Bericht aus Brüssel

Bericht aus Brüssel ETS hält EU in Atem Der Kompromiss zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel ist umstritten. Alles könnte noch mal kippen – und dann drängt die Zeit mehr denn je. Deutschland, Frankreich und Großbritannien waren die treibenden Kräfte für den Kompromiss, auf den sich Vertreter des EU-Parlaments, der EU-Kommission und der EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben. Gerungen wurde in den Trilogverhandlungen um die Frage, welche Flüge künftig in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) einbezogen werden sollen. In der Regel werden solche Kompromisse im Anschluss nur noch pro forma vom EU-Rat und dem EU-Parlament abgestimmt. Bei ETS ist das jetzt anders. Vor allem die Zustimmung des Europaparlaments ist ungewiss. Denn das, was Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Trilog durchgedrückt haben, schmeckt vielen Europaabgeordneten ganz und gar nicht. Beschlossen wurde die Weiterführung des sogenannten „Stop the Clock“-Verfahrens (deutsch: die Uhr anhalten) bis einschließlich 2016. Die Beschränkung von ETS auf innereuropäische Flüge war nach heftigen Protesten unter anderem aus China und den USA 2013 als einjährige Ausnahme beschlossen worden, um internationalen Gremien Zeit für weitere Verhandlungen einzuräumen. Starke Opposition im Parlament „Das ist Irrsinn“, kommentiert Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament, den jetzt erzielten Trilog-Beschluss. Dadurch werde ETS als „wirkungsvolles Klimaschutzinstrument nun erheblich“ geschwächt. Sie kündigt bereits das Nein ihrer Fraktion an. „Ich schätze die Chancen 50 zu 50 ein, dass der Kompromiss durchfällt“, sagt seinerseits der SPD-Europaabgeordnete Matthias Groote, Vorsitzender des Umweltausschusses im EU-Parlament. Grüne und Liberale seien geschlossen dagegen, die Linke tendenziell wohl auch, bei seiner Fraktion sei er nicht sicher. Zwei Hürden muss der Trilog-Kompromiss im Parlament nehmen. Zustimmung ist zunächst im Umweltausschuss, dann im Gesamtplenum nötig. Sollte ein Gremium dagegenstimmen, gilt der Kompromiss als gekippt. „Dann wird es zu neuen Trilogverhandlungen kommen müssen“, sagt Bill Hemmings, Flug-Experte beim Umweltverband Transport & Environment. Dafür würde allerdings nur noch wenig Zeit bleiben. Denn ein neuer Kompromiss müsste erneut von Ausschuss und Plenum abgestimmt werden. Wenn das bis Ende April nicht passiert, tritt ETS in seiner ursprünglichen Form wieder in Kraft. Dann würden wieder alle Flüge berücksichtigt, die in der EU landen und starten, auch interkontinentale Verkehre. „Das kann keiner wollen“, appelliert Peter Liese (CDU), Verhandlungsführer für das Parlament, an die Vernunft seiner Kollegen. Gegen ETS hatte es weltweite Proteste bis hin zu Drohungen von Handelskriegen gegeben. Um den Streit zu schlichten, hatte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation Icao im Herbst 2013 beschlossen, bis 2016 ein weltweit anerkanntes System zur Senkung von CO2in der Luftfahrt auszuarbeiten. Dieser Icao-Beschluss spaltet die EU. Die einen sind zufrieden, weil eine weltweite Lösung versprochen ist und wollen auf sie warten. Die anderen trauen dem Versprechen nicht und fürchten ein Icao-System, das weniger ambitioniert ist als ETS. Luftraumansatz als Kompromiss Ein Kompromiss in einem zweiten Trilog könnte der Vorschlag der EU-Kommission sein, ETS bis 2016 nicht nur auf EU-interne Flüge anzuwenden, sondern auch auf die Teilstrecken von interkontinentalen Flügen, die im europäischen Flugraum liegen. Deutschland, Frankreich und Großbritannien müssten ihren bisherigen Widerstand dagegen aufgeben. ❙❚■ Kay Wagner, VR-Korrespondent in Brüssel

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