (technische Fachrichtung Maschinenbau) an der TU Darmstadt im Jahr 1990 war er am dortigen Fachgebiet Unternehmensführung wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Hans-Christian Pfohl. 1997 schloss Krings seine Promotion an der TH Darmstadt ab.Von 1996 bis 2001 war er Project Manager im Competence Center Konsumgüter/Handel bei Roland Berger Strategy Consultants in München. Seit 2008 ist Michael Krings Geschäftsführer der Douglas Logistik GmbH in Zossen. In dieser Funktion ist er zudem für den in 2001 übernommenen Bereich Supply Chain Management bei der Parfümerie Douglas GmbH in Hagen verantwortlich. eh Daten + Fakten Douglas-Gruppe Die Douglas-Gruppe ist in den Branchen Parfümerie, Buchhandel und Mode vertreten. Im vergangenen Geschäftsjahr 2013/14, das den Zeitraum von Oktober 2013 bis September 2014 umfasste, erzielte das Unternehmen nach eigenen Angaben einen auf Basis vorläufiger, währungsbereinigter Zahlen Nettoumsatz von 3,3 Milliarden Euro. Dazu kommen 500 Millionen Euro Umsatz durch die Übernahme der französischen Parfümeriekette Nocibé. Gruppenweit sind im Geschäftsjahr 2013/14 vor allem im Bereich E-Commerce die Umsätze stark gestiegen. Sie tragen rund ein Zehntel zum Gesamtumsatz der Gruppe bei. Die Douglas-Parfümerien sind europaweit mittlerweile in 18 Ländern tätig. eh

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